Corona-Gesetz im ParlamentRäte einigen sich auf Revision von Covid-Gesetz
National- und Ständerat behandeln das Covid-19-Gesetz. Die Entschlüsse und die Debatte zum Nachlesen.
Das Wichtigste in Kürze:
National- und Ständerat behandeln in dieser Session das Covid-19-Gesetz, nun zeichnet sich eine Einigung ab.
Eigentlich hat der Bundesrat die Gesetzesrevision lanciert, um die Wirtschaftshilfen für die Betroffenen auszubauen.
Nationalräte von SVP, FDP und der Mitte wollten das Gesetz aber als Hebel nutzen, um den Bundesrat zu entmachten. Das ist im Plenum gescheitert.
Dafür spricht der Rat viel mehr Geld für zusätzliche Covid-Hilfen für Firmen und andere Betroffene. Statt 10 Milliarden wie der Bundesrat beschloss der Rat rund 20 Milliarden neue Corona-Gelder.
Räte bereinigen revidiertes Covid-19-Gesetz mit Zusatzkredit
Nach intensiven, teils gehässigen Debatten und grosser Uneinigkeit zwischen den Räten hat das Parlament bei der Revision des Covid-19-Gesetzes im letzten Moment doch noch eine Lösung gefunden. Es setzte sich weitgehend der Ständerat durch – zur Freude des Bundesrats.
Die Regierung hatte Anfang Jahr weitere Änderungen und einen damit verbundenen Zusatzkredit zuhanden des Parlaments verabschiedet. Zentraler Pfeiler der Vorlage des Bundesrats war die Aufstockung des Härtefallprogramms von heute 2,5 auf neu 10 Milliarden Franken. Zusätzlich präzisierte der Bundesrat die Regeln zur Kurzarbeit, zur Kita-Hilfe oder für Kulturschaffende.
Im Parlament gaben zunächst aber andere Sachen zu reden. National- und Ständerat kritisierten – teilweise ungewohnt scharf – die Corona-Politik des Bundesrats. Insbesondere die bürgerlichen Fraktionen forderten raschere Lockerungen der drastischen Corona-Massnahmen und bessere Perspektiven für geschlossene Betriebe.
Die Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK-N) wollte den 22. März als verbindliches Öffnungsdatum für Gastro- und Freizeitbetriebe im Gesetz verankern. SVP, FDP und die Mitte erhöhten im Vorfeld der parlamentarischen Debatte den Druck auf den Bundesrat. Nach einer «Chropfleerete» in beiden Kammern verzichtete die Mehrheit der FDP- und der Mitte-Fraktion schliesslich aber auf ein fix verankertes Öffnungsdatum im Covid-19-Gesetz.
Drastische Ausweitung letztlich chancenlos
In der zweiten Sessionshälfte verlagerte sich die Diskussion in beiden Räten zu den Corona-Finanzhilfen des Bundes. Im Zentrum stand die Frage, welchen Unternehmen und Personen geholfen werden soll. Es ging um Regeln für Härtefälle, À-fonds-perdu-Beiträge, Kurzarbeits- und Erwerbsersatzentschädigungen.
Nach einem dreiwöchigen Zickzack-Kurs spurte das Parlament schliesslich weitgehend auf die Linie des Bundesrats ein. Zur Unterstützung von Härtefällen stehen maximal 10 Milliarden Franken zur Verfügung. In der Einigungskonferenz setzten sich bei den wichtigsten Punkten die vorsichtiger agierenden Ständerätinnen und Ständeräte durch.
An der Definition von Härtefällen wurde nichts Entscheidendes geändert. Wie heute gilt ein Unternehmen als Härtefall, wenn es einen Umsatzeinbruch von mindestens 40 Prozent verzeichnet oder während mehr als 40 Tage behördlich geschlossen wurde.
Der Nationalrat wollte in den letzten Tagen und Wochen an dieser Schwelle schrauben. In der ersten Beratungsrunde stockte die grosse Kammer die Finanzhilfen sogar auf beinahe 20 Milliarden Franken auf. Der Ständerat lehnte das jeweils ab – mit dem Verweis, dass die Spielregeln nicht während des Spiels geändert werden sollten.
