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Vorteile des Schwitzens
Erst der Schweiss machte uns zu Menschen

Unser Hang zum exzessiven Schwitzen gehört zusammen mit dem aufrechten Gang und dem grossen Gehirn ganz oben auf die Liste der Eigenschaften, die dazu geführt haben, dass sich Homo sapiens durchsetzen konnte.
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Ob im schlecht klimatisierten Büro, beim Sport oder am Pool: Bei dem Sommerwetter klebt alles und beginnt früher oder später zu stinken. Unangenehm. Trotzdem sollten wir dies eigentlich zu schätzen wissen. Denn dem Hang zum exzessiven Schwitzen verdanken wir letztlich unser Menschsein. Richtig gelesen. Das effiziente Kühlsystem gehört ganz oben auf die Liste der Eigenschaften, die Homo sapiens von Tieren unterscheiden und die dazu geführt haben, dass sich unsere Vorfahren durchsetzen konnten. Unser Schweiss teilt sich dabei seinen Spitzenplatz mit dem aufrechten Gang, der Sprache und dem grossen Gehirn. Christoph Zollikofer, seit August emeritierter Professor für Anthropologie an der Universität Zürich, bestätigt: «Für die frühen Menschen war unsere leistungsstarke Temperaturregulation entscheidend.»

Für das tagaktive Leben in der Steppe unserer Vorfahren vor zwei Millionen Jahren brachte das Schwitzen nach Menschenart klare Vorteile insbesondere bei der Jagd. «Heute geht man davon aus, dass die frühen Menschen dadurch Beutetiere wie Antilopen über viele Stunden verfolgen konnten, bis diese erschöpft und überhitzt waren», erklärt Zollikofer. Dank dem Schwitzen waren die Menschen zwar nicht schneller als ihre Beutetiere, aber ausdauernder. Diese Art von Ausdauerjagd wird noch heute von traditionell lebenden Bevölkerungsgruppen im Süden Afrikas teilweise praktiziert.

Schwitzen könnte auch geholfen haben, nicht selber zur Beute zu werden. Die Frühmenschen konnten in der Hitze auf Nahrungssuche gehen, während Raubtiere, die für sie gefährlich waren, im Schatten Pause machten.

Schweissdrüsen hatten ursprünglich eine andere Aufgabe

Doch selbst wenn alles ganz anders gewesen sein sollte: Die effiziente Körperkühlung war auch notwendig, damit unser Denkorgan grösser werden konnte. «Das Gehirn alleine verbraucht ein Drittel der Energie», sagt Zollikofer. «Der Mensch hat einen Hochenergie-Stoffwechsel, der ohne Schwitzen gar nicht funktionieren würde.»

Das Schwitzen beim Menschen bewerkstelligen die sogenannten ekkrinen Schweissdrüsen. Diese hatten ursprünglich eine komplett andere Aufgabe. Bei den allermeisten Säugetieren sind sie auch heute fast ausschliesslich auf die Pfoten beziehungsweise – bei den Primaten – die Hand- und Fussflächen beschränkt. Dort benetzt das salzig-wässrige Sekret die Haut nur leicht und verbessert so den Halt. «Es entsteht eine Mikrofeuchtigkeit, die dank den Kapillarkräften für eine bessere Haftung sorgt», erklärt Zollikofer.

«Der Mensch hat einen Hochenergie-Stoffwechsel, der ohne Schwitzen gar nicht funktionieren würde.»

Christoph Zollikofer, Universität Zürich

Zahlenmässig bedeutender ist bei den Säugetieren die Gruppe der apokrinen Schweissdrüsen, die bei uns Menschen nur unter den Achseln, bei den Brustwarzen, im Genital- und Analbereich vorkommen. Sie sind wie die Talgdrüsen mit den Haarwurzeln (Haarfollikel) verbunden und bei den meisten Säugetieren über den ganzen Körper verteilt. Das Sekret ist dickflüssig und reich an Eiweissen und Lipiden. Auch diese apokrinen Schweissdrüsen haben eigentlich wenig mit der Kühlung des Körpers zu tun. Mit der Ausnahme von einigen Huftieren (Pferde, Kamele) verwenden die meisten Säugetiere andere Strategien, um eine Überhitzung zu vermeiden: Sie werden nachtaktiv, senken die Stoffwechselrate, steigern die Durchblutung der Haut, haben grosse Ohren, verringern die Sonneneinstrahlung oder hecheln.

Hadza in Tansania: Forscher vermuten, dass unsere Vorfahren auf ähnlich Art Ausdauerjagd betrieben wie heute traditionell lebende Bevölkerungsgruppen im Süden Afrikas.

Das änderte sich wahrscheinlich vor 30 bis 40 Millionen Jahren, als sich die Primaten in zwei grosse Gruppen aufzuteilen begannen. Darauf deuten vergleichende Untersuchungen bei lebenden Tieren. Damals entstanden die Neuweltaffen, die ausschliesslich auf dem südamerikanischen Kontinent leben, und die Altweltaffen, die bis heute die ekkrinen Schweissdrüsen über den ganzen Körper verteilt haben und damit auch zur Kühlung schwitzen – so gut es geht unter dem Fell. «Eine solche Umnutzung wie bei der Funktion der Schweissdrüsen ist für die Evolution ein sehr typischer Prozess», sagt Zollikofer.

Doch das Altweltaffen-Schwitzen ist noch weit entfernt von dem, was wir Menschen heute draufhaben. Die Anzahl und vor allem die Leistungsfähigkeit der Drüsen hat im Laufe der Evolution massiv zugenommen. Während bei vielen Altweltaffen das Verhältnis von apokrinen zu ekkrinen Schweissdrüsen bei 2:1 liegt, verschiebt sich dieses zu 1:1 bei unseren nächsten lebenden Verwandten, den Schimpansen und Gorillas. Gleichzeitig ist das Fell ausgedünnt worden.

Zehnmal mehr Schweissdrüsen als Schimpansen

Beim Menschen ist dies auf die Spitze getrieben. Bei uns sind praktisch alle zwei Millionen Schweissdrüsen auf der Körperoberfläche ekkrin. «Das sind rund zehnmal mehr als bei den Schimpansen», weiss Zollikofer. Haare haben wir überraschenderweise zwar gleich viele – die meisten jedoch nur verkümmert als Flaum. Eine wichtige Voraussetzung, dass die Kühlung überhaupt funktioniert: Nur so reicht die Luftzirkulation auf der Haut aus, damit die dem Körper entzogene Verdunstungswärme einen deutlichen Kühlungseffekt hat.

Wann genau dieser letzte Schritt zu unserem heutigen Schwitzen geschah, ist noch umstritten. Zollikofer schätzt, dass dies vor zwei Millionen stattfand bei der Entstehung von Homo erectus, aus dem auch der moderne Mensch Homo sapiens hervorging. Andere Forschende können sich vorstellen, dass bereits ein, zwei Millionen Jahre früher der Affenmensch Australopithecus vom Schwitzen profitieren konnte.

«Vieles bei der Evolution der Schweissdrüsen wird Spekulation bleiben, da diese nicht als Fossilien erhalten bleiben», sagt Zollikofer. Unbestritten ist aber: Wenn wir nicht so furchtbar stark schwitzen könnten, würde es uns Menschen gar nicht geben.

Dieser Artikel wurde erstmals am 1. August 2022 publiziert.

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