Covid-Gesetz: Maurer warntBetrieben droht monatelanges Warten auf Härtefallhilfe
Der Nationalrat hat in der Monsterdebatte entschieden, dass die Kantone die Umsetzung koordinieren. Für den Finanzminister ist das «so ziemlich das Dümmste».
Es ist das Resultat der Monsterdebatte zum Covid-Gesetz im Nationalrat, das Ueli Maurer in Rage brachte. «Meiner Meinung nach ist dieser Absatz so ziemlich das Dümmste, was Sie jetzt noch machen können.» Was Maurer so aufregte: Eine Mehrheit des Parlaments will, dass die Bedingungen für die Härtefallgelder stärker vereinheitlicht werden und dass sich die Kantone bei der Auszahlung besser untereinander abstimmen. Heute sind die Unterschiede in den Kantonen zum Teil erheblich. Doch Maurer fürchtet Nebenwirkungen des Beschlusses. (Lesen Sie dazu den Kommentar: Lasst die Hilfsgelder endlich fliessen)
Diese Mindeststandards für die Hilfen sollen bei Firmen mit einem Umsatz von bis zu 5 Millionen Franken gelten, also dem grossen Teil der Berechtigten für Härtefällen. Schätzungen zufolge würden rund 70’000 Betriebe für diese Härtefallhilfen infrage kommen. Die Auslegung, wer wie und in welchem Umfang Hilfe beanspruchen kann, sind kantonal unterschiedlich. Das hat auch damit zu tun, dass in gewissen Kantonen Gelder aufgestockt wurden, in anderen hingegen nicht. Das Ziel dahinter: den Kantonen in der Umsetzung – zum Beispiel für ihre jeweilige Branchenstruktur – eine gewisse Flexibilität zu geben.
Doch offenbar sind der Parlamentsmehrheit die Kantone in Sachen Flexibilität zu weit gegangen. «Das Ziel ist, dass es zu keiner Benachteiligung von einzelnen Firmen kommt, nur weil sie in einem anderen Kanton Härtefallgelder beziehen», sagt Nationalrätin Franziska Ryser (Grüne). Die Kantone hätten lange Zeit gehabt, eine bessere Koordination sicherzustellen. Das sei aber nicht passiert. «Wir wollen damit in der Auslegung der Härtefallhilfen Mindeststandards schaffen», so Ryser.
«Es kann zu einem erhöhten Aufwand kommen bei den Kantonen.»
Für die grosse Masse der Firmen würde sich damit nichts ändern, es würden aber dadurch mehr Unternehmen zu den Hilfsprogrammen zugelassen. Und: «Es kann zu einem erhöhten Aufwand kommen bei den Kantonen», sagt Ryser. Gleichzeitig sei denn auch die Möglichkeit von Vorschusszahlungen durch den Nationalrat beschlossen worden, damit die Firmen deswegen nicht länger auf ihre Gelder warten müssten, sagt Ryser.
Wie diese Vereinheitlichung bei den Härtefallhilfen konkret aussehen soll, das liess der Beschluss weitgehend offen. Nicht nur deshalb kommt Kritik gegen den neuen Artikel nicht einzig von Ueli Maurer. Für Mitte-Nationalrat Markus Ritter ist der Passus der «gefährlichste Antrag» der montäglichen Debatte. «Wir erhalten zahlreiche Hinweise darauf, dass es bei den Kantonen bei den Härtefallhilfen noch harzt.»
Aber: Die Kantone hätten nach dem Entscheid des Parlaments im Dezember vorwärtsgemacht. «Nun sind sie so weit, dass die Gelder fliessen können. Mit dieser Anpassung wäre aber nun wieder vieles unklar», sagt Ritter. Er geht davon aus, dass es wiederum Monate gehen könnte, bis die Details geklärt sind und die Kantone weiter auszahlen könnten.
Unklar, wie viel Kantone zahlen sollen
Bereits im Vorfeld der Debatte zum Covid-19-Gesetz warnten die Kantone davor, die Spielregeln bei den Härtefällen allzu stark anzupassen. Bei den kleinen Firmen, also mit einem Umsatz von bis zu 5 Millionen Franken, zahlen die Kantone einen Teil der Hilfen. Sie sind denn auch mit der Umsetzung betraut worden. Die Idee: Die kantonalen Stellen sind weit näher an den einzelnen Firmen dran als der Bund. Dieser wird sich finanziell weit stärker am Programm beteiligen. Wie hoch der Kantonsbeitrag ist, also ob 30 oder 20 Prozent, ist derzeit noch Gegenstand der Debatte im Parlament.
«Wir sind mitten im Vollzug. Bisher wurde immer gefordert, dass wir vorwärtsmachen sollen. Und jetzt sollen die Bedingungen geändert werden.»
In den Kantonen sind die Volkswirtschafts- und Finanzdepartemente für die Hilfen zuständig. Die Verantwortlichen sind alarmiert. Ernst Stocker, der Zürcher Finanzdirektor und Präsident der kantonalen Finanzdirektorenkonferenz, sagt: «Wir sind mitten im Vollzug. Bisher wurde immer gefordert, dass wir vorwärtsmachen sollen. Und jetzt sollen die Bedingungen geändert werden. Das ist aus Sicht der Kantone nicht sinnvoll.» Schwer abschätzbar sei zudem, was genau denn nun ändern solle. Und was die Auswirkungen seien. Allenfalls müsse man die Auszahlung der Gelder gar noch einmal stoppen. Zudem müssten sich in gewissen Kantonen die Parlamente noch einmal über die Materie beugen – entsprechend verzögert würden die Hilfen bei den Firmen ankommen.
Im Parlament fand der Antrag eine Mehrheit von 110 zu 81 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Neben Links-Grün stimmten auch die Grünliberalen und ein Grossteil der FDP-Fraktion zu. Ein Problem des Gesetzesartikels ist: Er ist offen formuliert und müsste nach der Debatte im Parlament noch genau definiert werden.
Der Ständerat hat in seiner Diskussion vom Mittwoch anders entschieden als der Nationalrat und will nichts von dieser Regelung wissen. Damit ist das Thema aber noch nicht vom Tisch. Es geht nun wieder in den Nationalrat.*
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