Kein Auffangnetz für alle
Bei den Finanzhilfen für grosse Unternehmen erliess das Parlament zusätzliche Bedingungen. Grundsätzlich werden hohe Ausschüttungen von Härtefallgeldern an zusätzliche Bedingungen geknüpft und die Unternehmen werden verpflichtet, im Falle eines Gewinns die Summe zurückzuerstatten. Wenn der À-fonds-perdu-Beitrag 5 Millionen Franken übersteigt, muss das Unternehmen eine Eigenleistung nachweisen.
Die letztlich getroffene Lösung bei den Härtefällen ist auch im Sinne des Bundesrats. Finanzminister Ueli Maurer warnte in der Frühjahrssession mehrmals davor, die Vorlage finanziell zu überladen und die Corona-Schulden weiter zu erhöhen. Es könne nicht jedes Unternehmen gerettet, jedes Einzelschicksal berücksichtigt werden. Sonst würden happige Sparprogramme drohen.
Schutzschirm für Veranstaltungen
Eine neue Lösung wurde für abgesagte grosse Veranstaltungen gefunden. Das Parlament will Festivals, Messen und weitere Publikumsanlässe zusätzlich unterstützen. Sie können mit einem Gesuch beim Bund die Abgeltung ungedeckter Kosten verlangen für Veranstaltungen, die zwischen dem 1. Juni 2021 und dem 30. April 2022 hätten stattfinden sollen.
Der Bund entschädigt jedoch nur Veranstaltungen «von überkantonaler Bedeutung». Sofern die Kantone die Hälfte des Ausfalls übernehmen, ist der Bund bereit, die andere Hälfte zu bezahlen. Der Nationalrat wollte auch Publikumsanlässe «von regionaler Bedeutung» berücksichtigen. Die Unterstützung von regionalen und lokalen Veranstaltungen ist nun aber Sache der Kantone.
Mehr Selbstständige berücksichtigt
Bereits früher einen Kompromiss gefunden hatten die Räte bei der Hilfe für Selbstständigerwerbende. Demnach gelten künftig Personen als massgeblich eingeschränkt, die in ihrer Unternehmung eine Umsatzeinbusse von mindestens 30 Prozent im Vergleich zum durchschnittlichen Umsatz in den Jahren 2015 bis 2019 haben. Heute ist ein Umsatzminus von mindestens 40 Prozent massgebend.
Finanzminister Maurer warnte auch hier davor, die Spielregeln zu ändern. «Die Kantone werden damit an ihre Grenzen kommen.» In diesem Punkt blieben seine Worte aber ungehört.
Neue Regeln gelten auch bei der Unterstützung von Profisportklubs. Sie müssen nicht mehr zwingend Lohnkürzungen vornehmen, um an À-fonds-perdu-Beiträge zu kommen. Wer die Regeln für Lohnkürzungen nicht einhält, erhält immer noch die Hälfte der Ausfälle der Ticketeinnahmen zurück.
Vorlage ist 12 Milliarden Franken schwer
Weiter entschied das Parlament, dass Personen mit tiefen Löhnen bei Kurzarbeit bis Ende Juni 2021 den vollen Lohn entschädigt erhalten. Der Nationalrat wollte die Bestimmung bis Ende Jahr ausweiten. Im aktuellen Gesetz wäre die Massnahme Ende März ausgelaufen.
Finanzminister Maurer bilanzierte zum Abschluss der Debatte, dass das Parlament mit seinen Entscheiden die Vorlage um rund 2 Milliarden auf 12 Milliarden Franken aufgestockt habe. Ende Jahr rechne der Bund mit einem ausserordentlichen Defizit von rund 30 Milliarden Franken. «Das ist höher als der Schuldenabbau der letzten 15 Jahre.»
Der Vorschlag der Einigungskonferenz wurde am Donnerstag von National- und Ständerat gutgeheissen – insbesondere von der Ratslinken zähneknirschend. Die Vorlage ist damit bereit für die Schlussabstimmung. Die Revision soll bereits am Samstag in Kraft treten. Die dazugehörige Verordnung wird laut Maurer am 31. März vom Bundesrat verabschiedet.
Würde das Covid-19-Gesetz in der Referendumsabstimmung am 13. Juni abgelehnt, wäre es noch bis 25. September gültig. Es könnte nicht mehr erneuert werden.
