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Angeklagter Ex-SVP-Kantonsrat
Er streitet Gewaltvorwürfe während Sextreffen ab, Gericht erhöht Strafe

Juni letzten Jahres: Bernhard Diethelm erklärte sich vor den Medien im Rathaus Schwyz.
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Er nannte sie «Herrin», sie ihn «Schweinchen». Für 4200 Franken wollte der damalige Schwyzer SVP-Kantonsrat Bernhard Diethelm im Sommer 2021 in einer Wohnung in Zürich-Oerlikon fünf Stunden lang dominiert, gepeitscht und erniedrigt werden.

Doch das eigentlich harmlose Rollenspiel und sadomasochistische Sextreffen zwischen dem Politiker und einer damals 24-jährigen Sexarbeiterin eskalierte. Schon nach wenigen Minuten kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, bei der die Frau zahlreiche Verletzungen erlitt, aber auch er leichte Blessuren davontrug. Wie es dazu kam, ist bis heute strittig.

Das Bezirksgericht Zürich verurteilte den heute 41-Jährigen bereits vor einem Jahr wegen einfacher Körperverletzung, Tätlichkeiten und verbotener Pornografie zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten, einer Geldstrafe von 12’000 Franken und einer Busse von 1000 Franken.

Freigesprochen wurde Bernhard Diethelm vom Vorwurf der versuchten Vergewaltigung, der versuchten sexuellen Nötigung und der Gefährdung des Lebens. Da alle Beteiligten Berufung eingelegt hatten, musste sich am Mittwoch das Zürcher Obergericht mit dem Fall befassen. 

Neun Monate bedingt wegen einfacher Körperverletzung

Die Richterinnen und Richter bestätigten das Urteil des Bezirksgerichts weitgehend. Jedoch erhöhten sie die bedingte Freiheitsstrafe auf neun Monate. Die Geldstrafe wurde von 120 auf 180 Tagessätze à 100 Franken aufgestockt. Vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens sprach das Obergericht den 41-Jährigen frei und folgte damit der Vorinstanz. Eine konkrete Lebensgefahr für das Opfer sah es nicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

Diethelm blieb bei seiner Befragung vor Gericht bei seiner Version der Auseinandersetzung: Die Sexarbeiterin habe ihn in die Hand gebissen, worauf er rotgesehen und sie geschubst habe. Auf die Frage, wer zuerst tätlich geworden sei, antwortete Diethelm: «Das kommt immer darauf an, wie man es anschaut – zuerst sie», sagte der 41-Jährige. Als eine Oberrichterin ihn bat, das «dynamische Geschehen» zu schildern, verwies er auf seine Aussage beim Bezirksgericht und äusserte sich nicht weiter. Nach etwa 15 Minuten war seine Befragung und damit die Beweiserhebung abgeschlossen.

Lebensbedrohlicher Vorfall?

Als «lebensfremd» bezeichnete es der Staatsanwalt in seinem Plädoyer, dass die Frau den Beschuldigten ohne vorherigen Angriff in den Finger gebissen haben soll: «Das Bezirksgericht wertete den Fingerbiss zu Recht als Verteidigungshandlung und nicht als Angriffstat.»

Die Opferanwältin erklärte, Diethelm habe ihre Mandantin «aus dem Nichts und hinterrücks mit einem gezielten Griff gegen den Hals» gepackt und mit den Unterarmen gewürgt. Dieser Griff ist laut Staatsanwaltschaft besonders gefährlich, weil dabei gleichzeitig die Arterie und die Vene abgedrückt werden können. Die Sexarbeiterin hatte angegeben, Todesangst gehabt zu haben. 

Themenbild: Obergericht Zürich .
25.11.2016
(Tages-Anzeiger/Urs Jaudas)

«Die Rechtsmedizin geht von einem lebensbedrohlichen Vorfall aus», sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Diethelm habe ihr die Luft abgedrückt, bis ihr schwindlig geworden sei. Der 41-Jährige müsse deshalb wegen Gefährdung des Lebens verurteilt werden, so der Vertreter der Anklagebehörde.

Diethelms Anwalt zufolge habe sich die Sexarbeiterin nicht in Lebensgefahr befunden: «Für den 94 Kilo schweren Beschuldigten wäre es ein Leichtes gewesen, die 52 Kilo leichte Geschädigte in den Schwitzkasten zu nehmen, doch das wollte er nicht», sagte der Verteidiger. Die zwanzig Verletzungen, die die Ärzte bei der Sexarbeiterin feststellten, könnten auch von anderen Freiern stammen.

Was war das Motiv?

«Worauf wir nach wie vor keine Antwort haben, ist das Motiv», sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Er führte darin auch Indizien für ein geplantes Vorgehen von Diethelm an, das sich aber nicht zweifelsfrei beweisen lasse: In den Einvernahmen hatte die Sexarbeiterin mehrfach ausgesagt, dass sie einen chemischen Geruch wahrnahm, als der 41-Jährige sie in den Schwitzkasten nahm und würgte. Zudem hatte er zuvor auf Whatsapp darauf bestanden, dass die Frau nach ihm keine weiteren Termine mehr vereinbaren soll.

45 Minuten vor der Auseinandersetzung hatte Diethelm «Chloroform kaufen Schweiz» gegoogelt, wie die Polizei herausfand. Zwei Jahre zuvor hatte er bereits nach «K.-o.-Tropfen kaufen legal» gesucht und in einem Online-Shop in den Warenkorb gelegt, wie der Oberrichter in der Urteilsbegründung erklärte. Ob der Beschuldigte tatsächlich K.-o.-Tropfen oder Chloroform kaufte, konnte die Polizei nicht zurückverfolgen. Diethelm bestreitet das, und auch das Gericht sah dafür keine Beweise. 

Als Monster dargestellt

In seinem Schlusswort entschuldigte sich Diethelm für das, was er tatsächlich gemacht habe. Ein Tatgeschehen, das so nicht stattgefunden habe, lasse er sich aber nicht in die Schuhe schieben. «Es wurden mir Sachen unterstellt, die mich als Monster dargestellt haben.» Sein Verteidiger kündigte nach dem Prozess an, das Urteil «eher nicht» ans Bundesgericht weiterzuziehen. 

Bereits kurz nach dem erstinstanzlichen Urteil sistierte Bernhard Diethelm seine SVP-Mitgliedschaft. Zuvor hatte die Schwyzer Kantonalpartei seine Ortspartei dazu aufgefordert. Im Dezember 2023 erklärte der 41-Jährige, nach acht Jahren als Kantonsrat nicht mehr zu den Wahlen im März 2024 anzutreten.

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