Kommunales VetorechtWie Martin Neukom die Windkraftgegner ausmanövrieren will
Der grüne Baudirektor will im Kanton Zürich Windräder auch gegen den Willen der Standortgemeinden ermöglichen – und pulverisiert so ein Versprechen von Albert Rösti.

Will eine Gemeinde kein Windrad, kriegt sie auch keines: Mit diesem Versprechen hat Albert Rösti letztes Jahr für das Stromversorgungsgesetz geworben. Mit Erfolg. Das Stimmvolk befürwortete die Vorlage, dank der die Schweiz rasch mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen produzieren kann.
Was der SVP-Bundesrat ebenfalls gesagt hat, im Abstimmungskampf aber untergegangen ist: Die Kantone haben ihre eigene Gesetzgebung. Und gewichten das nationale Interesse am Ausbau der Windkraft teils höher als lokale Opposition. Zum Beispiel in St. Gallen, wo der Stromkonzern Axpo in den Flumserbergen einen Windpark plant. Und auch im Kanton Zürich gibt es kein kommunales Vetorecht. SVP und Mitte wollen das ändern. Der grüne Regierungsrat Martin Neukom dagegen bezeichnet dieses Instrument als «demokratiepolitisch verfehlt».
So sehen es auch die Luzerner. Die Stimmberechtigten des Innerschweizer Kantons konnten im letzten Herbst entscheiden, ob sie die Windenergie forcieren und dafür eine Beschneidung der Gemeindeautonomie in Kauf nehmen wollen. Das Verdikt war ein klares Ja – und kam nicht überraschend: Dass die Schweiz mit Blick auf die Pariser Klimaziele die erneuerbaren Energien ausbauen muss, ist im Grundsatz unbestritten.
Komplizierter wird es, wenn es um konkrete Vorhaben geht. Beispielhaft gezeigt hat sich das in Thundorf. Die Stimmbevölkerung der Thurgauer Gemeinde konnte unlängst über einen Windpark auf ihrem Gebiet befinden – und versenkte ihn wuchtig. Ein Entscheid mit Signalwirkung: Bereits vor der Abstimmung hatte der Thurgauer Regierungsrat angekündigt, der Kanton müsse im Fall einer Ablehnung einen Marschhalt einlegen, weil «wir in der Windenergie ohne die Bevölkerung vor Ort nicht weiterkommen».
Ein solches Szenario möchte Neukom in Zürich verhindern. Beim kantonalen Stimmvolk – wie in Luzern – ein grundsätzliches Bekenntnis zu einem rascheren Ausbau der Windenergie einzuholen, ist politisch viel weniger riskant als die Unsicherheit, die viele kommunale Abstimmungen über geplante Windparks mit sich bringen. Diese Taktik ist nachvollziehbar, die Klima- und Energieziele lassen sich so eher erreichen.
Und was ist mit dem Atom-Tiefenlager?
Doch der grüne Magistrat betritt damit heikles Terrain. Das Mitspracherecht der Schweizer Gemeinden ist im internationalen Vergleich stark ausgeprägt. Speziell in der Deutschschweiz herrscht vielerorts das direktdemokratische Ideal vor, wonach das Volk bei wichtigen Entscheiden das letzte Wort haben soll und die Entscheide möglichst nah an der direkt betroffenen Bevölkerung gefällt werden.
Das kommunale Vetorecht offen als «demokratiepolitisch verfehlt» zu betiteln, wie es Neukom tut, ist vor diesem Hintergrund gewagt: In konservativ-ländlichen Kreisen dürften solche Aussagen den Abwehrreflex gegen das aus ihrer Sicht grüne Diktat aus Zürich nur noch verstärken.
Schliesslich riskiert Neukom mit seiner dezidierten Ansage einen Zwist unter Freunden, und das bei einem ebenso strittigen Thema: dem geplanten Tiefenlager im zürcherischen Stadel. Links-grüne Politiker haben in der Vergangenheit wiederholt, aber erfolglos ein kantonales Vetorecht verlangt: Einer Standortregion ein Atommülllager aufzuzwingen, sei demokratisch nicht vertretbar.
Solchen Forderungen muss der grüne Magistrat nun entgegentreten, wenn er konsequent bleiben will. Denn ein Tiefenlager ist sicherlich ebenso von nationaler Bedeutung wie Windräder.
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