Einigung beim Covid-Gesetz zeichnet sich ab
Im Bundeshaus zeichnet sich eine Einigung beim Covid-Gesetz ab. Es bestehen aber noch erhebliche Differenzen, die heute Nachmittag an einer Einigungskonferenz ausgeräumt werden sollen. Bis Freitag soll das Gesetz, das unter anderem Milliarden für Entschädigungen und Härtefallhilfen beinhaltet, unter Dach und Fach sein.
In der Einigungskonferenz vom Dienstagnachmittag sollen noch bestehende Differenzen im Umfang von 2,7 Milliarden Franken ausgeräumt werden. Vor der Einigungskonferenz sieht das Gesetz 12 Milliarden Ausgaben vor, der Bundesrat schlug ursprünglich 10 Milliarden vor, die mit dem Gesetz ausgeschüttet werden sollen.
Bundesrat und Finanzminister Ueli Maurer (SVP) warnte vor zusätzlichen, unvorhergesehenen Schulden von total 30 Milliarden Franken bis Ende Jahr - allein aufgrund der Covid-Krise. Was man die letzten Jahre angespart habe, sei damit auf einen Schlag bereits wieder weg.
Maurer: Massive Sparprogramme nötig
Auch den Kantonen drohten Zusatzausgaben zwischen 500 Millionen und 1,5 Milliarden; die zusätzlichen Nationalbankgelder, die den Kantonen winken, sind gemäss Maurer damit bereits wieder aufgebraucht. Aufgrund der unvorhergesehenen Neuverschuldung seien auf Bundesebene die nächsten Jahre massive Sparprogramme nötig, kündigte der Finanzminister an. Maurer warf dem Nationalrat vor, ausgabenseitig zu überborden. «Wir leben da in den Tag hinein», sagte Maurer. Das sei beunruhigend.
Am Donnerstag entscheiden beide Kammern über die Resultate der Einigungskonferenz, am Freitag folgt die Schlussabstimmung zum Ende der Session. (beg)
Ständerat bei Wirtschaftshilfen weniger grosszügig als Nationalrat
Es geht um viele Milliarden Franken: Nach zwei emotionalen Marathondebatten geht das Feilschen um das Covid-19-Gesetz in den Räten weiter. Im Fokus stehen bei der Differenzbereinigung die Finanzhilfen für Härtefälle.
Und hier zeigte sich am Mittwochmorgen: Der Ständerat will weit weniger Geld sprechen als der Nationalrat.
Die kleine Kammer folgt damit einem Appell von Ueli Maurer. «Der Nationalrat hat sich in einen Ausgabenrausch gesteigert. Es braucht jetzt die Unaufgeregtheit des Ständerats», sagte der Finanzminister in der Kleinen Kammer.
Auch kantonale Finanzdirektoren riefen den Ständerat zum finanziellen Masshalten auf. Kaspar Michel, Finanzdirektor des Kantons Schwyz, schrieb auf Twitter, alle Hoffnungen der Kantone lägen auf dem Ständerat. «Die Finanzdirektoren lassen schon Messen lesen».
Der Nationalrat hatte das Härtefallprogramm am Montag massiv ausgebaut und zusätzliche Ausgaben von gegen 10 Milliarden Franken beschlossen, wie Maurer vorrechnete. Verschiedene dieser Ausweitungen hat der Ständerat jetzt aber bgelehnt.
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Beispielsweise will der Ständerat bei der Definition von Härtefällen beim geltenden Recht bleiben: Ein Härtefall liegt demnach vor, wenn der Umsatzeinbruch in der Corona-Krise mehr als 40 Prozent beträgt. Der Nationalrat will diese Schwelle auf 25 Prozent senken. Das bedeutet, dass Tausende Firmen zusätzlich Härtefallhilfen beanspruchen könnten.
Christian Levrat (SP), Präsident der Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK), erinnerte daran, dass die Kosten für die Massnahmen im Auge behalten werden müssten. Alleine dieser Entscheid des Nationalrats koste die Steuerzahler weitere 3,5 Milliarden Franken.
Finanzminister Ueli Maurer sprach von einem «Ausgabenrausch» des Nationalrats, der verhindert werden müsse. Die grosse Kammer habe die Kosten für die Härtefallhilfen am Montag insgesamt um weitere fast 10 Milliarden Franken erhöht.

Die kleine Kammer erhörte Maurers Warnruf: Auch bei neu gegründeten Unternehmen hält sie daran fest, dass nur Unternehmen berücksichtigt werden, die vor dem 1. Oktober 2020 gegründet wurden. Der Nationalrat will dieses Datum streichen, was Mehrausgaben von rund 220 Millionen Franken bedeuten würde.
