Entscheid der Schengen-StaatenEuropa kehrt zurück zur Reisefreiheit
Am 15. Juni fallen im Schengen-Raum fast alle Grenzkontrollen, die während der Corona-Krise eingeführt wurden. Die Schweiz macht mit und öffnet früher als ursprünglich geplant auch Richtung Italien.
Grenzen schliessen ist einfacher, als sie wieder zu öffnen. Aber das Chaos, als zu Beginn der Corona-Krise EU- beziehungsweise Schengen-Staaten ohne Absprachen Kontrollen an den Binnengrenzen über Nacht wieder einführten, will man jetzt beim Ausstieg vermeiden. Fast alle Schengen-Staaten, darunter auch die Schweiz, wollen am 15. Juni koordiniert die Einreisebeschränkungen aufheben.
Die Gefahr eines Flickenteppichs im Schengener Raum scheint also gebannt. Anlässlich einer Videokonferenz der Innenminister der Schengen-Staaten hätten zahlreiche Innenminister den Wunsch geäussert, zur Normalität zurückzukehren, schrieb der Bundesrat am Freitag in einer Mitteilung. Die Linie des Bundesrats entspreche derjenigen vieler europäischer Länder. Für die Schweiz nahm Staatssekretär Mario Gattiker an der Konferenz teil.
Rückkehr zur Normalität
Neu ist, dass die Schweiz am 15. Juni jetzt auch Richtung Italien und zu allen anderen EU-Staaten sowie mit Grossbritannien die Reisefreiheit wiederherstellt. In einem ersten Schritt hatten sich die Schweiz, Deutschland, Frankreich und Österreich bereits darauf geeinigt, die Grenzen untereinander zu öffnen. Die Schweiz begründet die Rückkehr zur Normalität innerhalb Schengens mit der positiven Entwicklung der epidemiologischen Lage.
Im Schengen-Raum, dem neben 22 EU-Staaten auch Norwegen, die Schweiz, Island und Liechtenstein angehören, sind stationäre Kontrollen an den Binnengrenzen im Prinzip untersagt. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie haben fast alle Mitgliedsstaaten meist unabgesprochen Kontrollen eingeführt und nicht zwingend notwendige Einreisen untersagt. Sommerferien am Mittelmeer oder an der Ostsee schienen bis vor kurzem unrealistisch. Nun erfolgt die Rückkehr zu einer gewissen Normalität schneller als erwartet rechtzeitig vor Beginn der Reisesaison.
Spanien und Portugal als Sonderfälle
Vorbehalte äusserten bei der Videokonferenz die Innenminister von Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Die osteuropäischen EU-Staaten zögern noch mit dem Entscheid, auch wegen der Sorge, neue Corona-Fälle aus Nachbarländern zu importieren. Rumänien und Bulgarien sind allerdings ohnehin noch nicht Mitglieder des Schengener Raums. Ein Sonderfall sind Spanien und Portugal. So hatte die Regierung in Madrid eine Grenzöffnung einseitig verkündet, ohne Lissabon zu informieren, und musste darauf einen Rückzieher machen. Einige Länder seien noch nicht bereit und wollten die weitere Entwicklung der Pandemie abwarten, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.
Die Schwedin zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass rechtzeitig zur Feriensaison zumindest innerhalb Europas wieder freie Fahrt gilt: «Ich glaube, dass spätestens Ende Juni die Reisefreiheit innerhalb des Schengen-Raums voll wiederhergestellt sein wird.» Sowohl die gesundheitliche als auch die politische Situation erlaube dies. Letztlich liege der Entscheid aber in der Kompetenz jedes einzelnen Mitgliedsstaats.
Einreisen aus Drittstaaten ab Juli?
Noch etwas länger wird es dauern, bis auch Reisen aus Drittstaaten in den Schengen-Raum wieder möglich sein werden. Viele Länder seien für eine Verlängerung der Einreisesperre bis Ende Juni, sagte Ylva Johansson. Die EU-Kommissarin will nächste Woche einen entsprechenden Vorschlag machen. Anfang Juli könnten die Einschränkungen schrittweise aufgehoben werden. Allerdings gibt es unter den EU-Staaten noch Uneinigkeit, welche Kriterien für die Lockerungen vereinbart werden sollen. Die EU-Kommission will dazu Empfehlungen vorlegen.
Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez und sein italienischer Amtskollege Giuseppe Conte drängten in einem Brief an EU-Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen auf Vorsicht. Eine Öffnung der Aussengrenzen dürfe nur koordiniert erfolgen. Die EU-Staaten müssten sich vorher auf einen gemeinsamen Grenzwert der Infektionsrate festlegen, ab dem Reisen aus Drittstaaten möglich sein könnten.
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer sprach von einer «differenzierten Lösung», je nach Coronavirus-Lage im Herkunftsland der Reisenden. Er nannte Länder wie die USA, Brasilien oder Russland, in denen die Lage noch deutlich angespannter ist als in Europa.
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