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Nachruf auf Pascal Mercier
Er hasste die Enge Berns – und machte die Stadt gross

Peter Bieri alias Pascal Mercier, der mit «Nachtzug nach Lissabon» weltweit ein Millionenpublikum begeisterte, ist Ende Juni in Berlin gestorben.

In Peter Bieris Romanen vereinen sich philosophische Grundfragen und schriftstellerische Fabulierfreude. Dabei versuchte er selbst, den Philosophieprofessor strikt vom Romancier zu trennen. Deshalb erschienen seine ersten schriftstellerischen Werke – «Perlmanns Schweigen» (1995) und «Der Klavierstimmer» (1998) – unter einem Pseudonym: Pascal Mercier. Es setzt sich zusammen aus dem Nachnamen des französischen Philosophen Blaise Pascal und dem des französischen Autors Louis-Sébastien Mercier. 

Peter Bieri erklärte seine Lust aufs Geschichtenerfinden in dieser Zeitung einmal damit, dass er als Schriftsteller bedrängende Fragen aufwerfen könne, die er nicht beantworten müsse. In akademischen Schriften war ihm das nicht erlaubt. Das Erzählen sah der gebürtige Berner auch als Ort der Zuflucht: «Ich bin nie so sehr bei mir selbst, wie wenn ich schreibe und mich ganz der Logik meiner Fantasie überlasse. Das ist die gegenwärtigste Gegenwart, die ich kenne.»

Als er das im Jahr 2004 sagte, hatte er sein erfolgreichstes Buch «Nachtzug nach Lissabon» gerade veröffentlicht. Es handelt vom Berner Altphilologen Raimund Gregorius, der nach einer zufälligen Begegnung mit einer Portugiesin auf der Kirchenfeldbrücke beschliesst, sein Leben zu ändern. Das Buch wurde millionenfach verkauft und in über 40 Sprachen übersetzt. Zwar ist es sprachlich eher konventionell, dafür begeistert die Vielschichtigkeit der Geschichte, die Gregorius über die Faszination für andere zu sich selbst führt. 

Aus Bern geflüchtet

Die Parallelen zwischen Autor und Protagonist sind offensichtlich: Peter Bieri besuchte als Jugendlicher das Gymnasium Kirchenfeld, an dem Gregorius unterrichtet. Auch er studierte zunächst Altphilologie, brach allerdings ab, zog nach London und absolvierte später im deutschen Heidelberg ein Studium in Philosophie. Er wurde Professor an der Freien Universität Berlin und verfasste in diesem Rahmen das allgemein verständliche Philosophiewerk «Das Handwerk der Freiheit» (2001).

Peter Bieri betonte in Interviews immer wieder, dass ihn die Enge Berns und die Kleingeistigkeit seiner Familie als Jugendlichen belastet hätten. Schon mit 19 Jahren verliess er deshalb seine Heimatstadt und kehrte nie mehr zurück. Mit ein Grund dafür war auch, dass er sich vor dem Militärdienst drücken wollte: «Ich stand bei der Aushebung auf der Allmend und wurde ohne Grund von einem Unteroffizier angeschrien. Da wusste ich: Das machst du nicht mit.»

Trotz dieser negativen Erlebnisse zeigte er in «Nachtzug nach Lissabon» seine Verbundenheit zu Bern, indem er entscheidende Szenen an lokalen Plätzen ansiedelte. Nach der Begegnung auf der Kirchenfeldbrücke hinterlässt ein Besuch im Buchantiquariat am Hirschengraben einen entscheidenden Eindruck bei Gregorius. Das geschilderte Antiquariat gab es dort tatsächlich bis 2011.

Zudem hat Peter Bieri der Bundesstadt unabsichtlich zu Glamour verholfen: 2013 brachte die Verfilmung seines Bestsellers Bern in die internationalen Kinos. Für die Dreharbeiten war Hollywoodstar Jeremy Irons nach Bern gekommen, auch Schauspielgrössen wie Bruno Ganz und Charlotte Rampling machten mit. Der Autor selbst war mit dem Film zwar zufrieden, fand die Dialoge zum Teil aber «entsetzlich banal», wie er in einem Radiointerview verriet. 

Zerbrechlichkeit als Lebensthema

An seinen Erfolg mit «Nachtzug nach Lissabon» konnte er später nicht mehr anknüpfen. Die Novelle «Lea» (2007) und sein letztes Buch «Das Gewicht der Worte» (2020) konnten sich dem Kitsch-Verdacht nicht ganz entziehen. Dabei ging es dem Autor letzten Endes immer um ein ähnliches Thema: die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz. 

Am 27. Juni ist Peter Bieri im Alter von 79 Jahren in seiner Wahlheimat Berlin gestorben, wie sein Verlag Hanser am Dienstag mitteilte. Sein Verleger Jo Lendle schreibt: «Peter Bieri hat ein Leben lang gezeigt, wie sich Gedanken und Geschichten gegenseitig beflügeln: Der Philosoph hat vom Erzähler gelernt – und umgekehrt bringen seine Romane die grossen Menschheitsfragen zum Leben.»