Nach kontroverser Aussage im TVFrisch gewählter SVP-Nationalrat strapaziert die Nerven der Partei
In einer Debattensendung des Westschweizer Fernsehens bezeichnete Thomas Stettler seine Partei als «xenophob, aber nicht rassistisch». Ein Parteikollege nennt ihn nun einen «Dummkopf».
Er war eine der Überraschungen bei den Nationalratswahlen: Thomas Stettler, 54 Jahre alt, verheiratet, Vater von sechs Kindern, Landwirt aus Courroux im Kanton Jura mit Deutschschweizer Wurzeln. Stettler gewann für die SVP den Parlamentssitz in Bundesbern zur¨ück, den seine Partei 2011 verloren hatte. Er überrascht auch nach den Wahlen. Vor allem aber strapaziert er die Nerven seiner Parteikollegen.
Frisch gewählt, sass der Jurassier mit anderen Neugewählten in der Debattensendung «Infrarouge» im Studio des Westschweizer Fernsehens RTS. Das Thema: «Einwanderung, Identität, Armut: Welche Ängste landeten in den Wahlurnen?» Stettler betonte, die Schweiz sei wegen der Zuwanderung bald eine einzige Stadt innerhalb von Europa. Die anderen Neugewählten widersprachen Stettler und nahmen den Landwirt aus dem Jura immer weiter in die Mangel.
Kein Fehler, nur Angst
Kurz vor dem Ende der Sendung verlor Stettler die Contenance. Er schimpfte, er toleriere es nicht, wenn man die SVP als «rassistisch» bezeichne. Die SVP sei «vielleicht xenophob». Xenophobie bedeute, «Angst vor Ausländern» zu haben, so Stettler. Das wiederum sei «kein politischer Fehler, sondern eine Angst». Es sei eine Art Phobie, die man nicht heilen könne, so der Jurassier.
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Die Politikerinnen und Politiker im Fernsehstudio waren perplex. Sie wussten nicht, ob sie Stettler nun zu seiner Äusserung gratulieren oder ihn für sein Eingeständnis kritisieren sollten.
Perplex dürften auch Stettlers SVP-Kollegen gewesen sein, die sich «Infrarouge» zu Hause auf ihren Sofas anschauten. Jedenfalls holte der Genfer Anwalt Charles Poncet, ebenfalls neu gewählter SVP-Nationalrat, am Mittwoch zum Gegenschlag aus. Er stellte Thomas Stettler im Lokalfernsehen Léman Bleu nicht nur bloss, er beschimpfte ihn regelrecht.
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Auf Stettlers Auftritt angesprochen, sagte Poncet: «Idioten gibt es überall. Der Typ, der heute in ein Fernsehstudio kommt und sagt, wir seien eine xenophobe Partei, ist ein Dummkopf.» Mehr gebe es dazu nicht zu sagen. Parteien hätten halt «Vertreter, die von Zeit zu Zeit Dummheiten sagen». Damit war das Thema für den Genfer Anwalt erledigt. Und für Stettler?
Stettler versuchte in den letzten Tagen verzweifelt zu retten, was für ihn noch zu retten war. Denn nicht nur Vertreter seiner eigenen Partei wie Charles Poncet attackieren ihn, heftige Kritik kam auch von linken Politikern in seinem Heimatkanton Jura. Als ein Journalist vom Nachrichtenportal Lematin.ch ihn auf seinen Auftritt ansprach, liess Stettler den Journalisten gar nicht erst ausreden. Er unterbrach ihn, bevor er das Wort «xenophob» ausgesprochen hatte. Stettler sagte: «Stopp! Ich werde dieses Wort nie wieder aussprechen. Es hat eine extrem negative Konnotation, während ich genau diese Angst vor fremden Kulturen nehmen will.»
«Auf dem Bauernhof, auf dem ich aufwuchs, haben Türken, Kosovaren, Jugoslawen, Portugiesen gearbeitet.»
Für den Jurassier ist alles ein Missverständnis, das er auch mit seiner Zweisprachigkeit erklärt, wobei Deutsch seine Muttersprache ist. Französisch hat er erst später gelernt. «Eine Phobie sollte uns nicht leiten», sagte er im Interview weiter. Sein politisches Handeln sei «davon geprägt, denjenigen zuzuhören, die Angst vor dem Fremden haben». Und sowieso hätten auf dem Bauernhof, auf dem er aufgewachsen sei, immer ausländische Angestellte gearbeitet. «Türken, Kosovaren, Jugoslawen, Portugiesen», zählt Stettler auf. Und er betont: «Ich habe mit ihnen mittags und abends gegessen! Sie wurden alle gut behandelt, mit viel Respekt. Manche blieben 20 Jahre lang!»
Seinen Wahlkampf hatte Stettler auf seine Art geführt. Er machte nicht in den sozialen Medien auf sich aufmerksam, sondern ging unter anderem von Haustür zu Haustür und verteilte Flyer und kleine, hausgemachte Würstchen zum Verzehr. Die überraschende Wahl, der plötzliche Auftritt auf der grossen Fernsehbühne und die Kritik von allen Seiten waren vielleicht ein bisschen viel aufs Mal. Für Stettler ist klar: In die Politsendung «Infrarouge» will er wieder gehen, «am liebsten schon morgen», wie er betont. Doch vor seinem nächsten Auftritt sollte er sich besser mit seinem Parteikollegen Charles Poncet aussprechen.
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