Weiter hält der Ständerat daran fest, dass Unternehmen mit einem Umsatz von über 5 Millionen Franken unter gewissen Bedingungen die erhaltenen À-fonds-perdu-Beiträge des Bundes zurückzahlen müssen. Unternehmen, die einen operativen Jahresgewinn erzielen, sollen keine À-fonds-perdu-Beiträge erhalten. Der Nationalrat ist da anderer Meinung.
Gefunden haben sich die Räte dagegen beim Verteilschlüssel der Finanzierung der Härtefallgelder. Der Finanzierungsanteil des Bundes bei Hilfsgeldern für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 5 Millionen Franken soll bei 70 Prozent bleiben und nicht auf 80 Prozent erhöht werden. Im zweiten Anlauf stimmte der Ständerat diesem Vorschlag des Nationalrats und des Bundesrats zu – mit 35 zu 8 Stimmen bei einer Enthaltung. Es geht um Ausgaben in Höhe von 600 Millionen Franken.
Einigkeit bei Nachtragskrediten
Einig sind sie sich die Räte auch bei den Bundesgelter zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Nach dem Nationalrat will auch der Ständerat weitere 14,375 Milliarden Franken zur Verfügung stellen. Der Ständerat bewilligte den entsprechenden Nachtragskredite zum Budget 2021.
Dabei fallen die Erhöhung des Bundesbetrags für die kantonalen Härtefallmassnahmen (6,3 Milliarden Franken) und der Beitrag an die Arbeitslosenversicherung zur Deckung der Kurzarbeitsentschädigung im Jahr 2021 (6 Milliarden Franken) am meisten ins Gewicht.
Keine Zusatzhilfe für Festivals
Nichts wissen will der Ständerat von einer Ausweitung des Erwerbsausfalls für die Eventbranche. Anders als der Nationalrat will die kleine Kammer den Veranstaltungsbereich im laufenden Jahr nicht mit zusätzlichen 350 Millionen Franken unterstützen. Dieser Entscheid fiel stillschweigend.
Knapp mit 22 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt hat der Ständerat auch den Ausbau der Corona-Hilfen für Selbstständige. Gemäss Beschluss des Nationalrats sollen als massgeblich eingeschränkt neu Personen gelten, die in ihrer Unternehmung eine Umsatzeinbusse von mindestens 20 statt 40 Prozent im Vergleich zum durchschnittlichen Umsatz in den Jahren 2015 bis 2019 haben.
Die kleine Kammer will beim geltenden Recht bleiben. Finanzminister Maurer hält diesen «Mittelweg» als angemessen. Abgelehnt wurde auch die Verlängerung des Corona-Erwerbsersatzes von Ende Juni bis Ende Dezember 2021, wie ihn der Nationalrat vorschlägt.
Keine Gnadenfrist für Mietende
Festgehalten hat der Ständerat dagegen an seinem Ansinnen, die Unterstützung der Sportklubs zu vereinfachen. Um einfacher an À-fonds-perdu-Beiträge zu kommen, sollen die Klubs nach dem Willen der kleinen Kammer nicht mehr zu Lohnsenkungen gezwungen werden, wenn sie Unterstützungsgelder beantragen. Das lehnte der Nationalrat deutlich ab.
Nein sagt die kleine Kammer zu zusätzlichen Erleichterungen für Mieterinnen und Mieter, die mit der Bezahlung ihrer Mietzinsen und Nebenkosten im Rückstand sind. Der Nationalrat will die Zahlungsfrist für Betroffene ausdehnen und Mietvertragskündigungen innerhalb von sechs Monaten nach Aufhebung des Shutdown als nichtig erklären. Im Ständerat war dieses Anliegen chancenlos.
Noch nicht einigen konnten sich die Räte bei den finanziellen Beiträgen an kantonale Grundeinkommen. Der Nationalrat will solche Finanzhilfen für Kulturschaffende, wie sie kürzlich beispielsweise der Kanton Zürich beschlossen hat, nicht mit Bundesgeldern unterstützen. Der Ständerat sieht das anders und will auf einen entsprechenden Passus im Covid-19-Gesetz verzichten. Dieser Entscheid fiel stillschweigend.
