Der Norweger Lucas BraathenEr ist der Mann der Extreme in der kleinen Welt des Skisports
Er trägt lackierte Fingernägel und designt Schmuck: Lucas Braathen fällt auf. Und könnte bald der grösste Konkurrent von Marco Odermatt werden.
Vor nicht einmal einem Jahr gab Lucas Braathen dieser Zeitung ein Interview und fand: «Ich brauche den Super-G, um um den Gesamtweltcup zu fahren – vielleicht nächstes Jahr? Das wäre krass!»
Nun ist es nicht so, dass Lucas Braathen seither eine Unmenge an Super-G absolviert hat, aber ein Resultat sticht heraus: Siebter in Beaver Creek in der zweitschnellsten Disziplin. Ziemlich krass für einen Techniker wie ihn. Braathen gilt nicht gerade als Raser im Weltcup, er ist mehr der Tänzer.
Man kann diesen siebten Rang also als Ansage deuten, auch in Richtung Marco Odermatts. Der Nidwaldner fährt die Konkurrenz gerade in Grund und Boden, schon 300 und mehr Punkte Vorsprung hat er in der Gesamtwertung. Geht es so weiter, wird er auch Ende dieses Winters eine grosse Kristallkugel ins WG-Zimmer stellen können.
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Aber gerade in Norwegen ist der Widerstand gross, natürlich in Person Aleksander Aamodt Kildes in den Speeddisziplinen, dann sind da die Techniker Henrik Kristoffersen, Atle Lie McGrath und eben Braathen, Jahrgang 2000, zweieinhalb Jahre jünger noch als Odermatt. In nicht allzu ferner Zukunft könnte er der grösste Konkurrent des Schweizers werden.
Lucas Pinheiro Braathen ist der moderne Athlet in einer Sportart, die ihre Traditionen so leidenschaftlich pflegt. Sein eher exzentrisches Auftreten gibt dieser Bergwelt eine neue Frische, sein Stil ist urban, seine Fingernägel sind lackiert, sein Englisch ist amerikanischer als das von einigen Amerikanern und die Sonnenbrillen – nun ja, sie fallen auch auf.
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Im Oktober veranstaltete Braathens Ausrüster Atomic einen Medientag. Mikaela Shiffrin war da, Sofia Goggia, Manuel Feller oder Aleksander Kilde, gewiss keine langweiligen Figuren in diesem Sport, aber niemand fiel mehr auf als Braathen in seinen riesigen Hosen und dicken Stiefeln. Nur das T-Shirt, das er trug, passte nicht ganz, es musste halt eines des Ausrüsters sein.
Auf seinen Stil angesprochen, blickte Braathen auf seine Hände und sagte: «Wahrscheinlich werden meine blauen Fingernägel nicht jedem Trainer gefallen, aber mein Weg zum Erfolg ist eben dieser.» Er habe einige Jahre gebraucht, um sich im Profisport wohlzufühlen, sich zum Beispiel so zu kleiden, wie er wolle. Im Sport wachse man in einem strikten System auf, erklärte er, nicht überall würden solche Dinge gern gesehen.
Braathen ist der Athlet, der aus diesem System ausbricht. In einer Videodokumentation von Atomic sagt er: «Ich wollte diese Seite von mir immer zeigen, aber ich hatte auch Angst davor, weil ich dachte, es würde Vorurteile über mich geben.» Inspiriert wurde er auf diesem Weg durch seine Schwester Nicoline, die schon im Kindesalter seine Kleider trug und mit Jungs rumhing, «es war ihr einfach egal, was andere dachten», sagt Braathen.
Er ist der «Rising Star» der FIS
Braathen ist Sohn einer Brasilianerin und eines Norwegers, er wollte einmal Fussballprofi werden. Mit seinem Vater, einem Freeskier, ging er auf die Piste, «ich war der Schlechteste, mit Abstand», sagt er, aber er sei willkommen gewesen. Mit neun schaffte er es ins Skigymnasium in Oslo. Heute ist er Profi und Schmuckdesigner, für seine Kollektion steht er gleich selbst Modell. In den Rennen trägt er stets ein Halstuch, als Hommage an die Freunde von früher, dank ihnen blieb er dem Sport treu.
Das hat sich ausbezahlt, Braathen gehört mit seinen 22 Jahren zur Weltspitze, einmal fiel er in dieser Saison aus, die restlichen Rennen beendet er in den Top 10, er gewann den Slalom von Val-d’Isère und den Riesenslalom von Alta Badia. Neben Landsmann Kristoffersen ist er damit der Einzige, der Odermatt in den letzten eineinhalb Saisons in dessen Paradedisziplin bezwang. Noch hat er nicht die Konstanz des Schweizers, das Niveau in den technischen Disziplinen ist aber schon gewaltig.
Im Gesamtweltcup liegt Braathen momentan auf Rang 5, noch befindet sich hinter seinem Namen ein Icon: «FIS Rising Star». In diese Wertung kommen Fahrer und Fahrerinnen, die jünger als 23 sind. Braathen führt sie deutlich an, Landsmann McGrath, zwei Tage jünger, folgt auf Rang 17 des Gesamtweltcups, Dritter ist der 21-jährige Italiener Filippo della Valle, auf Rang 45 klassiert. Auch das zeigt, wie weit Braathen schon ist.
Am Mittwoch steht Braathen beim Slalom von Garmisch am Start, danach geht es weiter in die Schweiz, für ihn ein Land der Kontraste. Hier erlebte er sowohl Tiefpunkt als auch Höhepunkt seiner Karriere. 2021 in Adelboden stürzte er schwer und musste danach lange pausieren. Ein Jahr später stand er wieder am Start, brach das Rennen aber vor dem Zielhang ab, weil er sich wegen seines Sturzes nicht imstande fühlte, diesen zu meistern.
Eine Woche später war er dann in Wengen der Grösste, weil er nach dem 29. Rang im 1. Lauf den Slalom gewann. Es war der zweite seiner nun vier Weltcupsiege und der bis heute emotionalste. Er sagte danach: «Die Schweiz brachte mich zu Fall, aber ich kriegte meine Revanche.»
Lucas Braathen ist ein Mann der Extreme, zumindest in der kleinen Welt des Skisports. Die extremste Disziplin aber, die Abfahrt, die will er sich nicht auch noch antun, zu gross ist die Angst davor, sich erneut zu verletzen – eine gute Nachricht für Marco Odermatt.
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