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Interview: Neuer Zwang für Zivis?
«Es ist völlig irrsinnig, den Zivildienst so anzugreifen»

Für Nicola Goepfert, Geschäftsführer des Zivildienstverbandes Civiva, ist das vorgesehene Zivilschutzobligatorium für Zivildienstler inakzeptabel. 
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Dem Zivilschutz laufen die Leute davon. Der Bundesrat will, dass der Zivildienst aushilft. Was haben Sie dagegen?

Der Zivilschutz beklagt Bestandesprobleme und beschreibt die Ursachen. Eine davon ist die letzte, massive Reduktion der Einteilungsdauer von 20 auf 14 Jahre mit der letzten Gesetzesrevision. Das entspricht schlechter Planung. Der Bund hätte die Möglichkeit, die Dienstdauer wieder zu erhöhen. Das will man aber offenbar nicht.

Und das ist falsch?

Das Problem ist, dass diese Möglichkeit des Personalaustauschs unter den regionalen Zivilschutzorganisationen nur zum Teil genutzt wird. Für uns ist jedenfalls klar: Solange der Zivilschutz nicht mal die eigenen Möglichkeiten nutzt, kommt es nicht infrage, Zivildienstleistende in den Zivilschutz zu befehlen. Es ist völlig irrsinnig, den Zivildienst auf diese Art anzugreifen, bevor alle verfügbaren Zivilschützer Dienst leisten, nur weil sie vielleicht an einem anderen Ort oder in einem anderen Kanton wohnen als dort, wo sie gebraucht und eingesetzt werden können.

Für alle, die es nicht wissen: Worin besteht der wichtigste Unterschied zwischen Zivilschützern und Zivildienstleistenden?

Zivildienstleistende arbeiten täglich im Sozial- und Umweltbereich, während sich Zivilschützer auf Notlagen und Katastrophen vorbereiten. Beides ist sehr wichtig, aber es sind halt unterschiedliche Formen von Einsätzen. Der zweite Unterschied ergibt sich bei der Tauglichkeit. Zivilschützende sind nicht militärdiensttauglich. Zivildienstleistende hingegen müssen militärdiensttauglich sein. Danach haben sie einen Gewissenskonflikt kundzutun, um in den Zivildienst gelangen zu können.

Warum sprechen Sie von einem Angriff auf den Zivildienst?

Der Bericht des Bundesrats konzentriert sich stark auf eine konkrete Massnahme. Und diese lautet, dass Zivildienstleistende verpflichtet werden können, unter Zwang Zivilschutz zu leisten. Das ist nicht akzeptabel. Hier wird versucht, verschiedene Dienstformen zu vermischen. Das empfinden wir als Angriff auf den Zivildienst. Wenn Zivildienstleistende dazu gezwungen werden, im Zivilschutz Einsätze zu leisten, dies aber aus Gewissensgründen 1,5-mal länger tun müssen, stellt das eine Rechtsungleichheit dar.

«Grundsätzlich sollen alle Dienstpflichtigen dort Dienst leisten, wo sie auch eingeteilt werden.»

Nicolas Goepfert, Präsident Zivildienstverband

Wenn Zivis freiwillig Zivilschutz leisten würden, wäre das kein Problem?

Grundsätzlich sollen alle dort Dienst leisten, wo sie auch eingeteilt wurden. Bereits heute arbeiten Zivildienst und Zivilschutz im Ernstfall zusammen. Diese Zusammenarbeit könnte intensiviert und ausgebaut werden.

Zum Zivildienst zu gehen, ist einfach, sogar nach der Rekrutenschule. Man muss lediglich ein Onlineformular ausfüllen – und ist raus aus der Armee.

Genau. Es gilt der Tatbeweis für den persönlichen Konflikt. Zivildienstleistende beweisen ihren persönlichen Konflikt gegenüber dem Militärdienst, indem sie anderthalbmal länger Dienst leisten als Armeeangehörige. Der Beweis erfolgt somit nicht mit einem Brief oder dem Bestehen einer Gewissensprüfung vor einer Kommission. Dies wurde durch den Tatbeweis abgelöst. Die Zulassungen zum Zivildienst nach der RS haben die letzten sieben Jahre übrigens um 34 Prozent abgenommen.

Weshalb?

Die Zahl ist deshalb stark rückläufig, weil die Armee ihren Job wohl besser macht. Ihr gelingt es offensichtlich immer besser, Armeeangehörige zu halten. Es ist überhaupt nicht so, dass immer mehr Soldaten abhauen zum Zivildienst.

Der Zivilschutz, das Helfen bei Erdbeben, Überschwemmungen und anderen Katastrophen, erfolgt unbewaffnet. Was hält Zivildienstleistende ab, dies zu tun?

Das machen Zivildienstleistende heute schon. Sie können in Notlagen für den Katastrophenschutz eingesetzt werden. 2017 beim Felssturz von Bristen im Kanton Uri war das der Fall, sie halfen vor Ort. Auch während Corona leisteten Zivildienstleistende über 31’000 Diensttage zur Bewältigung der Pandemie. Viele machten das gerne.

Haben Sie selbst Zivildienst geleistet?

Ja. Ich hatte einen sehr guten Einsatz an einem Mittagstisch bei der Kinderbetreuung. Das war anstrengend und eine gute Erfahrung. Einen weiteren Einsatz leistete ich bei der Schweizer Tafel, wo es galt, Essen einzusammeln und an Bedürftige zu verteilen. Ich lernte dabei zahlreiche soziale Einrichtungen kennen.

«Es gibt auch bei der Armee anspruchsvollere und weniger anspruchsvolle Aufgaben.»

Nicolas Goepfert, Präsident Zivildienstverband

Solche Jobs scheinen einfacher, als in der Armee morgens um vier Wache zu schieben oder bei vier Grad unter null Gefechtsschiessen zu trainieren. Sie können um 8 Uhr mit der Arbeit beginnen und abends wieder heim. Stimmt dieser oft gehörte Vorwurf?

Kaum. Es gibt auch bei der Armee anspruchsvollere und weniger anspruchsvolle oder anstrengendere Aufgaben. Oder sind Büro-Ordonnanzen in der Armee permanent psychisch und physisch am Anschlag? Ich glaube nicht. Dasselbe gilt für Einsätze im Zivilschutz oder eben auch beim Zivildienst. Nachteinsätze im Pflegebereich können sowohl physisch wie psychisch sehr belastend sein.

Wird die Grundidee des Zivildiensts nicht untergraben, wenn man erfährt, dass die Bundesverwaltung Zivildienstleistende anstellt, um dort im Bereich PR tätig zu sein?

Davon kann keine Rede sein. Die von ihnen genannten Einsätze machen 0,26 Promille aller Einsatztage aus. Letztes Jahr leisteten Zivildienstleistende 1,7 Millionen Diensttage im Sozial-, Gesundheits- und Umweltbereich. Die Pflege und die Betreuung von Personen sind Kernaufgaben des Zivildiensts zugunsten der Gesellschaft. Die Propaganda-Abteilung bei der Armee ist wohl um einiges grösser. Jene Zivis, die letztes Jahr so in der Bundesverwaltung arbeiteten, leisteten lediglich 450 Diensttage.