Parlamentswahlen im HerbstEuropa fürchtet Italiens harte Rechte
Alle Umfragen sagen einen Sieg der harten, nationalpopulistischen Rechten voraus. Silvio Berlusconi funktionierte noch nie sonderlich gut als Mässiger – nun ist er aber nur noch Juniorpartner.
Italiens Rechte, so hat es den Anschein, wähnt sich bereits als Wahlsiegerin. Gedopt von den Umfragen, bestärkt auch vom üblichen Chaos im linken Lager. So schnell geht das: Mario Draghis Sturz ist erst ein paar Tage her, doch Italiens Politik fühlt sich so an, als wären Lichtjahre vergangen. Der Wahlkampf läuft schon, es bleibt ja auch nicht viel Zeit. Am 25. September wählen die Italiener ein neues Parlament – ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Ende der Legislaturperiode. Und wenn die Welt mit einiger Sorge nach Rom schaut, dann gibt es dafür einige gute Gründe.
Bewahrheitet sich nämlich die Prognose der Demoskopen, bekommt Italien eine rechte Regierungsmehrheit, wie es sie im westlichen Europa seit dem Zweiten Weltkrieg noch nicht gegeben hat: sehr, sehr rechts, mit starkem nationalpopulistischen Antrieb.
In Italien nennt sich das Lager aus Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia «Centrodestra»: von «Zentrum» und «rechts», Mitte-rechts also. Das mag es vielleicht einmal gewesen sein, damals, als Silvio Berlusconi 1994 die Lega Nord und die Faschisten aus der politischen Isolation holte, um es mit ihrer Hilfe an die Macht zu schaffen. Solange Berlusconi der Chef des Bündnisses war, der «Padrone» mit doppelt oder dreimal so vielen Wählern wie die anderen Parteien, da liess sich der Begriff «Centrodestra» einigermassen rechtfertigen, obschon der Cavaliere ja auch nicht gerade ein herkömmlicher konservativer Politiker war.
Berlusconi ist nur noch Beilage
Nun aber hat sich die Hackordnung umgekehrt. Das «Centro» ist zur Beilage geschrumpft, der alte Chef ist faktisch nur noch Juniorpartner, während die harte «Destra» die Allianz anführt. Forza Italia steht in den Umfragen bei 10 Prozent, die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini bei 14 Prozent und die postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni bei 23 Prozent.
Der Deutsche Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei, wird nicht müde, Berlusconi und seinen Freund Antonio Tajani, Nummer zwei von Forza Italia und früherer Präsident des Europaparlaments, als Garanten für eine gemässigte, liberale und europafreundliche Regierung in Rom zu beschwören. Aber man darf sich schon fragen, wie sich diese Überzeugung mit den neuen Kräfteverhältnissen in der italienischen Rechten verträgt.
Meloni und der Faschismus
Tatsächlich ist die Frage nach dem nächsten Premier Italiens eine zentrale. Forza Italia und Lega wollen offenbar verhindern, dass Meloni nach dem Amt greift: zu unerfahren, zu aufgeregt, ideologisch zu belastet. Was wäre wohl im Ausland los, wenn eine politische Erbin des Faschismus Italien regieren würde? Meloni behauptet, sie werde zu Unrecht auf die Geschichte des Faschismus reduziert. Aber so richtig distanzieren mochte sie sich noch nie.
Meloni will sich nicht um die Früchte ihres Aufstiegs bringen lassen. Sie sei bereit zu regieren, sagte sie jetzt der Zeitung «La Stampa». «Wer die Wahlen gewinnt, zieht in den Palazzo Chigi ein.» So heisst der Sitz des italienischen Ministerpräsidenten in Rom. Aber natürlich weiss sie um den Blick von aussen. Und so bestärkte Meloni bei der Gelegenheit, mit ihr an der Macht werde sich die aussenpolitische Linie Italiens nicht ändern, die bleibe gleich wie unter Draghi – in der transatlantischen und europäischen Tradition auch im Bezug auf die Ukraine, die Waffenlieferungen an Kiew, die Sanktionen gegen Russlands Mächtige. Ob Lega und Forza Italia es auch so sehen, ist allerdings nicht so sicher.
Sie gibt sich moderat
Überhaupt versucht Meloni, sich möglichst moderat zu geben, seit sie in den Umfragen so hochgestiegen ist – regierungstauglich, verdaulich. Manches wirkt forciert. Die Europäische Union? Möchte sie von «innen heraus» verändern, wie Marine Le Pen, ihr Pendant in Frankreich – was das auch immer heissen mag. Ihre Ideen etwa zur Familie, zur Immigration und zum Islam sind fest verankert in der rechtsidentitären, erzkatholischen Gedankenwelt. Besonders wohl fühlt sie sich in Gesellschaft des ungarischen Premiers Viktor Orban und auf Veranstaltungen von Vox, der rechtsextremen Partei Spaniens. Den Wahlkampf geht sie sachte an, mit wenigen Versprechen, sie kann es sich leisten.
Salvini dagegen, ihr interner Rivale, ist schon aufgedreht. Bei einem Auftritt in Domodossola am Wochenende skizzierte er «die ersten hundert Tage der rechten Regierung»: Steueramnestie, Flat Tax, null Migranten in den Strassen, Sicherheit in den Städten – das seien die absoluten Dringlichkeiten. Er trug kurze Hosen, Turnschuhe, den Bart hat er sich abrasiert, ein eingelöster Wetteinsatz. Offenbar will er wieder Innenminister werden, mindestens. Denn eigentlich ist Salvini überzeugt, dass am Ende die Lega vor den Fratelli d’Italia liegen wird. «Wer eine Stimme mehr gewinnt, stellt den Premier», sagte er, und das werde nun mal die Lega sein.
Der elektrisierte 85-Jährige
Auch Berlusconi ist schon wieder auf allen Kanälen, auch er wie elektrisiert. Die Mindestrenten? Würde er verdoppeln, sagt er: auf tausend Euro, dreizehnmal im Jahr. Berlusconi hat schon immer unvernünftig viel versprochen, viele Italiener glaubten ihm. Er will in den Senat zurück, dahin, wo sie ihn vor einigen Jahren nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs rausgeworfen hatten – als Revanche. «La Repubblica» behauptet, Salvini habe ihm den Vorsitz des Senats versprochen, wenn er mithelfe, Draghi zu stürzen. Dann habe man Berlusconi das Telefon aus der Hand genommen, damit ihn niemand habe zur Räson bringen können. Er ist 85 Jahre alt. Als Garant für Mässigung war er noch nie eine sonderlich gelungene Besetzung. Und daran wird sich auch nichts mehr ändern.
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