Nach Blockade des SuezkanalsEver Given: Ware blockiert, nun gibts noch eine gesalzene Rechnung
Das Containerschiff Ever Given sitzt in Ägypten fest. Der Schiffseigentümer will die Besitzer der Containerladungen an den horrenden Rettungskosten beteiligen.
Schon einmal von «Havarie grosse» gehört? Nein? Dann ergeht es Ihnen wie den zahlreichen Kunden in Europa: Sie warten noch immer auf ihre Ware, die in den Containern auf dem Riesenfrachter Ever Given steckt. Er hätte aus Asien kommend in Rotterdam anlegen sollen.
«Havarie grosse», so bekommen jetzt diese Kunden zu spüren, bedeutet nicht nur andauernden Ärger, sondern womöglich auch sehr hohe Kosten. Es sollen Tausende Betroffene sein, wie das «Wall Street Journal» berichtet.
Nachdem das Schiff, das im März den Suezkanal blockiert und den weltweiten maritimen Güterverkehr partiell lahmgelegt hatte, wieder freigekommen war, verlangte die Behörde des Suezkanals vom Schiffsbesitzer zuerst 916 Millionen Dollar Schadenersatz für die Bergungsarbeiten – mittlerweile wurde die Forderung auf 600 Millionen herabgesetzt. Darin weiter inbegriffen: der Gewinnausfall aufgrund des versperrten Kanals und der Imageschaden, der allein auf 300 Millionen Dollar veranschlagt wird.
Es gilt altes Seerecht
Der Besitzer, die japanische Firma Shoei Kisen Kaisha, wollte für allerhöchstens 115 Millionen Dollar aufkommen. Für die ägyptischen Behörden war das nicht akzeptabel. Also blockierten sie die Weiterfahrt.
Seither steckt der 400 Meter lange Koloss mit seinen 18’300 Containern in den Bitterseen, einer sehr breiten Stelle des Suezkanals. Letzte Woche hat ein ägyptisches Gericht die Beschwerde der Japaner gegen die Blockade vom Tisch gefegt.
Und deshalb haben die Japaner auf altes, aber immer noch gültiges Seerecht zurückgegriffen. Sie erklärten den Vorfall im Kanal zur «Havarie grosse». Die Kosten der Bergungsmassnahmen müssen zwischen dem Schiff und der Ladung verteilt werden. Was das bedeutet, erklärt der deutsche Versicherungsmakler VSMA seinen Kunden so: «Damit die Reederei sicher sein kann, den auf die Ladung entfallenden Anteil zu erhalten, gibt sie die Güter nur dann heraus, wenn sie eine entsprechende Garantie für die Kostenübernahme bekommt.» Bei der Reederei handelt es sich um die taiwanische Firma Evergreen.
Derzeit ist die britische Anwaltskanzlei Richards Hogg Lindley im Auftrag des japanischen Besitzers damit beschäftigt, von den zahllosen Besitzern der Schiffscontainer-Ladungen ebendiese Garantien einzutreiben.
Reederei gibt Namen der Kunden nicht preis
Spediteure wie Kühne + Nagel sind davon nicht betroffen, weil sie nicht Eigentümer der Fracht sind. Der Speditionskonzern mit Sitz in der Schweiz hat laut Angaben eines Sprechers «wenige Hundert Container» auf der Ever Given, die von Kunden gebucht worden seien.
Und wer sind nun die Tausende von Kunden, die zur Kasse gebeten werden? Die Reederei Evergreen hat bis heute keine Namen bekannt gegeben. Auch Spediteure wie Kühne + Nagel hüllen sich in Schweigen. Bekannt ist bis jetzt nur der US-Möbelhersteller La-Z-Boy, der an einer Investorenkonferenz mitteilte, dass er fünf Container auf dem Schiff habe.
Die deutsche Discountkette Aldi listete Ende März auf Facebook Güter auf, die bis auf weiteres in den Läden fehlen würden, darunter Bodenmatten, Velos und Veloausrüstungen. Allerdings liess Aldi offen, ob die Ware auf der Ever Given steckte oder in einem der vielen Schiffe, die von der Blockade betroffen waren.
«Pro Container ist das in der Regel ein Frachtwert in einem mittleren fünfstelligen Betrag, was für manchen Händler existenzbedrohend sein kann.»
Grössere Firmen haben sich gegen Havarien versichert, nicht jedoch kleinere Händler, wie ein Vertreter des deutschen Logistikdienstleisters Megalog kürzlich im «Handelsblatt» erklärte. Kleinere Händler würden bis zum vollen Wert der Ware haften, die sie auf dem Schiff haben. «Pro Container ist das in der Regel ein Frachtwert in einem mittleren fünfstelligen Betrag, was für manchen Händler existenzbedrohend sein kann», warnte der Experte.
Damit nicht genug: «Dieses ganze Verfahren kann sich über drei bis vier Jahre hinziehen», meinte der Chef des Verbandes der auf Seefracht spezialisierten amerikanischen Versicherungsunternehmen im «Wall Street Journal». Grund: Im einen Container wird Schrott transportiert, im anderen stapeln sich teure elektronische Geräte. All dies müssten die Schadensexperten nun zuerst genau abklären.
Fehler gefunden?Jetzt melden.