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Eskaliertes Sextreffen in Zürich
Schwyzer SVP-Kantonsrat von Hauptvorwürfen freigesprochen

Zusammengesetzte Gerichtszeichnung: Die 26-jährige Sexarbeiterin (stehend links) und der Schwyzer SVP-Kantonsrat Bernhard Diethelm (ganz rechts) standen am Montag nie gleichzeitig im Gerichtssaal.
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Unbestritten ist: Das zweite Treffen des Schwyzer SVP-Kantonsrats Bernhard Diethelm mit einer deutschen Sexarbeiterin dauerte bloss wenige Minuten und beide hatten es sich anders vorgestellt. Doch für das Zürcher Bezirksgericht ist klar: Es kann Diethelm nicht nachweisen, dass er die Frau in Lebensgefahr gebracht oder versucht hatte, sie zu vergewaltigen. Als erwiesen sieht das Gericht nur eine einfache Körperverletzung und Tätlichkeit an. Es verurteilte den 40-Jährigen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten sowie einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 100 Franken. Ausserdem muss er eine Busse von 1000 Franken bezahlen. Das Gericht verpflichtet Diethelm dazu, der Frau eine Genugtuung von 1000 Franken sowie mehrere Hundert Franken Schadenersatz zu bezahlen.

Das Treffen fand im Juni 2021 statt. Diethelm wollte von einer damals 24-jährigen deutschen Sexarbeiterin in einem Mietappartement in Zürich-Oerlikon dominiert, das heisst gepeitscht, bespuckt und getreten werden. Zudem sollten auch noch Exkremente eine Rolle spielen. Bei einem ersten Treffen ging noch alles gut. Gleich am nächsten Tag wollten sie sich erneut treffen.

Ein Rollenspiel zum «Aufgeilen»

Diethelm gab an, ein reicher Geschäftsmann zu sein und in einer Villa am Zürichsee zu wohnen (in Wirklichkeit wohnt er in Vorderthal, und sein Lohn liegt weit unter dem Zürcher Medianlohn von über 7000 Franken). Er versprach, 4200 Franken zu bezahlen, wenn die Sexarbeiterin an diesem Abend nur ihn empfange und ihm noch einen Mundknebel, eine Fesselschnur und eine Leine mit Halsband kaufe.

Das sei alles nur ein Rollenspiel gewesen, um sich aufzugeilen, sagte Diethelm vor Bezirksgericht. Er habe nur 1500 Franken dabeigehabt. Dies sei ein üblicher Preis für ein solches Treffen, die versprochenen 4200 Franken seien auch nur Teil des Rollenspiels gewesen. Als er das der Sexarbeiterin mitgeteilt habe, sei diese wütend geworden und habe ihn in den Finger gebissen.

Er habe dann «rotgesehen» und sie weggeschubst. Weil sie so sehr geschrien habe und man in der heutigen Zeit ja wisse, wie das für einen Mann ausgehe, wenn eine Frau um Hilfe schreie, habe er die Mietwohnung fluchtartig verlassen.

War Chloroform im Spiel?

Die Geschädigte schilderte den Vorfall deutlich anders. Diethelm sei schon beim Eintreten in das Appartement anders gewesen als am Vortag. Ohne wirkliche Begrüssung sei er ins Bad gegangen und habe sich das Halsband mit der Hundeleine, Latexhandschuhe sowie eine schwarze FFP2-Maske angezogen. Sodann sei er im Wohnzimmer von hinten an sie herangetreten.

«Im Umdrehen habe ich ihn gefragt, ob er das Geld dabeihabe», sagte die 26-Jährige vor Bezirksgericht. Da habe er sie auch schon in den Schwitzkasten genommen und gewürgt. Daraufhin habe er versucht, sie mit einer unbekannten Substanz zu betäuben. Sie habe sich aber losreissen können, und es sei zu einem Handgemenge gekommen, bei dem sie mehrfach verletzt worden sei.

