Treffen in SotschiPutin und Erdogan vereinbaren engere Zusammenarbeit
Erneut treffen sich der türkische und der russische Präsident. Wirtschaftlich sind sich die beiden eher einig als militärisch.
Die beiden Staatschefs würden im russischen Sotschi keine gemeinsame Pressekonferenz geben, hatte der Kreml schon vor Beginn des Treffens klargestellt. Die Zeit der türkischen Delegation reiche nicht aus, hiess es aus Moskau. Vielleicht hatte Wladimir Putin auch einfach keine Lust auf den Auftritt zu zweit. Vor gut zwei Wochen hatte ihn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geschlagene 50 Sekunden warten lassen. Die Kameras liefen da bereits und filmten Putins genervte Miene.
Damals trafen sie sich mit Irans Präsident Ebrahim Raisi im «Astana-Format» in Teheran. Die drei Staatschefs sprechen regelmässig über den Syrienkonflikt, diesmal ging es auch um die Ukraine. Nur 17 Tage ist das her, die Themen zwischen türkischem und russischem Staatschef haben sich nicht verändert: Vermutlich spricht Erdogan über seinen Wunsch nach einer Offensive in Syrien, Putin über seinen Ärger über türkische Waffen in der Ukraine, beide über den brüchigen Waffenstillstand in der kaukasischen Region Bergkarabach, den Moskau und Ankara eigentlich garantieren wollten.
Putin lobt Pipeline Turk-Stream
In all diesen Konflikten stehen Erdogan und Putin auf gegnerischen Seiten, mal mehr, mal weniger deutlich. Gleichzeitig kooperieren sie in wirtschaftlichen und strategischen Fragen, in Sotschi soll es beispielsweise um Energiehandel und Waffenlieferungen gehen. Zu Beginn des Treffens hob Putin die Pipeline Turk-Stream hervor, TV-Bilder von der Begrüssung gab es dann doch. Im Gegensatz zu «allen anderen Richtungen für die Lieferungen unserer Kohlenwasserstoffe», sagte Putin in Sotschi, arbeite Turk-Stream «ordentlich, rhythmisch und ohne Ausfälle». Europa solle der Türkei dankbar dafür sein.
Das zwiespältige Verhältnis der beiden zeigt sich besonders deutlich an anderer Stelle – im Ukraine-Krieg. Die Türkei liefert Kiew Drohnen, hat Putins Fregatten die Passage durch den Bosporus untersagt. Das macht eine Verstärkung der russischen Kriegsflotte im Schwarzen Meer unmöglich. Anderseits schloss sich Ankara den Sanktionen nicht an.
Die Türkei pflegt regen Wirtschaftsaustausch, Russen sind die grösste Touristengruppe, bei Energielieferungen bleibt Ankara von Moskau abhängig. Bei all dem gibt Erdogan den Vermittler: Er hat das Abkommen für die ukrainischen Getreideexporte auf den Weg gebracht. Nun geht es darum, dieses auch durchzuhalten.
Erdogan will zwischen Russland und der Ukraine vermitteln
25 Millionen Tonnen Getreide sollen aus ukrainischen Häfen verschifft werden. Mit dem ersten Frachtschiff ist am Donnerstag gerade mal das erste Tausendstel davon auf den Weg gebracht worden. Inzwischen sind zwar drei weitere Frachter auf dem Weg. Trotzdem drängt die Zeit, die neue Ernte hat begonnen.
Es werde in Sotschi einen «Meinungsaustausch» darüber geben, wie der erste Transport gelaufen sei, sagte Peskow, man werde den «geschaffenen Mechanismus» bewerten. Erdogan ist daran interessiert, dass dieser dauerhaft funktioniert. Er hofft, die Kriegsparteien für einen Waffenstillstand an einen Tisch zu bekommen; aus Moskauer Sicht ein äusserst ambitionierter Wunsch.
Noch gegensätzlicher sind die Interessen im syrischen Bürgerkrieg: Erdogan will erneut einmarschieren und seine Sicherheitszone an der Grenze erweitern. Putin, der das Assad-Regime unterstützt, ist dagegen. Der Kreml warnte bereits vor den Konsequenzen einer solchen Aktion. Dass Putin sie dem Türken in Sotschi gestattet, ist unwahrscheinlich.
Die türkische Schaukelpolitik kommt Putin entgegen
Auch der Karabachkonflikt ist wieder aktuell, Erdogan unterstützt Aserbeidschan und Putin Armenien. Jedenfalls galt das jahrelang als Faustregel, bis Aserbeidschan 2020 den neuerlichen Krieg um die Exklave auch deswegen gewann, weil Putin es gewinnen liess. In der umkämpften Region leben vor allem Armenier. Nun sollen russische Friedenstruppen in den zurückeroberten Gebieten für Ordnung sorgen, was zuletzt immer schlechter gelang. Gleichzeitig ist Ankaras Rolle in der Region durch die Präsenz der russischen Soldaten in den Hintergrund getreten.
Es ist Erdogans Schaukelpolitik, die Putin vor allem entgegenkommt, wenn der türkische Präsident seine Nato-Partner damit nervt. Erdogan, der vor Wahlen steht, schiesst aus innenpolitischen Gründen quer bei der Aufnahme Finnlands und Schwedens in das Bündnis. Ausserdem hat er 2017 zum Ärger der USA das russische S-400-Luftabwehrsystem gekauft, auch das schwächt die Nato.
Würde Erdogan Moskau nun – wie angeblich von Putin gewünscht – zudem Bayraktar-TB2-Drohnen verkaufen, dürfte es lauten Streit mit den Staaten geben, welche die Ukraine mit Waffen unterstützen. Der türkische Hersteller Haluk Bayraktar versicherte kürzlich in einem CNN-Interview, er werde Russland nie beliefern.
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