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Meinung

Kommentar zum EU-Gipfel
Europas Versprechen an die Ukraine sind wenig wert

BERLIN, GERMANY - MARCH 15: German Chancellor Olaf Scholz greets French President Emmanuel Macron at the Chancellery prior to a meeting of the "Weimar Triangle" group on March 15, 2024 in Berlin, Germany. Scholz, Macron and Polish Prime Minister Donald Tusk are meeting today, with the ongoing Russian war in Ukraine high on the agenda. The "Weimar Triangle" is an effort originally launched by the three nations in 1991 with the aim of furthering European cohesion. (Photo by Michele Tantussi/Getty Images)
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In der Ukraine herrscht Krieg. Das mag nach zwei Jahren des Tötens und Sterbens wie eine banale Feststellung klingen. Aber es ist keine. Im Gegenteil: Die Antwort auf die Frage, wer in diesem Krieg gegen wen kämpft und aus welchen Gründen, prägt die Haltung der europäischen Regierungen gegenüber dem überfallenen Land entscheidend – und in der Folge die Form und das Ausmass der Unterstützung.

Grob gesagt, gibt es zwei Lager in Europa. Im ersten, in dem sich der grösste Teil der südlich und westlich gelegenen EU-Staaten versammelt hat, wird der Krieg als Auseinandersetzung zwischen Ukrainern und Russen um ein Stück Land gesehen. Niemand rechtfertigt das Blutbad, das Wladimir Putin anrichtet. Aber im Grossen und Ganzen fühlen sich Spanien, Portugal oder Italien in ihrer Existenz durch den Krieg nicht wirklich bedroht. Das kann man an der minimalen Hilfe ablesen, die sie Kiew zukommen lassen.

Im zweiten Lager, dem der nördliche und der östliche Teil der EU-Staaten angehören, wird die Lage grundlegend anders bewertet. Polen, Balten, Finnen, Tschechen sehen den Krieg als Angriff einer revisionistischen, imperialen Macht auf ganz Europa. In der Ukraine kämpfen nach dieser Deutung zwar ukrainische Soldaten, aber sie kämpfen stellvertretend für das EU-Europa und seine Prinzipien: Freiheit, Demokratie, Menschenwürde. Der Krieg ist nicht nur «deren Krieg», er betrifft nicht nur die Ukrainer. Der Krieg ist «unser Krieg» – Putin zielt auf uns alle, und er wird auch uns attackieren, wenn wir ihn nicht im Donbass aufhalten.

Dieses West-Ost-Gefälle ist nicht verwunderlich. Geografie ist ein mächtiger Einflussfaktor in der Sicherheitspolitik. Aber nach zwei Jahren sollte klar sein, dass so eine À-la-carte-Betrachtung des Kriegs sich nicht auf Dauer durchhalten lässt. Zumal das relative Desinteresse des westlichen Lagers an den Ängsten des östlichen die Gefahr erhöht, dass ebendiese Ängste Realität werden: Je unentschlossener Europa auf Putins Aggression antwortet, desto mehr fühlt der sich ermutigt.

Glaubhaft? Eher sprunghaft

Wie immer in solchen Fällen wäre es die Aufgabe Deutschlands und Frankreichs, die Führung zu übernehmen. Das aber funktioniert nicht. Zum einen, weil Frankreich – genauer: der französische Präsident – sich erst vor kurzem entschlossen hat, vom ersten ins zweite Lager zu wechseln. Der Mann, der einst mahnte, man dürfe Putin «nicht demütigen», redet jetzt über westliche Bodentruppen in der Ukraine. Glaubhaft? Eher sprunghaft.

Deutschland wiederum führt nicht, weil das erwähnte West-Ost-Gefälle auch das Berliner Binnenverhältnis kennzeichnet. Das Kanzleramt am Spreebogen scheint weniger in Aufregung über die dramatische militärische Lage in der Ukraine zu sein als das Auswärtige Amt am zwei Kilometer östlich gelegenen Werderschen Markt. Diese Gelassenheit, Pardon: Besonnenheit, wiederum wird im Osten und Norden Europas mit wachsendem Misstrauen gesehen. Die Frage, ob man sich auf Deutschland – genauer: den Bundeskanzler – im Notfall verlassen kann, ist wieder zu hören, erst recht, seit in dessen SPD laut über das «Einfrieren» des Kriegs geredet wird.

All das wird nicht verhindern, dass die 27 europäischen Staats- und Regierungschefs der Ukraine bei ihrem Gipfeltreffen an diesem Donnerstag wieder jede notwendige Hilfe versprechen werden. Aber man weiss, wenn man die Hintergründe kennt, was dieses Versprechen wert ist.