Schwedens Sonderweg führt zu SpannungenDie Schweden müssen draussen bleiben
Viele Länder wollen ihre Grenzen nicht für Schweden öffnen. Das Land hat eine der höchsten Covid-19-Sterberaten in Europa.
Schwedens Grenzen waren immer offen. Als Mitte März viele Länder in Europa beschlossen, ihre Grenzen zu schliessen, da blieb Schweden die Ausnahme. Jetzt aber, da die anderen Länder vor dem Sommer vorsichtig darangehen, ihre Grenzen wieder zu öffnen, sieht es so aus, als müssten ausgerechnet die Schweden zu Hause bleiben. Einige Länder wollen offenbar die Bürger aus dem Land mit seinen relativ hohen Infektions- und Sterberaten lieber nicht einreisen lassen. Schwedens Aussenministerin Ann Linde beklagt eine sich abzeichnende «Diskriminierung».
Der Klage der Ministerin vorangegangen war die Entscheidung Zyperns, die Insel von Juni an wieder für Direktflüge und Touristen aus 19 Ländern zu öffnen, darunter auch für Schweizer und Deutsche, aber auch für Dänen, Norweger und Finnen. Als einzige Skandinavier nicht auf der Liste: die Schweden. In Finnland lehnte zuletzt Innenministerin Maria Ohisalo die Idee einer nordischen Reiseregion mit offenen Grenzen unter Verweis auf die «alarmierende Situation» in Schweden ab. In Norwegen erklärte der Vertreter der nationalen Gesundheitsbehörde, offene Grenzen zu Finnland und Dänemark seien in Ordnung, aber nicht zu Schweden. Und in Dänemark meinte Jakob Ellemann-Jensen, Chef der oppositionellen Liberalen, die Deutschen dürften gern kommen, die Schweden aber sollten «bleiben, wo sie sind».
«Wir haben den Weg gewählt»
Schweden setzt im Kampf gegen die Pandemie mehr auf Appelle und Eigenverantwortung der Bürger denn auf Restriktionen. Gemessen an der Einwohnerzahl, ist die Sterberate in Schweden im Moment viermal so hoch wie in Dänemark und zehnmal so hoch wie in Norwegen. Die Stockholmer Zeitung «Dagens Nyheter» (DN) schrieb deshalb in einem Kommentar, die Reaktionen der anderen Länder täten zwar «sehr weh», andererseits ziele die Klage über die angebliche Diskriminierung ins Leere: Zypern sperre die Schweden eben nicht aus, weil sie Schweden sind, sondern weil sie aus einem Land kommen mit sehr hohen Infektionszahlen, und behandelt sie dabei gleich wie auch die Bürger anderer solcher Länder. «Wir haben den Weg gewählt», schreibt DN. «Jetzt müssen wir dafür auch geradestehen.»
Für Debatten sorgen die Grenzen vor allem im Verhältnis zum Nachbarn Dänemark. In Schweden und in Dänemark sei es seit je «Nationalsport, entsetzt zu sein von der Dummheit des Nachbarlandes», heisst es in einem offenen Brief dreier schwedischer Parlamentarier in der dänischen Zeitung «Politiken». Als freundliche Neckerei sei das in Ordnung, aber in Zeiten von Pandemie und aufziehender Rezession könne das Populismus und «Hass» den Weg bereiten. Auf Unverständnis trifft die dänische Politik vor allem in der südschwedischen Region Skane, wo den Menschen die dänische Hauptstadt Kopenhagen näher ist als Stockholm. Nur eine Brücke trennt die Öresundregion dies- und jenseits der Grenze. In Skane aber sind die Infektionszahlen weit niedriger als in Stockholm – und als in Kopenhagen. Noch immer aber können nur die Dänen frei über die Brücke nach Schweden reisen, die Schweden können das umgekehrt nicht.
«Ausdruck der Liebe»
An diesem langen Wochenende taten das sogar so viele Dänen, dass der Rückreiseverkehr am Sonntag einen sechs Kilometer langen Stau verursachte: Viele von ihnen waren in ihre Sommerhäuser in Schweden gefahren, in Malmö shoppen oder in die Kneipe gegangen. Der schwedische Abgeordnete Niels Paarup-Petersen, selbst dänischer Abstammung, sprach daraufhin von «dänischer Heuchelei». Schwedens Botschafter in Kopenhagen, Fredrik Jörgensen, bevorzugte eine freundlichere Sichtweise: Der Dänen-Stau auf der Brücke sei doch auch «Ausdruck der grossen Liebe zu Schweden».
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