Explodierende Corona-Zahlen in Europa«Europameister» sperrt zu, Merkel reicht 2-G nicht, Slowakei reagiert
Österreich ist wieder im Lockdown, aber in anderen Ländern Europas sind die Fallzahlen dramatischer. Was für Massnahmen werden nun geprüft? Ein Überblick.
Europaweit geht die Zahl der Corona-Ansteckungen steil nach oben, Impfdurchbrüche häufen sich. Einmal mehr rennen die Regierungen der Entwicklung der Pandemie hinterher. Nun ist in vielen Ländern Aktionismus ausgebrochen. Bleibt nur der Shutdown? Braucht es gar eine Impfpflicht? Oder soll man der Pandemie ihren Lauf lassen? Was in Europas Corona-Hotspots geplant ist.
Österreich: Lockdown für den «Impfeuropameister»
Jetzt soll also ein vierter Lockdown die massive Corona-Welle in Österreich brechen. Seit Montag sind nur noch Geschäfte des täglichen Bedarfs geöffnet, Museen und Kinos haben geschlossen. Die Menschen dürfen ihr Zuhause nur aus triftigen Gründen verlassen. Dazu zählen ein Spaziergang oder ein Jogginglauf – auch Skifahren ist für Geimpfte und Genesene möglich. Die Schulen sind geöffnet, Eltern müssen ihre Kinder aber nicht zum Unterricht schicken. Die Polizei will die Vorschriften mit Kontrollen überwachen.
Gegen den neuen Lockdown, der 20 Tage gelten soll, und die ebenfalls von der Regierung beschlossene Impfpflicht hatten am Samstag in Wien Zehntausende Menschen protestiert. Laut einer Umfrage von Unique Research geniessen die verschärften Regeln aber Rückhalt in der Bevölkerung: Nur 19 Prozent fanden die zuvor bestehenden Massnahmen ausreichend oder wollten sie gar abschaffen. Ein Drittel der Befragten sprach sich für den Lockdown aus, 41 Prozent für die Impfpflicht.
In Österreich wurden bei einer Bevölkerung von 8,9 Millionen Menschen letzte Woche täglich mehr als 15’000 Neuinfektionen gezählt, die Impfrate liegt mit 66 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hatte am Sonntagabend gleichwohl gesagt, Österreich sei «Impfeuropameister». Er hatte die von verschiedenen Politikern kritisierte Aussage darauf bezogen, dass die Zahl der Impfungen in Österreich wieder deutlich angestiegen ist und weltweit momentan nur Brasilien relativ gesehen mehr Menschen impft.
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Allerdings nimmt auch die Zahl der Hospitalisierungen in Österreich laufend zu, 2561 Covid-Patienten werden im Spital betreut, 572 Covid-Patienten befinden sich auf einer Intensivstation (in der Schweiz sind es 162), und belegen dort 27 Prozent aller Betten. Laut dem Dashboard der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit hat sich die Lage im Vergleich zur Vorwoche zumindest in einem Punkt leicht entspannt: Alle Bundesländer haben wieder mindestens 19 Prozent freie Spitalbetten.
Deutschland: Impfen hilft jetzt laut Merkel nicht mehr
Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel betätigte sich am Montag noch einmal als eindringliche Warnerin: «Wir haben eine hochdramatische Situation. Was jetzt gilt, ist nicht ausreichend.» Merkel sprach von einer Verdoppelung der Fallzahlen alle zwölf Tage. Impfen sei wichtig und richtig, sagte Merkel. Aber Impfen helfe jetzt nicht, die Entwicklung zu stoppen. Zurzeit sind in Deutschland 68 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. 7 Prozent haben bereits den Booster erhalten.
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Angesichts der Infektionszahlen kann sich die Mehrheit der Deutschen vorstellen, dass nur noch Geimpfte oder Genesene Zutritt zu Geschäften bekommen. 62 Prozent würden eine derartige 2-G-Regel befürworten, wie eine am Montag veröffentlichte Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Merkel findet, die 2-G-Regel reiche nicht mehr aus.