Zahlreiche Differenzen
Offene Fragen gibt es noch beim Impfpass. Zwar sind sich die Räte einig, dass geimpfte Personen von allfälligen Quarantänemassnahmen befreit werden sollen. Dafür ist ein entsprechender Nachweis notwendig. Der Ständerat schlägt vor, dass der Bundesrat die dafür notwendigen rechtlichen Grundlagen sicherstellt und diese international anerkennen lässt.
Unterschiedlich beurteilt wird von den Räten das Risiko, dass die Grundstückpreise wegen der Corona-Krise unter Druck geraten könnten. Damit sich ausländische Unternehmen keine Grundstücke von notleidenden Schweizer Unternehmen unter den Nagel reissen können, will der Nationalrat, dass Verkäufe für zwei Jahre nach Ende der besonderen oder ausserordentlichen Lage bewilligungspflichtig werden. Der Ständerat lehnt diese Änderung der «Lex Koller» ab.
Erleichterungen sieht das Parlament bei den politischen Rechten vor. So sollen nicht nur bei Referenden, sondern auch bei Volksinitiativen die gesammelten Unterschriften auch ohne Stimmrechtsbescheinigung innerhalb der Fristen eingereicht werden können. Der Ständerat folgte oppositionslos dem Beschluss des Nationalrats.
Die Vorlage geht mit zahlreichen Differenzen zurück an den Nationalrat, der am Donnerstag wieder an der Reihe ist. (SDA/hä)
Endlich! Der Nationalrat geht ins Bett
Um 00.40 Uhr schliesst Nationalratspräsident Andreas Aebi die Sitzung des Nationalrats definitiv. So lange Sitzungen gibt es nur sehr selten im Bundeshaus. An die Adresse von Finanzminister Ueli Maurer, der das letzte Geschäft vertreten musste, sagt Aebi: «Das war der längste Marathon, den Sie je im Nationalratssaal absolvieren mussten.»
Damit beenden auch wir unsere Berichterstattung über die heutige Monsterdebatte im Nationalrat. Gute Nacht!
Wer hat wie gestimmt? Die Liste
Was ist heute bloss im Nationalrat passiert?
In der Wirtschaftskommission haben die Vertreter von SVP, FDP und Mitte noch grossmehrheitlich für ein gesetzlich fixiertes Ende des Lockdown am 22. März gestimmt. Diese drei Fraktionen haben auch im Plenum eine klare Mehrheit und hätten sich also durchsetzen können.
Dass der Rat nun trotzdem gegen die gesetzliche Turbo-Öffnung gestimmt hat, liegt daran, dass FDP und Mitte ihren Wirtschaftspolitikern nicht folgen mochten.
Am Ende stimmte nur die SVP-Fraktion geschlossen für die Turbo-Öffnung. Unterstützt wurde sie von je acht FDP- und Mitte-Nationalräten.
SP, Grüne und Grünliberale stimmten geschlossen Nein. FDP- und Mitte-Fraktion waren mehrheitlich im Nein-Lager.
Hier können Sie nachschauen, wie jedes einzelne Nationalratsmitglied gestimmt hat.
Lesehilfe: Ja bedeutet zwingende Beizen-Öffnung am 22. März per Gesetz - und Teilentmachtung des Bundesrats in dieser Frage.
Nein bedeutet Verzicht auf eine solche Gesetzesbestimmung.
Die Monsterdebatte im Überblick
Hier von der Nachrichtenagentur Keystone-SDA eine Übersicht über die wichtigsten Entscheide in der Monsterdebatte des Nationalrats.
Danke vielmal dafür, liebe Kollegen, ohne Euch ginge es nicht!
Lockerungen: Der Nationalrat verankert im Covid-19-Gesetz verschiedene Grundsätze, auf die der Bundesrat künftig seine Corona-Politik stützen soll. Deutlich gescheitert ist aber der Antrag, den 22. März als Öffnungsdatum ins Gesetz zu schreiben. Die SVP hielt zwar am Antrag fest. Weil die FDP- und die Mitte-Fraktion es aber mehrheitlich ablehnten, den 22. März als Öffnungsdatum für Restaurants und andere Branchen gesetzlich zu verankern, kam am Ende keine Mehrheit zustande. Die Entscheide zur Öffnung fielen letztlich deutlich mit jeweils über 120 Nein-Stimmen. Das Thema ist damit erledigt.