Aussage gegen Aussage

Bei solchen sogenannten Vieraugendelikten steht oft Aussage gegen Aussage. Die Strafverfolgungsbehörden müssen sich vor allem auf die Glaubhaftigkeit der Beteiligten abstützen. Hinzu kommen in diesem Fall aber diverse Details, die den 40-Jährigen schwer belasten.

Die Verletzungen am Körper der Frau sind so vielfältig, dass sie schwer nur von einem Schubser stammen können. Ausserdem wies die Frau am Kinn eine Art Verätzung auf, die wohl von einer chemischen Substanz stammt. Zudem waren fast alle Haarextensions der Frau nach dem Vorfall ausgerissen.

Und Diethelm hatte auf dem Hinweg im Zug nach den Schlagworten «Chloroform kaufen legal Schweiz» gegoogelt. Bereits zwei Jahre davor wollte Diethelm online Gammahydroxybuttersäure kaufen, die als K.-o.-Tropfen bekannt ist. 

Als das Gericht den Beschuldigten mit diesen Erkenntnissen konfrontierte, sagte er bloss: «Ich kann mir das auch nicht erklären.» Sein Verteidiger konzentrierte sich in seinem Plädoyer vor allem darauf, Widersprüche in den Aussagen des Opfers herauszustreichen oder auf Ungereimtheiten in der Anklageschrift hinzuweisen. So wies die Sexarbeiterin Kratzspuren am Körper auf: «Wie kann das sein, wenn der Beschuldigte doch Latexhandschuhe getragen haben soll?», fragte der Verteidiger. In der Anklageschrift seien unter den über zwanzig aufgelisteten Verletzungen auch «acht bis neun darunter», die «nachweislich schon vor dem Vorfall bestanden hätten».

Verteidigung fordert Freispruch in fast allen Punkten

Vor allem aber zog er die einzelnen Anklagepunkte der Staatsanwältin in Zweifel. Diese fordert eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und eine Busse von 1000 Franken wegen versuchter Vergewaltigung, versuchter sexueller Nötigung, Gefährdung des Lebens, mehrfacher einfacher Körperverletzung sowie mehrfacher Tätlichkeiten. Es gäbe keine Anzeichen dafür, dass sein Mandant Sex mit der Frau wollte, sagte der Verteidiger. «Er wollte lediglich der Devote sein und dominiert werden.» Dazu passe weder der Vorwurf der versuchten Vergewaltigung noch jener der versuchten sexuellen Nötigung. 

Selbst wenn Diethelm die Frau gewürgt hätte – was er bestreitet –, hätte sich die Frau nie in einer Lebensgefahr befunden, sagte der Verteidiger weiter. So bleibe am Schluss bloss ein Schubser übrig, der als Tätlichkeit zu werten wäre. Und da sei noch der Punkt der harten Pornografie. Denn bei Diethelm sind 56 Bilder der Kategorie «Zoophilie» sichergestellt worden. Dabei handelt es sich um sexuelle Handlungen mit Tieren. Diethelm sagte, auch diese seien ein Teil des Rollenspiels gewesen. In diesem Punkt bekenne er sich aber schuldig. 

Konkret forderte sein Verteidiger für die beiden Vergehen (Tätlichkeit und Pornografie) eine bedingte Geldstrafe von 130 Tagessätzen und eine Busse von 1000 Franken.

Politische Zukunft unklar

Was das Urteil für die weitere politische Karriere Diethelms bedeutet, ist noch unklar. Im Vorfeld hatte die Kantonalpartei der SVP die Ortspartei Wägital aufgefordert, die Mitgliedschaft des Kantonsrats bis zu einem allfälligen Freispruch zu sistieren. Diethelm weigerte sich bisher, aus der Partei auszutreten. Dies käme einem Schuldeingeständnis gleich. Auch der Schuldspruch des Bezirksgerichts ist noch nicht rechtskräftig und kann noch ans Obergericht weitergezogen werden.