Analyse zum US-SteuervorstossEndlich werden die Tech-Konzerne zur Kasse gebeten
US-Finanzministerin Janet Yellen und Joe Biden gehen ein drängendes Problem an: die unversteuerten Gewinne im Silicon Valley. Das ist gut – auch für die Schweiz.
Amerika wendet sich wieder der Welt zu. Präsident Joe Biden macht diese Botschaft immer wieder aufs Neue klar. In diesem Sinne hat Finanzministerin Janet Yellen bei ihrer ersten grossen internationalen Rede versichert, dass eine stabile und prosperierende Weltwirtschaft im ureigenen amerikanischen Interesse liege.
Eigentlich ist der Satz eine Selbstverständlichkeit, aber während der vier Trump-Jahre war er eben nicht selbstverständlich. Kurz vor Beginn der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank setzte sie sich zudem sehr klar für eine globale Mindeststeuer ein, die grosse, international operierende Firmen zahlen sollen. Die Chancen sind gross, dass es zu dieser Steuer tatsächlich kommen wird.
Für die Weltwirtschaft ist das ein Einschnitt, dessen Bedeutung man kaum überschätzen kann. Schon lange ist es ein Ärgernis, dass grosse internationale Digitalkonzerne durch das Jonglieren mit Firmensitzen und unterschiedlichen Rechtssystemen ihre Steuerlast minimieren können. Mit dem Ergebnis, dass ein durchschnittliches Schweizer KMU im Verhältnis oft mehr Steuern zahlt als Weltkonzerne wie Google oder Facebook.
Hinter Yellens Vorstoss steckt das Eigeninteresse der Regierung in Washington. Biden setzte erst ein Konjunktur- und Wiederaufbauprogramm von 1,9 Billionen Dollar auf, das die gesamte Weltwirtschaft nach oben zieht. Jetzt soll ein Infrastrukturprogramm von 2 Billionen Dollar oder mehr dazukommen.
Für Europa und die Schweiz ist der Kurswechsel der USA eine historische Chance.
Während das erste Programm über Schulden finanziert werden soll, will Biden zur Finanzierung des zweiten die Unternehmenssteuer von 21 auf 28 Prozent erhöhen. Der Schritt ist hoch umstritten, aber kommt unter Umständen leichter durch den Kongress, wenn eine globale Mindeststeuer die Sorge verringert, die Unternehmen könnten wegen zu hoher Steuern gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligt werden.
Für Europa und die Schweiz ist der Kurswechsel der USA eine historische Chance. Im digitalen Zeitalter, in dem niemand mehr genau sagen kann, an welchem geografischen Ort genau eine Dienstleistung erbracht wird, ist eine gleichmässige, effiziente Besteuerung von Unternehmen nur international möglich. Die Mindeststeuer soll den Wettbewerb der Steuersysteme zwischen Staaten weiter ermöglichen, aber einen Wettlauf der Steuersätze nach unten verhindern. Es wäre nicht das Ende der Steueroasen, würde deren Bedeutung jedoch minimieren.
Nach dem Ende der Pandemie wird die Rolle des Staates in den westlichen Volkswirtschaften viel grösser sein als zuvor. Schon heute ist die Schuldenlast der Vereinigten Staaten im Verhältnis so hoch wie am Ende des Zweiten Weltkriegs.
Man sollte Janet Yellen beim Wort nehmen.
Niemand weiss, ob die massive Neuverschuldung in der Pandemie nicht doch zu Inflation und höheren Zinsen führen wird. Die westlichen Demokratien sind gezwungen, sich mit der immer aggressiveren Konkurrenz des chinesischen Staatskapitalismus auseinanderzusetzen. Gleichzeitig bleibt die Versuchung von Nationalismus und Protektionismus immer gegenwärtig, auch in dem Buy-American-Programm Bidens.
In dieser Umbruchsituation, einen verlässlichen internationalen Rahmen für die Besteuerung global operierender Unternehmen zu haben, ist viel wert. Man sollte Janet Yellen beim Wort nehmen.
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