Strategie: Künftig muss der Bundesrat seine Strategie auf «die mildest- und kürzestmögliche Einschränkung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens» ausrichten. Vor möglichen Schliessungen sollen Bund und Kantone sämtliche Möglichkeiten von Schutzkonzepten, von Test- und Impfstrategien sowie der Kontaktverfolgung ausschöpfen. Das Parlament will zudem regionalen Entwicklungen der epidemiologischen Lage vermehrt Rechnung tragen. Der Bundesrat soll «vorbildlichen» Kantonen Erleichterungen der Corona-Massnahmen gewähren. Künftig muss der Bundesrat zudem die Kantonsregierungen in die Erarbeitung der Massnahmen miteinbeziehen. Ein Vetorecht für die zuständigen parlamentarischen Kommissionen lehnte das Parlament jedoch ab.
Impfungen: Das Parlament stimmte dem Antrag zu, dass Personen, die sich gegen Covid-19 geimpft haben, von allfälligen Quarantänemassnahmen befreit werden. Der Entscheid im Nationalrat fiel mit Stichentscheid des Präsidenten Andreas Aebi (SVP). Zudem verlangt die grosse Kammer vom Bundesrat die Einführung eines Covid-19-Impf- und Testnachweises, der die Ein- und Ausreise in andere Länder erleichtern soll. Darüber muss noch der Ständerat befinden.
Taskforce: Nichts wissen will der Nationalrat von einem Maulkorb für die wissenschaftliche Taskforce des Bundes. Nach Meinung einer Kommissionsmehrheit sollte diese nur noch mit ihrem Präsidenten in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten. Eine deutliche Mehrheit des Nationalrats lehnte dies ab - mit 116 zu 78 Stimmen. Ursprünglich wollte es eine Kommissionsmehrheit der Taskforce ganz verbieten, öffentlich Stellung zu nehmen. Die Kommission kam dann aber auf ihren Antrag zurück und überarbeitete ihn - nun scheiterte er trotzdem.
Härtefallmassnahmen: Der Nationalrat will die Härtefallhilfe für Unternehmen deutlich ausbauen. Er hat gegenüber dem Bundesrat Änderungen des Covid-19-Gesetzes beschlossen, die laut Finanzminister Maurer zu Mehrausgaben von 9 Milliarden Franken führen. Die meisten Kosten verursacht, dass der Nationalrat die Bedingungen für den Bezug von Härtefallgeldern lockern will. Als Härtefall gelten heute Unternehmen, die auf Anordnung des Bundesrats schliessen mussten oder Einsatzbussen von mindestens 40 Prozent im Vergleich zu früheren Geschäftsjahren verzeichnen. Der Nationalrat will diese Schwelle nun von 40 Prozent auf 25 Prozent senken. Nun ist wieder der Ständerat am Zug.
Finanzierung: Der Bundesanteil zur Finanzierung der Härtefallmassnahmen soll laut dem Nationalrat nicht erhöht werden. Für die Unterstützung der Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 5 Millionen Franken soll der Bund weiterhin 70 Prozent der Kosten übernehmen. Der Entscheid fiel mit 141 zu 44 Stimmen deutlich aus. Der Ständerat wollte 80 Prozent ins Gesetz schreiben.
Nationalrat debattiert noch zwei Stunden weiter
Was für ein Tag im Bundeshaus!
Nach über neun Stunden Covid-Debatte ist es im Nationalratssaal 23.45 Uhr. Doch die Arbeit ist für die Nationalrätinnen und Nationalräte noch nicht fertig. Jetzt folgt noch eine Debatte über einen milliardenschweren Nachtragskredit zum Bundesbudget 2021. Auch dieser Nachtrag ist natürlich durch die Corona-Krise verursacht.
Diese Debatte werde noch einmal zwei Stunden dauern, kündigt Nationalratspräsident Andreas Aebi seinen Kolleginnen und Kollegen an.
Monsterdebatte nach neun Stunden fertig
Nach den Dutzenden von Detailabstimmungen nimmt der Rat die Änderungen des Covid-19-Gesetzes nun auch in der Gesamtabstimmung an. Praktisch alle Fraktionen stimmen für das revidierte Gesetz. Die SVP lehnt es teilweise ab, teilweise enthält sie sich der Stimme.
