Riesenslalom in AdelbodenEin Norweger irritiert mit Aufgabe – und erinnert an Gut-Behrami
Im Vorjahr stürzte Lucas Braathen am Chuenisbärgli fürchterlich. Nun schwingt er trotz guter Zwischenzeit vor dem Zielhang ohne Not ab. Weil er im Kopf nicht bereit ist.
Er fährt, Vollgas, liegt gut im Rennen. Eine Minute schon ist Lucas Braathen unterwegs. Dann kommt der Zielhang, dieser «Saucheib», wie ihn etwa Marco Odermatt nennt. Statt hineinzufahren in diese steile Passage, das Fahnenmeer und die johlenden Zuschauer vor Augen, stellt der Norweger die Ski quer, schwingt ab – so, als würde er für einen Kaffee im Bergrestaurant einkehren wollen. Es staunt der Fachmann, und der Laie wundert sich.
Dreimal, viermal, fünfmal greift er danach zum Handy, er telefoniert mit den Liebsten daheim, es herrscht Erklärungsbedarf. Bevor er die Arena verlässt, sagt er: «Eigentlich ist nichts passiert.»
Wie bei Gut-Behrami
Nun ja, aussergewöhnlich ist es schon, wenn ein Fahrer einfach so seinen Lauf abbricht, ohne ersichtlichen Grund, ohne Not vor allem. Ähnliches fabrizierte im vergangenen März Lara Gut-Behrami am Weltcupfinal in Lenzerheide. Ebenfalls im Riesenslalom schwang sie tatsächlich schon nach dem zweiten Tor ab, und wie im Fall von Braathen dauerte es nicht lange, bis eifrig spekuliert wurde. Bei der Tessinerin wurde ein Protest für möglich gehalten, als Reaktion auf die schlechten Pistenverhältnisse, die damals zur Absage der Speedrennen geführt hatten. Letztlich aber meinte Gut-Behrami, sie habe einfach nicht mehr genug Kraft und Spannung gespürt am Ende einer langen und anstrengenden Saison.
Bei Braathen kommt schnell der Verdacht auf, dass er mental nicht bereit war für den Zielhang. Letzten Winter war der 21-Jährige unmittelbar nach der Zieldurchfahrt fürchterlich gestürzt. Er überschlug sich, prallte hart mit dem Kopf auf. Die Konkurrenten reagierten geschockt, Braathens Knie war kaputt, er fiel monatelang aus.
Auf Nachfrage meint der Sölden-Sieger von 2020: «Ich habe keine Schmerzen. Aber in zwei Kurven nacheinander spürte ich, dass mein Knie nicht stark genug ist. Der Gedanke kam auf, dass es nicht gut gehen könnte. Wer in den Zielhang einfährt, muss voll überzeugt sein von sich. Sonst geht es nicht.»
«Dafür schäme ich mich nicht»
Braathen aber gibt zu, dass nicht nur das Physische, sondern auch die Psyche mitgespielt habe. «Ich habe schlimme 24 Stunden hinter mir, hatte viele unschöne Gedanken, auch Zweifel. Und ich habe kaum geschlafen.» Die Bilder des Unfalls seien wieder hochgekommen, «ich konnte diese Gedanken im Lauf zwar lange ausblenden. Aber auf einmal war alles wieder da.»
Braathen sagt, er habe Angst gehabt. «Dafür schäme ich mich nicht. Ich bin glücklich und werde morgen wieder Skifahren können. Ich bin stolz auf den Entscheid, auch wenn das Ganze natürlich verrückt aussieht. Den heutigen Tag betrachte ich als Investition in meine Karriere.»
In den beiden Riesenslaloms vom Vorjahr waren 38 Fahrer ausgeschieden, mehrere Athleten verletzten sich schwer. Die Rennen waren sehr schnell und direkt gesetzt, Kritik blieb nicht aus. Nun dreht der Parcours deutlich stärker, und die Fahrzeit ist fast zehn Sekunden länger.
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