Kommentar zu Maurers ProvokationUeli der Zündler
Die Aktion des Finanzministers ist nicht nur ein Protest gegen den Bundesrat. Sie ist auch gefährlich, gerade im aufgeheizten Klima dieser Tage.
Ueli Maurer hat es wieder getan. Er hat gezündelt. Der Bundesrat streift sich am Wochenende an einem SVP-Anlass in Wald ZH ein Hirtenhemd über, darauf der Schriftzug der «Freiheitstrychler». Das sind die Treichelnschwinger aus der Innerschweiz, die mit ihren Kuhglocken gegen Corona-Massnahmen und Bundesratsentscheide protestieren, gern auch bei unbewilligten Demonstrationen, gern am Rand des Legalen.
Ueli Maurer ist Teil dieses Bundesrats und unterliegt darin häufig mit seinen Anliegen zu Corona. Es braucht darum nicht sonderlich viel Einfallsreichtum, um sein Kostüm als Kritik an der Landesregierung zu deuten. Da ritzt einer aus Selbstprofilierung das Kollegialitätsprinzip.
Maurers Geste kann im gegenwärtigen Klima der Empörung leicht missverstanden werden.
Doch das Überstreifen des Hirtenhemds ist nicht nur egoistisch – es ist auch verantwortungslos. In diesen Tagen schlägt der Puls vieler Menschen besorgniserregend hoch. Die ausgeweitete Zertifikatspflicht hat den Ton zwischen den Lagern verschärft. Die Verunglimpfungen Andersdenkender haben zugenommen. Davon zeugen unbewilligte Demonstrationen, eine Hasseskalation in den sozialen Medien und immer offenere Gewaltdrohungen gegen Politikerinnen. Ueli Maurer weiss das. Seine Bundesratskollegen bewegen sich heute nur noch mit erhöhtem Polizeischutz in der Öffentlichkeit.
Maurer hat sich in seiner Rede in Wald gegen Gewalt ausgesprochen. Als erfahrener Politiker weiss er aber auch, dass der Inhalt einer Rede weit weniger Kraft hat als ein Bild, das nun durch die Schweiz geht: Bundesrat Ueli Maurer als Freiheitstrychler, als Massnahmengegner, als Teil des Widerstands neben Szenegrössen wie dem Impfskeptiker Attila der Kluge, der schon zu Störaktionen gegen das Impfen aufgerufen hat.
Und das ist das Problematische an Maurers Geste: Sie kann im gegenwärtigen Klima der Empörung leicht missverstanden werden. Als Aufforderung, den passiven Widerstand aufzugeben und zur Tat zu schreiten. Maurer nimmt das mit seiner Zündelei in Kauf.
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