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Europa drückt der Stiefel

Lega-Chef Matteo Salvini spricht anlässlich eines Treffens mit Präsident Mattarella zu den Medien. (14. Mai 2018)
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Die designierte Regierung in Italien löst bei vielen EU-Politikern und Ökonomen die Sorge vor einer neuen Euro-Krise aus. Grund sind etwa die Pläne der 5-Sterne-Bewegung und der rechtsextremen Lega zu Steuersenkungen und höheren Staatsausgaben.

«Es besteht echte Gefahr, dass die neue italienische Regierung durch ihre unverantwortliche Wirtschaftspolitik den Weg bereiten könnte für die nächste Euro-Krise», sagt ein Vertreter der Euro-Zone.

Ein anderer Insider betont: «Alle sind besorgt, dass Italien unregierbar ist, und dass Populisten das Land in eine weitere tiefe Krise treiben werden.» Die Gretchenfrage ist, wie die Märkte reagieren und ob dies die Koalition zu einem moderateren Vorgehen bringen könnte.

Zweieinhalb Monate nach der Parlamentswahl haben sich die europakritischen Parteien 5 Sterne und Lega auf ein Regierungsprogramm verständigt. Sie wollen die Konjunktur des bereits hoch verschuldeten Italien auch mit «begrenzten» schuldenfinanzierten Ausgaben anschieben.

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Sergio Mattarella muss die neue Kabinettsliste für gut befinden, damit die Regierung zustande kommt. Er hatte sein Veto gegen Savona als Finanzminister eingelegt.
Der Senat hat der neuen Regierung um Ministerpräsident Giuseppe Conte sein Vertrauen ausgesprochen. (5. Juni 2018)
Italien hat einen neuen Regierungschef: Giuseppe Conte (r.) leistet bei Staatspräsident Sergio Mattarella in Rom seinen Amtseid. (1. Juni 2018)

Das Programm sieht ein Grundeinkommen von 780 Euro im Monat vor. Zudem müsse man mit den EU-Partnern die Haushaltspolitik der Gemeinschaft sowie den Euro-Stabilitätspakt überprüfen. Investitionsausgaben sollten nicht in die Defizitberechnungen einfliessen.

«Probleme würden verschlimmert»

Mit einer solchen Regierung würden die eigentlichen Probleme – wie geringes Wirtschaftswachstum, unflexible Arbeitsmärkte, Ineffizienz im Bankensystem und der Verwaltung – nicht angegangen und vielfach nur verschlimmert, warnt Chefstratege Jan von Gerich von der Nordea-Bank.

«Kurzum: Vertrauen gegenüber Italien dürfte unter einer 5-Sterne/Lega-Regierung auf eine schwierige Probe gestellt werden – auch wenn die beiden Parteien ihr Programm nicht vollständig umsetzen können.»

Der Finanzmarkt reagiert bereits: Der Ausverkauf bei italienischen Anleihen trieb die Rendite der zehnjährigen Titel in den vergangenen beiden Wochen zeitweise um etwa einen halben Prozentpunkt auf ein Siebeneinhalb-Monats-Hoch von 2,217 Prozent. Das ist die stärkste Rally seit eineinhalb Jahren. Zum Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise 2012 rentierten italienische Schuldtitel allerdings deutlich höher bei etwa 7,5 Prozent.

EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis ermahnte die künftige Regierung, Haushaltsdisziplin zu wahren und weiter Schulden abzubauen. Die hohe Staatsverschuldung berge grosses Risiko und bremse die Wirtschaft. «Das ist unsere Botschaft an die neue Regierung. Es ist wichtig, auf Kurs zu bleiben.»

Lega-Chef Matteo Salvini hat jüngst zur Kritik der Finanzmärkte und Medien am Regierungspakt gesagt: «Je mehr sie uns beleidigen, je mehr sie uns drohen, je mehr sie uns erpressen, desto grösser ist mein Verlangen, diese Herausforderung anzugehen.»

Nicht allzu verwundbar

Allerdings blicken nicht alle Fachleute so düster nach vorn. Die Koalitionäre hätten bereits an einigen Punkten eingelenkt, sagt ein weiterer Vertreter der Euro-Zone. Notfalls würde die Regierung auch durch die Finanzmärkte diszipliniert. «Die ganz verrückten Ideen haben sie rausgenommen», sagt ein Volkswirt zum Regierungsprogramm, in dem etwa keine Rede mehr ist von einem Ausstieg aus dem Euro oder einem Referendum darüber.

Der Chefökonom der Berenberg Bank, Holger Schmieding, erwartet zwar «deutlichen Lärm» bis hin zu Konflikten zwischen Rom und Brüssel. «Eine richtige Krise steht jetzt aber wahrscheinlich nicht bevor.»

Zudem sei Italien in der vergleichsweise komfortablen Situation, dass seine Staatsanleihen im Schnitt noch über sieben Jahre liefen und sich die Zinskosten seit der Schuldenkrise verringert hätten. Italien sei nicht allzu verwundbar, wenn die Renditen leicht steigen sollten.

«Während eines Aufschwungs könnte das Land mit einigem finanzpolitischen Unfug wahrscheinlich noch für eine Weile davonkommen», sagt Schmieding. Dies könnte sich aber in einer Rezession ändern. «Ein zu wenig reformiertes Italien könnte dann ein Kandidat für eine Schuldenkrise sein – vielleicht 2022.»

SDA/oli