Härtere Massnahmen wollen neben ihr auch andere Politiker. Man müsse anfangen, über eine Impfpflicht nachzudenken, forderte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bei «Bild TV». Anders sei die Impfquote nicht zu erreichen, die nötig wäre, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. CSU-Chef Markus Söder sagte, eine Mehrheit seiner Partei sei für die Impfpflicht. In der wohl künftig regierenden Ampel-Koalition sieht es offenbar anders aus. Aussenminister Heiko Maas schloss eine Impfpflicht aus. «Die wirds nicht geben», sagte der SPD-Politiker. «Weil wir es nicht für notwendig halten, weil wir es auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für schwierig halten.»
Derweil muss sich Sachsen nach Angaben der Landesärztekammer auf eine Triage vorbereiten. Das ostdeutsche Bundesland hat die mit Abstand höchste Inzidenz in Deutschland. Dahinter folgen Thüringen und Bayern. Im Freistaat gilt in Kreisen mit einer Corona-Inzidenz von über 1000 Neuinfektionen pro 100’000 Einwohnern binnen sieben Tagen ein Lockdown. In Sachsen wird ab einer 7-Tages-Inzidenz von 1000 für Ungeimpfte eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens verhängt. Ausgangssperren für Ungeimpfte gibt es auch in besonders von der Pandemie betroffenen Kreisen in Baden-Württemberg.
Niederlande: Randalierer kapern Proteste
In den Niederlanden gilt wegen steigender Corona-Infektionszahlen seit einer Woche wieder ein Teil-Lockdown. Die Bürger dürfen sich zu Hause nur mit maximal vier weiteren Menschen treffen, Arbeitnehmer sollen möglichst im Homeoffice arbeiten. Geschäfte müssen früher schliessen. Ausserdem ist eine 2-G-Regelung für manche Orte in Planung.
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Gegen diese Massnahmen gingen zahlreiche Menschen seit Freitag auf die Strassen. Wie anderswo fürchten vor allem Ungeimpfte, stärker ausgeschlossen zu werden. Doch wie bereits bei den letzten Ausschreitungen im Januar wurde ihr Protest gekapert von Jugendlichen und Fussball-Hooligans. Die Folge: eine «Orgie der Gewalt», wie Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb die Krawalle nannte.
Am Freitagabend hatte die Polizei in Rotterdam das Feuer eröffnet, vier Menschen wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft durch die Polizeikugeln verletzt. Die Zeitung «De Telegraaf» nannte die Randalierer am Montag «Strassengesindel, das einzig und allein darauf aus ist, die Gesellschaft zu zersetzen, Geschäfte von hart arbeitenden Mittelständlern zu zerstören und Nothelfer mit lebensgefährlichen Feuerwerkskörpern anzugreifen». Regierungschef Mark Rutte sprach von einer «Gewaltexplosion unter dem Deckmantel von Demonstrationen».
In den Niederlanden sind über 72 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Das Land verzeichnet bei einer Bevölkerung von 17,5 Millionen seit einer Woche täglich über 20’000 Neuinfektionen. Auch die Zahl der Hospitalisierungen nimmt stetig zu.
Tschechien: Bayern als falsches Vorbild?
Seit diesem Montag gilt in Tschechien in Restaurants und Hotels die 2-G-Regel. Dies nachdem das Land letzte Woche Rekordwerte vermeldet hat. Allein am Samstag kamen innerhalb von 24 Stunden 22’936 neue Fälle hinzu bei einer Bevölkerung von 10,7 Millionen Menschen. Das ist die höchste Zahl seit dem Beginn der Pandemie.
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Im Gegensatz zum Nachbarland Österreich will Tschechien auf einen landesweiten Lockdown vorerst verzichten. Dies hatte der Ministerpräsident Andrej Babis am Freitag bekräftigt. Auch sein designierter Nachfolger, der liberalkonservative Wahlsieger Petr Fiala, sprach sich gegen flächendeckende Schliessungen aus. Das Kabinett hat dafür eine Ausweitung der landesweiten Massentests beschlossen. Alle Schülerinnen und Schüler mit Ausnahme der Geimpften müssen künftig wöchentlich einen Antigentest absolvieren. Auch in den Firmen müssen Ungeimpfte wöchentlich getestet werden.
