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Impfungen gegen Corona in Grossbritannien
Warum die Briten mehrere Monate auf die zweite Impfdosis warten müssen

Der 84-jährige Robert Williams erhält seine erste Impfstoffdosis gegen Covid-19 in der Stadt Stevenage unweit von London.
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Sichtlich stolz ist man in Downing Street auf die Impfoperation, die vorigen Monat in Gang gesetzt worden ist in Grossbritannien. Zwischen vier und fünf Millionen Menschen auf der Insel sollen schon zum Impfen gerufen worden sein. Alle paar Tage werden imposante neue Impflokale in Sportstadien, Messezentren und ehrwürdigen Kathedralen eingerichtet – zusätzlich zu den vielen Spitälern, hausärztlichen Wartezimmern und grossen und kleinen Apotheken, die Teile des «nationalen Kraftakts» im Kampf gegen Covid-19 sind.

In der Tat rangiert das Vereinigte Königreich pro Kopf der Bevölkerung ziemlich hoch in der internationalen Impfstatistik: hinter Israel, aber noch vor den USA und anderen grossen Staaten. Jüngst wusste Premierminister Boris Johnson sogar zu vermelden, in seinem Land werde mehr geimpft «als im Rest Europas zusammengenommen». Einer der Gründe für den bemerkenswerten Vorsprung ist natürlich, dass die Briten die Impfstoffzulassung sanft beschleunigten und schon Wochen vor der EU, Anfang Dezember, mit dem Impfen beginnen konnten.

Schon 100’000 Tote

Geholfen hat aber auch, dass der Regierung mit dem Nationalen Gesundheitswesen, dem NHS, ein einzigartig zentralisiertes und weitverzweigtes Netz medizinischer Versorgung zur Verfügung steht, das in einem solchen Fall schnell in Gang gesetzt werden konnte. Nötiger als andere hatte das Königreich einen schnellen Impfstart jedoch auch. Die aktuelle Situation ist noch prekärer als während der ersten Welle im letzten Frühjahr. Fast doppelt so viele Covid-Patienten wie damals – an die 40’000 – drängen sich jetzt in britischen Spitälern. Vielerorts sind Intensivstationen überlastet. Extra-Leichenhallen werden errichtet. Nach Berechnungen des Statistischen Amtes hat die Zahl der Covid-Toten die 100’000er-Marke überschritten.

In einem dramatischen Wettlauf zwischen Neuinfektionen und frisch geimpften Bürgern finde sich sein Land nunmehr, hat Regierungschef Johnson verkündet. Und um den Wettlauf zu gewinnen, hat sich die Regierung etwas einfallen lassen, was der Zahl der Geimpften auf die Sprünge helfen soll. Statt drei oder vier Wochen zwischen den beiden erforderlichen Impfdosen verstreichen zu lassen, lässt man die mit einer ersten Dosis Geimpften einfach zwölf Wochen warten. Auf diese Weise können wesentlich mehr Personen eine erste Dosis erhalten – was so allerdings nie vorgesehen war. Denn als die Impfaktion im Dezember mit dem Biontech/Pfizer-Präparat anlief, erhielten britische Ärzte noch klare Anweisung, nur drei Wochen zwischen den beiden Impfgängen verstreichen zu lassen. Erst als die Lage zur Weihnachtszeit brenzlig wurde, schaltete man plötzlich auf zwölf Wochen um.

Geduld ist gefragt: Corona-Impfzentrum in London.

Den abrupten Kurswechsel befürworteten unterdessen alle wichtigen britischen Aufsichtsbehörden und Regierungsberater, darunter Johnsons medizinischer Chefberater Professor Chris Whitty. «Um ein paar Wochen» könne man eine zweite Dosis ohne weiteres hinauszögern, meinte Whitty. «Wir gehen nicht davon aus, dass sich der Schutz für den Einzelnen in einer solchen Zeitspanne nennenswert verringert.» Biontech/Pfizer warnte allerdings, für einen derart langen Zeitraum zwischen den beiden Dosen gebe es keine Forschungsergebnisse.

Die Ärzte protestieren

Etliche britische Ärzte haben seither vehement protestiert. Sie sind davon überzeugt, dass eine Einzelimpfung nur 50 Prozent Effizienz bietet – statt über 90 Prozent, wie zwei Impfungen binnen drei Wochen. Über solche Einwände sind die Regierung und ihre Experten schlicht hinweggegangen. Nicht nur sei die Zwölfwochenfrist unbedenklich, erklärten sie: Sie sei vielleicht sogar besser als ein erneutes Impfen schon nach drei bis vier Wochen. Immerhin sei «belegt», behauptete das Nationale Impf-Komitee (JCVI), «dass beim AstraZeneca-Impfstoff ein längerer Zeitraum zwischen der ersten und zweiten Dosis eine bessere Immunitätsreaktion hervorruft». Und es gebe keinen Anlass zur Vermutung, dass diese Reaktion bei Biontech/Pfizer «wesentlich anders» sei. Betreten fragten sich einige Erst-Geimpfte, ob die Regierung ihnen nun ihre zweite Dosis ganz vorenthalten wolle – mit dem Argument, dass sie mit nur einer Dosis viel besser dran seien.