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Josep Borrell in der Kritik
Europas Chefdiplomat verliert sich im Dschungel der Metaphern

Nicht immer auf der Höhe der Anforderungen an sein anspruchsvolles Amt: EU-Aussenbeauftragter Josep Borrell.
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Wenn es Josep Borrell darum gehen sollte, auf sich aufmerksam zu machen, dann hat Europas Chefdiplomat sein Ziel erreicht. Allerdings ist das Echo auf den jüngsten rhetorischen Aufschlag des Spaniers einhellig negativ. Bei einer Rede vor der europäischen Kaderschmiede in Brügge hat der 75-Jährige Europa als gepflegten Garten beschrieben und den Rest der Welt als Dschungel. Im Sprachbild von Borrell droht der wilde Dschungel den gepflegten Garten der Europäer zu überwuchern. Die Kraft des Dschungels sei überwältigend und keine Mauer hoch genug, um den Garten zu schützen.

Kolonialistische, rassistische Haltung

Die Empfehlung des Spaniers an die angehenden Diplomatinnen und Diplomaten: Die Gärtner müssten in den Dschungel hinausziehen, Europäerinnen und Europäer müssten sich in der Welt viel stärker engagieren. Metaphern sind bekanntlich Glücksache, und in diesem Fall hat Borrell eindeutig danebengegriffen. Die schärfsten Kritiker bescheinigen dem Spanier eine rassistische und kolonialistische Haltung. Schliesslich sind die Europäer vor gar nicht so langer Zeit schon einmal ausgezogen, um Menschen auf anderen Kontinenten zu «zivilisieren» und vor allem auszubeuten.

Es ist wahrscheinlich, dass der Sozialist aus Spanien es nicht so gemeint hat. Was der Chefdiplomat ja eigentlich sagen wollte: Die Europäer haben in ihrem Garten der Freiheit, der Prosperität und der sozialen Sicherheit lange sorglos in den Tag gelebt. Sie haben ignoriert, dass ihr Wohlstand von Russland und China abhängig ist, während sie gleichzeitig ihre Sicherheit an die USA delegiert haben. Jetzt, da der Autokrat in Moskau den ukrainischen Nachbarn überfallen hat und sein grosser Bruder in Peking immer bedrohlichere Töne von sich gibt, wäre es höchste Zeit für die Europäer, in ihrem Garten aufzuwachen. 

Borrells Vernichtungsdrohung gegen Russlands Armee war nicht nur dumm, sondern auch lächerlich.

Borrell hätte es dabei belassen können, diese bedrohliche Realität und Rivalität zu beschreiben. Der Chefdiplomat der EU vergreift sich allerdings nicht zum ersten Mal im Ton. Er schiesst rhetorisch gern mal über das Ziel hinaus oder einfach weit daneben. So etwa beim jährlichen Botschaftertreffen letzte Woche, wo er seine Diplomaten öffentlich als Schlafmützen desavouierte. Schlimmer noch, als er den russischen Streitkräften mit Vernichtung drohte, sollte Wladimir Putin die Ukraine mit nuklearen Waffen angreifen.

Allerdings hat Borrell selber keinen einzigen Soldaten unter seinem Kommando, geschweige denn eine Armee. Die Drohung war also nicht nur dumm, sondern auch lächerlich. Kein Wunder, zeigt man sich in Brüssel am Hauptquartier von EU und Nato peinlich berührt.

Ohnmachtsgefühl des Chefdiplomaten

Vielleicht ist es dieses Ohnmachtsgefühl, das den früheren spanischen Aussenminister und EU-Parlamentspräsidenten zuletzt immer öfter rhetorisch um sich schlagen lässt. Tatsächlich hat es Borrell ähnlich wie seine Vorgängerinnen schwer, sich in Brüssel gegen die Mitgliedsstaaten und deren Aussenminister zu behaupten. Die Mitgliedsstaaten beschwören zwar gern die europäische Aussenpolitik, um Europas Gewicht auf der globalen Bühne zu stärken.

Im Ernstfall macht aber jeder, was er will. Und Borrell bleibt die undankbare Aufgabe, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen oder den Dissens notdürftig mit Floskeln zu übertünchen. Da kann einem als Chefdiplomat schon einmal der Kragen platzen.