Das Gesetz geht nun zurück in den Ständerat. Dieser wird sich vor allem über die milliardenschweren Aufstockungen beugen, welche der Nationalrat heute beschlossen hat.
Die Debatte über das Covid-Gesetz hat im Nationalrat 9 Stunden und 15 Minuten gedauert.
Turbo-Öffnung der Schiessstände scheitert noch deutlicher
In einem gesonderten Gesetzesparagraphen wollte die Wirtschaftskommission festschreiben, dass die Schiessstände in der Schweiz zwingend am 22. März öffnen müssten - völlig unabhängig von der Lage in der Pandemie. Dieser Artikel scheiterte noch deutlicher als die Beizenöffnung. Nur gerade 58 Nationalräte votierten dafür - das entspricht mehr oder weniger der SVP-Fraktion.
Das heisst: FDP und Mitte desavouieren ihre Vertreter in der Wirtschaftskommission.
Nationalrat lehnt Turbo-Öffnung der Beizen ab
Der Nationalrat lehnt ein fixes Öffnungsdatum für die Restaurants ab. Der Entscheid fiel gegen Ende einer neunstündigen Monsterdebatte mit 121 gegen 69 Stimmen. Vier Nationalräte enthielten sich der Stimme.
Mit ähnlichem Stimmenverhältnis lehnte der Rat auch ein zwingendes Öffnungsdatum für Kultur-, Freizeit und Unterhaltungsbetriebe ab.
Die Wirtschaftskommission wollte im Covid-Gesetz den 22. März als zwingenden Öffnungsdatum festlegen - unabhängig von der epidemiologischen Entwicklung. Für ein solche Turboöffnung per Gesetz stimmten die SVP sowie Minderheiten von FDP und Mitte-Fraktion. Sie hätten den Bundesrat damit beim Krisenmanagement teilweise entmachtet. Dazu kommt es nun nicht.
In der Wirtschaftskommission hatten die Vertreter der drei bürgerlichen Parteien die Turboöffnung noch grossmehrheitlich unterstützt.
«Maulkorb»-Artikel abgelehnt
Der «Maulkorb»-Paragraph für die Covid-Taskforce wird vom Nationalrat mit 116 gegen 78 Stimmen abgelehnt. Ja stimmten nur die SVP und eine Minderheit von FDP und Mitte.
Hier können Sie nachschauen, wie jedes einzelne Nationalratsmitglied gestimmt hat.
Lesehilfe: Ja bedeutet Zustimmung zum «Maulkorb»-Artikel, Nein bedeutet Ablehnung.
Die Abstimmungen beginnen
Jetzt beginnen die Abstimmungen über eine ganze Batterie von Anträgen. An etwa zehnter Stelle entscheidet der Rat über den Gesetzesartikel, der in den letzten Tagen als «Maulkorb» für die Covid-Taskforce bekannt geworden ist.
In Tat und Wahrheit würde er gegenüber den heutigen Rahmenbedingungen der Taskforce nicht viel ändern, trotzdem wollen ihn die Bürgerlichen ins Gesetz schreiben. Die Taskforce müsse in ihre Schranken gewiesen werden, sagt Fabio Regazzi (Mitte) zum Abschluss der Debatte.
Gegen Ende der Abstimmungskaskade folgt dann der Entscheid über ein fixes Öffnungsdatum für die Restaurants, andere geschlossene Betriebe und Schiessstände. Für die Schiessstände hat die Wirtschaftskommission einen eigenen Gesetzesparagraphen verfasst.
80-jährige warten noch auf die Impfung
Thomas Matter (SVP) sagt, sein Vater warte mit 80 Jahren immer noch einen Impftermin. Ob Berset das ins Ordnung finde, nachdem er selber mit seinen erst 48 Jahren schon geimpft sei. Berset antwortet sinngemäss, man tue alles, um so viele wie möglich so rasch wie möglich zu impfen. Das Ziel sei, sehr rasch vorwärts zu machen.
Bersets Appell ans Parlament
Berset schliesst mit einem Appell: «Bitte folgen Sie dem Bundesrat! Wir müssen in dieser Krise zusammen arbeiten. Es ist eine grosse Krise für unser Land. Helfen Sie uns, zusammen aus dieser Krise zu kommen.»
Thomas Aeschi sagt, Pfizer/Biontech habe der Schweiz zusätzliche 6 Millionen Impfdosen angeboten. Warum die Schweiz diese abgelehnt habe. Er werde dazu «sicher» nichts sagen, sagt Berset. Aber er könne versichern, dass die Schweiz versuche, so viele Impfungen wie möglich zusammen zu kaufen.
