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Geheime Informationen geleakt
Dominic Cummings weiss, «wo alle Leichen vergraben sind»

Einst ein enger Freund, jetzt ein gefährlicher Feind: Dominic Cummings (rechts) dürfte Informationen haben, die Boris Johnson lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Aufnahme vom September 2019. 
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Glaubt man den britischen Zeitungen, hat Dominic Cummings seinem früheren Chef Boris Johnson den Krieg erklärt. «Es ist traurig, den Premierminister und sein Büro so weit unter die Integritäts- und Kompetenzstandards fallen zu sehen, die dieses Land verdient», schreibt er in seinem privaten Blog. Als Beispiel nennt Cummings die fast 60’000 Pfund teure Renovierung von Johnsons Wohnung, in der dieser mit seiner Verlobten und dem gemeinsamen Sohn lebt. Er, Cummings, habe dem Premier gesagt, dass er dessen Plan, Spender der Konservativen Partei «heimlich» dafür zahlen zu lassen, für «unethisch, dumm» und «möglicherweise illegal» halte. Wenn Johnson sein Vorhaben so durchführe, werde er «nahezu sicher» gegen die Regeln zur Offenlegung von Parteispenden verstossen.

Es ist ein Vorwurf, der schwer wiegt. Inwieweit Johnson diesen Plan tatsächlich verfolgte, ist unklar. Nach Angaben der Regierung hat er die Wohnungsrenovierung schliesslich selbst bezahlt. Das schliesst aber nicht aus, dass er womöglich um Spenden gebeten hat und Cummings dafür noch Beweise vorlegen könnte. Genau deshalb dürfte Johnson nun in Sorge sein, denn wenn es jemanden gibt, der belastendes Material besitzt, dann ist es wohl Cummings.

Der Chefberater verhalf Johnson zum Wahlsieg

Der 49-jährige Politstratege galt bis zu seinem Zerwürfnis mit dem Premier als dessen engster Vertrauter. Johnson war so sehr auf ihn angewiesen, dass er sich sogar hinter seinen Chefberater stellte, als dieser die Corona-Regeln während des Lockdown im Frühjahr 2020 gebrochen hatte. Cummings war für den Premier lange Zeit unverzichtbar. Er erfand nicht nur den Slogan «Get Brexit done» und verhalf Johnson damit 2019 zum Wahlsieg. Er rückte die Tories so weit nach rechts, dass die Brexit Party von Nigel Farage überflüssig wurde. Dass die Konservative Partei seitdem keine konservative Partei mehr ist, war Cummings ziemlich egal.

Als Chefberater des Premiers sorgte er dafür, Ministerien zu entmachten, und zog alle wichtigen Entscheidungen an sich. Regierungsbeamte begegneten ihm mit einer Mischung aus Respekt und Angst. Der Vordenker der «Vote Leave»-Kampagne beim Brexit-Referendum war nicht nur Scharfmacher, er war auch ein Kontrollfreak. Es ist also anzunehmen, dass Cummings nach seinem Rückzug im November 2020 allerlei Unterlagen mitgenommen hat, die Johnson schaden könnten.

«Sollen sich doch die Leichen zu Tausenden stapeln.»

Angebliche Aussage von Boris Johnson

Die «Sunday Times» beruft sich auf Mitarbeiter in 10 Downing Street, die davon ausgehen, dass Cummings genug kompromittierendes Material habe, um Johnson zu «zerstören». «Dominic hat Kopien von allem und weiss, wo alle Leichen vergraben sind», zitiert die Zeitung einen Vertrauten von Cummings. Dieser habe den Premierminister im Herbst dazu gedrängt, früher einen Lockdown zu verhängen, und habe «viele Beweise, die zeigen, dass seine Entscheidung zu verzögern zu verheerenden Folgen führte».

Am 26. Mai wird Cummings vor einem Parlamentsausschuss, der die Reaktion der Regierung auf die Pandemie untersucht, Rede und Antwort stehen. Bis dahin fürchtet man in 10 Downing Street weitere Attacken auf Johnson.

Weite Angriffsfläche auf den britischen Premier bot ein Zitat, das am Montag, 26. April an die Öffentlichkeit drang. An jenem Tag löste eine angebliche Aussage Johnsons Schockwellen aus, mit dem Johnson sich im vergangenen Herbst gegen einen dritten Lockdown gewehrt haben soll. «Keinen verdammten Lockdown mehr – sollen sich doch die Leichen zu Tausenden stapeln», zitierte ihn die Zeitung «Daily Mail». Laut dem Blatt, das seine Quelle nicht genannt hat, soll der Satz im Oktober bei einem internen Treffen in der Downing Street gefallen sei, nachdem sich Johnson entschlossen hatte, im November einen zweiten einmonatigen Lockdown zu verhängen.

Cummings hat nicht mehr viel zu verlieren

Anders als der Premier hat Cummings nicht mehr viel zu verlieren. Eine Rückkehr ins Zentrum der Macht gilt unter Johnson als ausgeschlossen. Das Verhältnis der beiden ist zerrüttet, nachdem Cummings seinen Job vor fünf Monaten im Streit mit dem Premier aufgegeben hatte. Damals wurde darüber spekuliert, dass Johnson seinen Berater dafür verantwortlich gemacht haben soll, einen Lockdown-Plan an Journalisten durchgestochen zu haben, um den offenbar zaudernden Premier unter Druck zu setzen. Cummings bestreitet das. Wie es aussieht, hat der Krieg zwischen den beiden gerade erst begonnen.