Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Lage in Belarus
EU bietet Unterstützung an – Russland warnt vor Einmischung

Wladimir Putin (l.) rückt bisher nicht von seinem autoritären Amtskollegen Alexander Lukaschenko ab. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Russland warnt die Europäische Union und die USA vor einer Einmischung in Belarus und vor Sanktionen gegen sein Nachbarland. Es dürfe während der Diskussionen über die gegenwärtige Lage in Belarus keinen Versuch geben, Druck auf die Führung in Minsk auszuüben – weder in politischer Hinsicht noch durch Sanktionen, erklärte das Aussenministerium in Moskau am Dienstag. Zuvor hatten der russische Aussenminister Sergej Lawrow und US-Vize-Aussenminister Stephen Biegun in Moskau über die Situation in Belarus beraten.

Die EU und die USA haben die Abstimmung am 9. August scharf kritisiert, nach der die Behörden einen Erdrutschsieg für Amtsinhaber Lukaschenko erklärt hatten. Die Opposition in Belarus spricht von Wahlbetrug. Die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an, da die Abstimmung weder fair noch frei gewesen sei, und droht mit Sanktionen.

In Belarus gibt es seit mehr als zwei Wochen Proteste und Streiks gegen den seit 26 Jahren regierenden autoritären Lukaschenko. Viele Staatsbedienstete haben sich abgewendet vom System. In Minsk versammelten sich Lehrer vor dem Bildungsministerium und pochten auf ihr Recht auf freie Meinungsäusserung. Zuvor hatte der 65-jährige Staatschef Lehrern mit dem Rauswurf aus dem Schuldienst gedroht, sollten sie gegen ihn sein. Der Machtapparat ging weiter gegen Andersdenkende vor.

Oppositionelle unter Arrest

Der Sicherheitsapparat aus Militär, Polizei und Geheimdienst KGB hält Lukaschenko bisher die Treue.

Zwei am Montag festgenommene prominente Oppositionelle, die dem von Lukaschenko für illegal erklärten Koordinierungsrat der Demokratiebewegung angehören, wurden zu je zehn Tagen Arrest verurteilt. Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski erhielten die Strafen am Dienstag wegen der Organisation von Protesten gegen Lukaschenko.

Der frühere Kulturminister Pawel Latuschko, der nach eigenen Angaben bedroht wird, wurde von Ermittlern vernommen, die ein Strafverfahren gegen den Rat führen. Im Anschluss sagte er, dass er eine Erklärung zum Schweigen unterschrieben habe. «Aber die Arbeit unserer Koordinierungsrates geht weiter», sagte er. Alle Vorschläge des Gremiums stünden im Einklang mit der Verfassung. Lukaschenko hingegen sieht durch den Rat die nationale Sicherheit gefährdet und wirft ihm versuchte Machtergreifung vor.

An diesem Mittwoch soll die gesundheitlich angeschlagene Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch vernommen werden. Sie wolle sich trotz der Gesundheitsprobleme den Fragen der Ermittler stellen, liess sie mitteilen.

Tichanowskaja: «Belarus ist aufgewacht»

Mit einer «friedlichen Revolution» kämpft Belarus der Opposition zufolge um ein Leben in Freiheit ohne den umstrittenen Staatschef Lukaschenko. Das sagte die 37-jährige Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja am Dienstag in ihrem Exil im EU-Land Litauen. Tichanowskaja gratulierte ihren Landsleuten per Video zum Tag der Unabhängigkeit und forderte sie auf, mit ihren friedlichen Demonstrationen für Freiheit und Neuwahlen nicht nachzulassen. «Das ist eine demokratische Revolution», sagte sie zudem in einer Videoschalte mit dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments.

Will ihren Landsleuten Mut zusprechen: Die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja.

Tichanowskaja zeigte sich betroffen wegen Drohungen gegen den von ihr initiierten Rat, der einen Machtübergang vorbereiten soll. Aber sie äusserte sich auch kämpferisch. «Belarus ist aufgewacht. Wir sind keine Opposition mehr. Wir sind die Mehrheit», sagte sie in der Schalte mit Brüssel. Sie dankte dem Europäischen Parlament für dessen Unterstützung – insbesondere für die Nichtanerkennung der Präsidentenwahl vom 9. August. Danach hatte sich Lukaschenko zum sechsten Mal in Folge als Sieger ausrufen lassen – mit 80 Prozent der Stimmen. Das offizielle Wahlergebnis sei gefälscht und werde von der Bevölkerung zurückgewiesen, sagte Tichanowskaja. Das Oberste Gericht der Ex-Sowjetrepublik lehnte am Dienstag in Minsk ihre Klage gegen die Präsidentenwahl ab.

Lukaschenko gegen Verhandlungen

Tichanowskaja betonte, dass die Proteste keinen geopolitischen Hintergrund hätten. «Das ist weder eine pro-russische noch eine anti-russische Revolution. Das ist weder eine anti-europäische noch eine pro-europäische Revolution», sagte sie. Es handele sich um eine friedliche Revolution in ihrem Land. Die Opposition sei bereit für Verhandlungen mit Regierungsvertretern. Lukaschenko lehnt dies kategorisch ab.

Denkt nicht daran, seinen Platz zu räumen: Alexander Lukaschenko.

Zugleich beklagte Tichanowskaja, dass noch immer Dutzende Menschen nach der anfänglichen Gewalt gegen friedliche Demonstranten vermisst würden. Bei den Protesten waren Hunderte Menschen verletzt worden – auf der Strasse, aber auch durch Polizeigewalt in den Gefängnissen. Sie sprach von insgesamt sechs Toten. Offiziell bestätigt sind vier. «Das alles passiert mitten in Europa», sagte sie. Gleichwohl hätten die Menschen trotz Gewalt und Einschüchterungsversuchen die Angst verloren.

Der Vorsitzende des EU-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, David McAllister, sicherte Tichanowskaja nach ihrem Redebeitrag weitere Unterstützung zu. «Wir wünschen Ihnen alle Kraft und Ausdauer für den Kampf für die Demokratie und die Achtung der Menschenrechte und Freiheiten in Ihrem Land», sagte der CDU-Politiker. «Seien Sie versichert, dass wir die Entwicklungen weiterhin genau verfolgen und die Unterstützung anbieten werden, die Ihre Nation in dieser herausfordernden Zeit benötigt.»

Die geplanten EU-Sanktionen gegen Belarus könnten in einem ersten Schritt etwa 15 bis 20 Personen treffen. Das sagte ein ranghoher EU-Beamter am Dienstag in Brüssel.

Lettland beschliesst eigene Sanktionen

Lettland hat unabhängig von der EU eigene Sanktionen gegen die autoritäre Führung im Nachbarland beschlossen. Die Regierung des EU-Mitgliedslandes in Riga brachte am Dienstag Einreiseverbote gegen etwa 30 Beamte auf den Weg, die für die Fälschung der umstrittenen Präsidentenwahl und Gewalt gegen friedliche Demonstranten verantwortlich gemacht werden.

Nach Angaben von Aussenminister Edgars Rinkevics richten sich die Sanktionen hauptsächlich gegen Mitarbeiter der Präsidialverwaltung, der Wahlkommission, des Innenministeriums und der Sicherheitsbehörden. Eine schwarze Liste mit Namen soll am Donnerstag veröffentlicht werden. Ob sich darauf auch der Name von Staatschef Alexander Lukaschenko befindet, liess Rinkevics offen.

sda/reuters