Diese stellen in Tschechien einen relativ grossen Teil der Bevölkerung. Nur 6,2 Millionen – rund 58 Prozent – sind vollständig geimpft. Der scheidende Regierungschef Babis wandte sich deshalb mit einer emotionalen Botschaft an die Menschen: «Begreift doch endlich, dass es die Impfung gibt, um zu verhindern, dass die Krankenhäuser überlastet werden und Menschen sterben.»
Die liberale Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» glaubt allerdings auch mit 2-G nicht an eine Kehrtwende. Der Regierung wirft sie laut dpa vor, völlig unvorbereitet zu sein. «Nun hat sie ihre Vorliebe für das bayerische Modell der 2-G-Regel entdeckt. Damit übernimmt sie ausgerechnet das Rezept eines deutschen Bundeslandes, das uns vor allem darin ähnelt, dass es ebenfalls mit einer schweren vierten Corona-Welle kämpfen muss.» Die konservative Zeitung «Lidove noviny» forderte am Montag angesichts hoher Infektionszahlen eine weitere Verschärfung: «Je später wir zu radikalen Restriktionen greifen, desto schlechter wird die Bilanz am Ende ausfallen.»
Slowakei: Rekordwerte, Rückzieher und Lockdown
Schlecht sieht es auch in der Slowakei aus. Kein Land vermeldet derzeit in Europa laut Ourworldindata.org relativ gesehen mehr Neuinfektionen. Am Samstag lag die Zahl das erste Mal seit Beginn der Pandemie bei mehr als 9000 – und das bei 5,5 Millionen Einwohner. 71 Prozent der Neuinfizierten waren nicht geimpft. Knapp 3000 Menschen werden wegen einer Corona-Infektion im Spital behandelt.
Und doch hat sich das Land mit einer Impfquote von 43 Prozent lange schwer getan mit einer Verschärfung der Massnahmen. Am Freitag gaben die Gesundheitsbehörden in Bratislava bekannt, dass die 3-G-Pflicht am Arbeitsplatz auf unbestimmte Zeit verschoben werde. Der Rückzieher erfolgte, weil die Regierung nicht geklärt habe, wer die Kosten der wöchentlichen Corona-Tests und Kontrollen zu tragen habe.
Am Montag dann gab die Slowakei einen Lockdown für Ungeimpfte bekannt. Wie das Gesundheitsministerium mitteilte, dürfen Menschen, die nicht gegen das Coronavirus geimpft sind, beispielsweise nur noch Geschäfte des täglichen Bedarfs wie Lebensmittelgeschäfte und Apotheken aufsuchen – selbst wenn sie einen negativen Corona-Test vorweisen können. «Wir haben einen Lockdown für Ungeimpfte beschlossen, weil wir sie schützen müssen», sagte Ministerpräsident Eduard Heger im Sender RTVS. Heger will der Regierung in Bratislava auch eine Impfpflicht für Senioren vorschlagen.
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Auch Slowenien steht bei den Corona-Zahlen nicht viel besser da: Premier Janez Jansa erwägt zwar ebenfalls einen «Lockdown für Ungeimpfte» – das wären zurzeit 45 Prozent der Bevölkerung –, wartet aber noch auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Jüngst hatte das Land wieder Kontaktbeschränkungen beschossen, Privatfeste verboten und die Öffnungszeiten in der Gastronomie eingeschränkt. Zudem wurde in den Schulen eine Testpflicht eingeführt, gegen die Eltern Sturm laufen. Premier Jansa beklagt sich, er werde im Kampf gegen die Pandemie durch Gerichte behindert, die frühere Lockdown-Massnahmen als rechtswidrig aufgehoben hätten.
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