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Meinung

Analyse zum Krieg in der Ukraine
Erdogan irritiert mit seiner Schaukelpolitik zwischen Moskau und Kiew

Unter Freunden: Wladimir Putin empfängt den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (l.) in Sotschi. 
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Der Präsident reitet die Welle. Recep Tayyip Erdogan hat jüngst ein Abkommen über den Export ukrainischen Getreides vermittelt, weltweit bekam er Applaus. Die regierungsnahe Zeitung «Sabah» fantasierte siegestrunken von einem baldigen russisch-ukrainischen Waffenstillstand und einer glanzvollen Zukunft des türkischen Staatschefs: «Wenn er Putin zu Friedensgesprächen bewegt, hätte Erdogan den Friedensnobelpreis verdient.»

Das ist natürlich grober Unfug. Aber im ukrainischen Kriegsgetöse gewinnt der in Washington, Brüssel und Berlin so ungeliebte Staatschef an Gewicht. Er unterhält gute Beziehungen zu Kiew und zu Moskau, macht sich unverzichtbar. Man kann diese irritierende Schaukelpolitik als raffinierten Versuch eigenständigen Handelns einer Regionalmacht respektieren, die eben zwischen den Fronten verortet ist: Die Türkei muss mit Russland und mit dem Westen leben. Man kann Erdogans Politik aber ebenso als kaum verhohlene Quertreiberei eines Nato-Mitglieds verurteilen, das die Bündnistreue dem eigenen Vorteil unterordnet.

Die Türkei drängt auf den russischen Markt, den West-Unternehmen wegen der Sanktionen verlassen.

Nachdem Erdogan und Putin sich nun erneut getroffen haben, drängen sich Fragen auf. Will der «Friedenspräsident» auch dem Kreml Bayraktar-Drohnen verkaufen, die er schon der Ukraine liefert und die sich an der Front bewähren? Hat der Kreml indirekt Zustimmung signalisiert zur Syrien-Offensive, die Ankara plant, Moskau und Teheran aber bisher verhindern? Nach dem jüngsten Treff im russischen Badeort Sotschi kamen dazu nur offizielle Worthülsen. Angeblich haben die Staatschefs nicht über Waffengeschäfte gesprochen, auch zu Syrien gab es keine eindeutige Aussage. Glauben kann man all dem, man muss aber nicht.

Gesagt wurde, worüber man sich einig ist. Die Zusammenarbeit türkischer und russischer Unternehmen soll verstärkt werden. Die Türkei drängt auf den russischen Markt, den West-Unternehmen wegen der Sanktionen verlassen. Noch wichtiger ist, dass die Türkei für russisches Öl und Gas nun in Rubel zahlt statt in Dollar. Auch das russische Karten-Bezahlsystem Mir soll genutzt werden.

Putin füllt seine Kriegskasse mit den Gas-Rubeln auf, bastelt sich ein Dollar-freies Zahlungsmodell.

Was für ein Erfolg für Putin: Er füllt seine Kriegskasse mit den Gas-Rubeln auf, bastelt sich ein Dollar-freies Zahlungsmodell, weicht mit Erdogans Hilfe die Sanktionen auf. Dazu passt, dass die Türkei am nächsten Treffen der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SOC) teilnehmen wird. Das Autokratenbündnis neun asiatischer Staaten ist antiamerikanisch, antiwestlich, China und Russland sind die Big Shots dieser Anti-Nato.

Die Frage, ob der Präsident eines Nato-Staates bei solchen Machthabern in der richtigen Gesellschaft ist, hat Erdogan längst beantwortet: Die Türkei unterhält seit zehn Jahren Kontakt zur SOC. «Erdogan spielt dreifach über die Bande», meinte die spanische Zeitung «La Vanguardia». «Er unterstützt die Ukraine, stösst Russland nicht vor den Kopf und hält sich als Mitglied der Nordatlantischen Allianz an die Nato-Linie.»

So ist es allerdings nur auf den ersten Blick. Die Regionalmacht Türkei ist weder militärisch noch politisch noch wirtschaftlich eine global agierende Macht. Die USA, die EU und die Nato werden erneut die Frage nach der Zuverlässigkeit Ankaras stellen. Die Frage ist nicht, ob Präsident Erdogan sich übernimmt, sondern, wann.