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Erster Staatssekretär für Sicherheit
Er muss die Neutralität verteidigen – und stach die Favoritin aus

Jean-Daniel Ruch, der erste Schweizer Staatssekretär für Sicherheitspolitik, vor den Medien in Bern.
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Der erste Schweizer Staatssekretär für Sicherheitspolitik ist ein Liebhaber der Poesie. Zu seinem Amtsantritt zitiert er den französischen Dichter Joachim du Bellay: «Glücklich, wer wie Odysseus eine schöne Reise machte (...) Und wiederkam, erprobt und voller Weisheit, lang zu leben für den Rest nur im vertrauten Kreise.» Was Jean-Daniel Ruch damit sagen will: Er war lange weg. Aus der Schweiz und aus dem Gebiet der Sicherheitspolitik. Jetzt kommt er mit 60 zurück «zu meinen Wurzeln».

Künftig wird Ruch die Schweiz im Ausland in sicherheitspolitischen Fragen vertreten. Etwa bei der Nato. Auch – oder gerade – wenn es um die Neutralität geht. Auch die Schweizer Position zu Waffenlieferungen muss er erklären.

Viele in Bundesbern haben noch nie von Jean-Daniel Ruch gehört. Er hat Sicherheitspolitik studiert und Ende der 80er-Jahre drei Jahre im damaligen Militärdepartement gearbeitet. Aktuell ist er Botschafter in der Türkei, zuvor war er unter anderem in Israel stationiert.

Die Internationalistin blitzte ab

Schon lange vor Ruchs Ernennung gab die Personalie in Bundesbern auffällig viel zu reden. Im Bundeshaus ging das Gerücht um, Bundesrätin Viola Amherd habe die Stelle der Staatssekretärin eigens für Pälvi Pulli geschaffen. Pulli ist aktuell Chefin für Sicherheitspolitik, spricht sieben Sprachen und war bei internationalen Kontakten des Verteidigungsdepartements (VBS) oft dabei.

Pulli hat sich beworben (was offiziell vom VBS weder bestätigt noch dementiert wird), aber die Wahl fiel auf Ruch. Pulli bleibt laut Amherd weiterhin in einer «zentralen Rolle» im Departement. SP-Sicherheitspolitikerin Franziska Roth sagt, sie sei überrascht, dass es nicht Pulli geworden ist. «Sie hätte alle Qualifikationen mitgebracht, kennt das VBS sehr gut. Und sie weiss, was es heisst, Sicherheitspolitik auch mit der aussenpolitischen Brille zu sehen.»

Aus der SVP und ihren beiden Departementen – Wirtschaft und Umwelt – waren allerdings viele kritische Stimmen zu Pulli zu hören. Sie gilt als Internationalistin. Die Idee eines neuen Staatssekretariats für zivile Sicherheit kam im Wirtschaftsdepartement prinzipiell nicht gut an. Der geplante Aufgabenbereich «rechtfertigt absolut nicht die Schaffung eines Staatssekretariats», hiess es in der Ämterkonsultation aus dem Wirtschaftsdepartement, die diese Redaktion mittels Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte.

Auch anderswoher schlug Amherd Kritik entgegen, als sie den Vorschlag für das neue Staatssekretariat für Sicherheit erstmals einbrachte: eine Schwächung der Armee. Ein Tritt ins Gärtchen anderer Departemente. Und überhaupt: zu viele Unklarheiten, hiess es. Das Justizdepartement äusserte Kritik am Vorgehen: «Wir haben den Eindruck einer gewissen Hast in diesem Geschäft.» Derweil ergänzte das EDA Amherds Vorschlag zu den Kompetenzen des neuen Staatssekretariats wie folgt: «Die heutigen Zuständigkeiten und Kompetenzen der einzelnen Departemente bleiben dabei bestehen.» Amherds Leute mussten noch mal über die Bücher. Erst danach stimmte der Bundesrat dem neuen Staatssekretariat zu.

Als ein Journalist Amherd bei der Präsentation der Personalie auf das «Hickhack» um den neuen Posten anspricht, negiert sie es nicht: «Ich habe das zur Kenntnis genommen.» Bei Stellenbesetzungen gehe es ihr darum, die beste Person zu finden. Das sei Ruch.

Schweiz in mehreren Konfliktgebieten vertreten

Aufgrund der vielseitigen Kritik stellt sich allerdings auch die Frage, ob andere Departemente mit Ruch einen Kandidaten forderten, der nicht nur ein langjähriger EDA-Mann ist, sondern auch im Wirtschaftsdepartement und bei SVP-Kreisen gut ankommt.

Im Wirtschaftsdepartement wird Ruch als ausgewiesener Sicherheitsexperte gelobt – wegen seines akademischen Hintergrunds und weil er die Schweiz in mehreren Konfliktgebieten vertreten hat. Das klingt anders als bei Pulli.

Allerdings hatte ein SVP-Nationalrat dem parteilosen Ruch vor sechs Jahren öffentlich «separatistische Propaganda» vorgeworfen, weil er sich einst im Abstimmungskampf für die Schaffung des neuen Kanton Jura engagiert hatte. Ruch ist in Moutier aufgewachsen. Auf die Frage, wo er im letzten grossen innenpolitischen Konflikt der Schweiz stand, sagte Ruch: «Auf der Seite der Toleranz und des Friedens.»

Mauro Tuena, SVP-Nationalrat und Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission, sagt, er kenne Ruch zu wenig, um eine Einschätzung zur Person vorzunehmen: «Am wichtigsten ist aber, dass die Armee stark und eigenständig bleibt, trotz dieses neuen Staatssekretariats. Und dass Ruch die Neutralität nach aussen verteidigt.»

Angesprochen auf Neutralität und Waffenlieferungen, sagt Ruch vor den Medien, die Neutralität sei zentraler Teil der «soft Power» der Schweiz. Aber auch: «Im Angesicht eines Verbrechens ist niemand neutral.» In Bezug auf indirekte Waffenlieferungen in die Ukraine lässt er sich weniger in die Karten schauen als seine Chefin Amherd (die gern eine Lockerung der Regeln hätte). Er sagt lediglich: «Ich begrüsse die Debatte dazu im Parlament. Wie sie ausgeht, wird sich zeigen.» Das klingt eher nach Alain Berset als nach Viola Amherd.