Höhere Boni bei den BritenAusgerechnet Topbanker sollen vom Brexit profitieren
London schafft die Obergrenze für Banker-Boni ab. Das wird Premier Rishi Sunak allerdings nicht dabei helfen, aus dem Umfragetief zu kommen. Ganz im Gegenteil.
Wer verstehen will, warum Grossbritannien nun die Obergrenze für Banker-Boni abschafft, muss ein gutes Jahr zurückspulen. Damals, im Herbst 2022, regierte eine Frau in Downing Street, die ihrem Land nicht weniger als ein Wirtschaftswunder versprochen hatte: Liz Truss. Sie wollte ein Land mit niedrigen Steuern, hohem Wachstum und maximaler unternehmerischer Freiheit. Doch nach nicht mal 50 Tagen musste Truss zurücktreten. Es war nicht nur die kürzeste Amtszeit in der langen Geschichte britischer Premiers, es war auch die unnötigste.
Truss hatte dem Vereinigten Königreich mit ihrer ideologisch motivierten Wirtschaftspolitik einen gewaltigen Schaden zugefügt. Sie löste ein Chaos an den Finanzmärkten aus, das die internationale Reputation Grossbritanniens immens beschädigte. Es dauerte einige Zeit, bis ihr Nachfolger Rishi Sunak wieder für Stabilität sorgte. Das gelang ihm, weil er so gut wie alle Vorhaben von Truss zurücknahm. Von den wenigen, die übrig blieben, ist die Sache mit den Banker-Boni die plakativste: Vom 31. Oktober an sind wieder Bonuszahlungen in unbegrenzter Höhe erlaubt.
Indem Sunak dieses Überbleibsel abschafft, kann er das verkünden, was ansonsten äusserst rar gesät ist: einen Brexit-Benefit.
Über den Sinn und Unsinn dieser Entscheidung lässt sich lange streiten, fest steht jedenfalls: Die Regierung in London streicht den sogenannten bonus cap in erster Linie nicht, weil sie ökonomisch davon überzeugt wäre. Sie tut das vor allem aus ideologischen Gründen. Die Boni-Obergrenze stammt nämlich aus der Zeit, als Grossbritannien noch EU-Mitglied war. Indem Sunak dieses Überbleibsel abschafft, kann er das verkünden, was ansonsten äusserst rar gesät ist: einen Brexit-Benefit. Aus Sicht des Premiers steht die Abschaffung der Boni-Obergrenze sinnbildlich dafür, wie sein Land sich endlich entfalten kann. Quasi frei von den Fesseln der EU-Bürokratie.
Die britische Finanzaufsicht begründet die Kappung der Boni-Grenze damit, dass diese «unbeabsichtigte Folgen» gehabt habe. Weil Sonderzahlungen auf das Doppelte des Jahresgehalts begrenzt worden sein, hätten die Banken letztlich die Festgehälter erhöhen müssen. Die Folge: Wenn der Grundlohn den grössten Teil der Vergütung ausmache, hätten die Banken weniger Spielraum, die Gehälter bei schlechter Leistung oder Fehlverhalten anzupassen.
Der Premier will seine Tories nicht verärgern. Das ist verständlich.
Das stimmt. Doch am Ende geht es doch darum, ob die Boni-Grenze den Finanzplatz geschwächt hat. Das ist erkennbar nicht der Fall. London kann es noch immer mit Wettbewerbern wie New York oder Singapur aufnehmen. Wer mit den Chefs britischer Grossbanken spricht, erfährt ohnehin, dass die Meinungen auseinandergehen. Die einen halten eine Obergrenze per se für Teufelszeug, die anderen können ganz gut damit leben.
Dass Sunak im Jahr vor der nächsten Unterhauswahl keine Anstalten macht, die Boni-Frage öffentlich zu thematisieren, zeigt vor allem: Er hat kein Interesse daran, den Zorn von Liz Truss und anderen Parteifreunden auf sich zu ziehen, die ihn sowieso für zu EU-freundlich halten. Der Premier will seine Tories nicht verärgern. Das ist verständlich.
Gesellschaftspolitisch ist die Kappung der Boni-Grenze hingegen ein fatales Signal. Viele Menschen tun sich angesichts der hohen Inflation schwer damit, ihre Rechnungen zu bezahlen. Und genau in diesen Zeiten tut der Premier all jenen einen Gefallen, die sehr gut verdienen. Dabei würde die Mehrheit der britischen Boni-Banker den ehemaligen Investmentbanker Sunak vermutlich so oder so wählen. Diejenigen allerdings, die nicht in den Genuss von Boni kommen, dürften sich jetzt eher vom Premier abwenden. Derzeit liegen seine Tories je nach Umfrage zwischen 10 und 20 Prozent hinter Labour. Die Kappung der Boni-Obergrenze wird daran nichts ändern.
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