Berset spricht von Strategiewechsel
Ja, sagt Berset, die epidemiologische Lage habe sich verbessert. Er sagt, dank Impfen und mehr Tests werde man nun weitere Fortschritte erzielen können. Aber: Es gebe immer noch Unsicherheiten und es gebe immer zu wenig Informationen über die Pandemie. Das sei das, was wir alle inzwischen in dieser Pandemie gelernt hätten.
Im Februar habe der Bundesrat einen Strategiewechsel vollzogen: Er habe sich für Lockerungen entschieden, obwohl die Zahlen schon damals nicht mehr weiter gesunken seien. Das sei nur möglich geworden, weil die vielen zusätzlichen Tests diese ermöglichen würden. Früher habe man diese Tests nicht gehabt. Damit sei nun ein neuer Dreiklang möglich: Tests, Impfungen, Lockerungen. Früher sei eine solche Strategie nicht möglich gewesen.
Klar, dass Berset von einem fixen Öffnungsdatum im Gesetz nichts wissen will.
Jetzt redet Berset
Der Gesundheitsminister ist der dritte Bundesrat, der heute auftritt - er hat Parmelin abgelöst, der zuvor Maurer abgelöst hat. Die Debatte läuft inzwischen seit genau acht Stunden. Berset versichert zum Auftakt: «Auch wir wollen so rasch wie möglich aus dem allem aussteigen.»
Was hat den Meinungswechsel der FDP ausgelöst?
Thomas Aeschi (SVP) fragt Walti, was den Meinungsumschwung der FDP ausgelöst habe. Ob Walti die Zusage habe, dass die FDP-Bundesratsmitglieder Keller-Sutter und Cassis im Bundesrat eine rasche Öffnung unterstützen würden.
Walti antwortetet, die beiden FDP-Bundesräte seien nicht seine Mitarbeiter. Er sei aber zuversichtlich, dass auch der Gesamtbundesrat rasche und auch differenzierte Öffnungsschritte anstrebe.
FDP: «Mehrheit lehnt Fixierung im Gesetz ab»
FDP-Fraktionschef Beat Walti sagt, es sei richtig, dass das Parlament sich wieder stärker im Krisenmanagement einbringe. Seine Partei fordere seit Mai 2020 ein Koordinatensystem in der Pandemie, das eine bessere Planparkeit für die Betroffenen bringe. Die Mehrheit der FDP werde aber eine absolute Fixierung eines Öffnungsdatum im Gesetz ablehnen. Damit weicht die FDP-Fraktion von ihrer Delegation in der Wirtschaftskommission ab, welche die Turboöffnung per Gesetz noch unterstützt hatte. Zu diesem Kurswechsel habe auch die (nicht bindende) Erklärung für ein raschere Öffnung beigetragen, welche der Rat bereits letzte Woche verabschiedet hatte.
Grüne: «Sie schiessen in die Luft»
Sophie Michaud Gigon (Grüne) spricht sich ebenfalls gegen die Turboöffnung per Gesetz aus. Sollte später eine erneute Schliessung wieder nötig werde, müsste der Bundesrat wieder beim Parlament und seinen Kommissionen vorstellig werden. Das sei viel zu langsam - noch langsamer, als die Entscheide in der Pandemie ohnehin schon seien. Der rechten Ratshälfte wirft sie, ohne die Parteien zu nennen, vor: «Sie schiessen in die Luft.»
Mitte: «Wir sind gespalten»
Auf die Mitte wird es ankommen, ob die Turboöffnung per Gesetz und der Taskforce-Paragraph eine Chance haben oder nicht. Was also sagt ihr Fraktionssprecher?
Markus Ritter tritt ans Mikrophon. Er sagt, bei der Turböffnung sei die Mitte-Fraktion gespalten, die Mehrheit der Fraktion lehne es aber ab, ein Öffnungsdatum ins Gesetz zu schreiben. Ritter sagt aber, dass seine Fraktion kein Verständnis gehabt habe für die Position des Bundesrats im Terrassen-Streit mit den Bergkantonen. Die harte Linie, die der Bundesrat hier fuhr, erklärt einen Teil des Ärgers im Parlament.
SDA/red
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