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Von Kopf bis Fuss: Krieg und Psyche
Engagement tut gut!

Tröstender Aktivismus:Teilnehmerin an der Friedensdemonstration für Ukraine in Zürich.
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«Jeder Krieg ist eine Niederlage des menschlichen Geistes.»

Henry Miller, amerikanischer Schriftsteller

Zugegeben, es ist nicht einfach, sich angesichts des Elends und der Bedrohung, die uns momentan umgibt, nicht mutlos und ängstlich zu fühlen. 

Kaum konnten wir nach den energieraubenden Corona-Zeiten etwas neuen Atem schöpfen – schon stecken wir in der nächsten Krise. Einer Krise, deren Dimension sich die meisten Menschen nie hätten vorstellen können. Aber eigentlich war das ja auch schon bei Covid-19 so. Offenbar müssen wir lernen, in unberechenbaren Zeiten zu leben und zu überleben. Genauso wie das Virus nie ganz verschwinden wird, wird es auch immer Kriege geben, und dies nicht nur in weiter Ferne, sondern unerwartet auch in unserer Nähe. Was dazu führt, dass wir nicht mehr fähig sein werden, diese Auseinandersetzungen zu verdrängen.

Ähnlich wie Corona wird wohl auch Putins Krieg in der Ukraine eine lang anhaltende Schockwirkung haben, die einerseits ein Gefühl von Hilflosigkeit, aber auch eine unglaubliche Wut auslöst. Während es bei Corona immerhin möglich war, sich durch gewisse Massnahmen zumindest teilweise zu schützen, gibt es leider keinen Impfstoff gegen das Virus namens Putin. 

Plötzlich verstehe ich meinen Vater besser

Je nachdem, zu welcher Generation wir gehören und welche Erfahrungen wir mit Kriegen in Europa gemacht haben, gehen wir anders mit den aktuellen Geschehnissen um. Während viele meiner Generation die Jugoslawienkriege und den Zerfall des Staates noch gut nachvollziehen können, sind diese Ereignisse für die Generation Z Neuland. Bei vielen alten Menschen kommen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg auf. Wir vergessen nur zu gerne, dass dieser noch keine 80 Jahre zurückliegt. 

Mein Vater ist schon seit beinahe 20 Jahren tot, doch wenn er mir jeweils von seiner Aktivdienstzeit erzählte und von seinen Ängsten, hatte ich immer das Gefühl, eine uralte Geschichte zu hören, die keinerlei Bezug zu meiner Realität hatte. Heute verstehe ich meinen Vater und seine Ängste viel besser. Und es macht mich traurig, dass ich ihm das nicht mehr sagen kann. 

Wie im Schlechten, so scheinen auch im Guten plötzliche Dinge möglich, die wir nie erwartet hätten.

Dass wir uns für sie engagieren, hilft nicht nur den Betroffenen, auch unsere Psyche kann davon profitieren. Diese Auffassung teile ich mit vielen Menschen aus meinem Umfeld. Denn nichts fühlt sich für mich in schwierigen Situationen schlimmer an, als untätig zu sein und in Mutlosigkeit zu versinken. Auch wenn der eigene Beitrag, den man leistet, einem vielleicht unbedeutend erscheint: Es ist die Summe von allem, die Veränderungen schaffen kann. 

Wie im Schlechten, so scheinen auch im Guten plötzliche Dinge möglich, die wir nie erwartet hätten. Wer hätte gedacht, dass so viele Menschen für einmal ihren sozialen, politischen oder gesellschaftlichen Hintergrund hintanstellen, um weltweit an riesigen Demonstrationen eine gemeinsame Message kundzutun: «Stoppt den Krieg!»

Was mir in diesen Zeiten guttut

Wie man mental durch diese Zeiten geht, ist sicher individuell. Ich habe gemerkt, dass es mir guttut, aktiv zu werden und mich beispielsweise finanziell bei einer ukrainischen Kollegin zu engagieren, die die Spenden dann in ihre Heimatstadt überweist. Wichtig ist auch der Austausch mit anderen und sei es auch nur, um Dampf abzulassen. Aber ich achte auch bewusst darauf, Zeiten zu haben, in denen ich mich nicht mit dem Krieg beschäftigte. 

Auch hier entdecke ich Parallelen zu den akutesten Corona-Zeiten. Auch damals war ich quasi mit meinem Handy verwachsen und checkte nonstop die News, was mich mit der Zeit allerdings immer mehr verwirrte, da ich mich von der Informationsflut erschlagen fühlte. Heute ist es weniger die Fülle der Informationen – die auch nicht immer klar einzuordnen sind –, sondern die Bilder und Videos aus dem Kriegsgebiet, vor denen ich mich im gewissen Sinne schützen muss. Ich kann mir auch ohne diese Bilder vorstellen, welch schreckliches Leid die Menschen in der Ukraine erleben.

Es mag klischiert tönen, aber gerade jetzt merke ich einmal mehr, wie wichtig es für mich ist, mir immer wieder einmal etwas Gutes zu tun. Denn nur so bin ich fähig, neue Kraft zu tanken für alles, was vor mir und uns liegen wird. Ein Zoobesuch mit meinem Grossneffen, meine Lieblingsmusik im Ohr, ein gutes Buch oder ein spannender Film helfen mir, für ein paar Stunden nicht nur Abstand zu den aktuellen Ereignissen zu finden, sondern auch neuen Mut zu schöpfen. Dieser Mut ist es dann auch, der mir hilft, meine Ängste zu überwinden.

Der Anblick der Blütenzweige, die ich heute gekauft habe, erinnert mich daran, dass die frostigen Zeiten, die momentan herrschen, vorübergehen werden. Der Frühling wird kommen. Und damit hoffentlich auch wieder friedlichere Zeiten.