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Fit für die Playoffs
Schmerzmittel wie Sugus? So weit gehen Eishockey­spieler für den Meistertitel

Eishockey-Spiel zwischen HC Fribourg-Gotteron und EV Zug am 28.01.2025, Maximilian Streule von Fribourg liegt verletzt auf dem Eis, während Helfer und Spieler um ihn herumstehen.
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In Kürze:
  • Eishockeyspieler greifen im Playoff häufig zu herkömmlichen Schmerzmitteln wie Ibuprofen.
  • Die medizinische Betreuung ist heute vorsichtiger beim Einsatz von schmerzlindernden Medikamenten.
  • Teamärzte verordnen Schmerzmittel nur nach sorgfältiger Risikoabwägung der Verletzungssituation.
  • Schweizer Clubs handhaben Schmerzmittel strenger als NHL-Teams.

Mit dem Gesundheitszustand von Eishockeyspielern verhält es sich in diesen Playoff-Tagen wie mit dem Rezept des Appenzeller Käses: Es herrscht höchste Diskretion. Entsprechenden Fragen wird mit Stille entgegnet. Schliesslich hört oder liest der Gegner mit. Und wer will im Playoff schon riskieren, dass dieser genau auf jene Stelle schlägt, die nicht mehr ganz heil ist?

Sicher ist trotz eisernem Schweigen: Hundertprozentig fit sind die wenigsten. Nach einer langen Saison zwickt es hier und da, und womöglich ist gar etwas angerissen oder angeknackst. Entsprechend wird mit Schmerzmitteln nachgeholfen. Der ehemalige Verteidiger Beat Forster sagt: «Es geht Schlag auf Schlag, du hast weniger Zeit für die Regeneration. Aber du willst dem Team helfen, dieses Gedankengut hast du als Eishockeyspieler in dir. Also nimmst du in dieser Meisterschaftsphase eher etwas.»

Forster weiss Bescheid. Er absolvierte 1171 Partien in der National League und gewann mit Davos und den ZSC Lions sechs Meistertitel. Seit dieser Saison ist er Assistenzcoach beim EHC Biel.

Der Einsatz von Schmerzmitteln im Playoff sei verbreitet, sagt auch Simon Moser. Die Auswahl an Medikamenten sei wegen der Dopingliste jedoch limitiert, betont der Stürmer des SC Bern. «Vorausgesetzt, du musst dich nicht gerade fit spritzen lassen, setzt du auf Medikamente, die in jeder Haushaltsapotheke vorkommen: Ibuprofen und Paracetamol.»

Playoff extrem: Nach jedem Spiel riss die Wunde auf

Härte gehört zum Eishockey, im Playoff noch ein bisschen mehr. Und so wird diese zuweilen glorifiziert: Wer im Gesicht getroffen wird, lässt sich kurz nähen und spielt weiter. Wobei diesbezüglich ein Wandel im Gang ist. Früher habe sich die Frage nie gestellt: Wenn ein Spieler angeschlagen gewesen sei, habe er versucht zu spielen, sagt Forster. Er lief einmal gar mit gebrochenem Fuss auf, weil die Ärzte die Verletzung auf den Röntgenbildern zuerst nicht richtig gesehen hatten und von einer Prellung ausgingen.

Eishockey-Spiel zwischen Genf Servette HC und SC Bern. Simon Moser (Bern) und Sami Vatanen (Genf) kämpfen um den Puck auf dem Eis.

Derlei Geschichten kennt Moser ebenso. Er, der als Vorkämpfer par excellence gilt und entsprechend auch mal einstecken muss, liess sich schon fit spritzen. Jedoch nur in Ausnahmefällen, als der SCB um den Titel spielte und er etwa kleinere Brüche an Zehen und Fingern beklagte. «Es ging einfach darum, die Schmerzen zu übertünchen», sagt er.

Noch weiter ging sein ehemaliger Mitspieler Andrew Ebbett, der einmal während des Playoff von einem Puck am Finger getroffen wurde und diesen nach jedem Spiel neu nähen musste, weil die Wunde jeweils aufriss. «Das war sicher schmerzhaft, aber er biss auf die Zähne, und wir holten den Titel», sagt Moser. Heute seien die Spieler jedoch sensibilisierter, was den Konsum von Schmerzmitteln und das Spielen im angeschlagenen Zustand angehe.

«Sie sagen eher Nein», hält auch Forster fest, wobei er für einen Mittelweg plädiert. Wenn sich eine Verletzung nicht verschlimmern kann, soll ein Spieler auch einmal auf die Zähne beissen. «Wenn du einen Schuss abbekommst, tut das weh, aber das Adrenalin hilft dir, den Schmerz zu verdrängen.» Ganz anders verhält es sich indes für ihn bei muskulären Blessuren und Kopfverletzungen. In diesem Fall wäre es grobfahrlässig weiterzuspielen, weil dadurch eine schwere Verletzung in Kauf genommen würde.

Die Gesundheit steht über allem: Der Arzt hat das letzte Wort

Ärzte und Physiotherapeuten seien diesbezüglich vorsichtiger geworden, sagt Moser, die Spieler würden mehr geschützt. Beim SCB etwa greifen sie nur in Absprache mit dem Club zu Schmerzmitteln. «Denn letztlich stellt sich die Frage: Wann macht es Sinn, etwas zu nehmen, und wann ist es sogar gefährlich, weil die Verletzung schlimmer werden kann, wenn der Spieler diese nicht spürt», sagt Moser.

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Gery Büsser ist seit 1996 Teamarzt der ZSC Lions. Er sagt: «Die Zeiten, als Spieler Schmerzmittel wie Sugus zu sich nahmen, sind vorbei.» Zu gross sei der Konkurrenzkampf heutzutage, als dass ein Spieler auf längere Dauer angeschlagen spielen könne. «Wenn einer nur bei 80 Prozent ist, pausiert er besser. Wenn einer drei Monate lang nur mit Schmerzmitteln spielen kann, dann bringt ihm das nichts und dem Team auch nicht.»

Zudem betont er, dass bei den ZSC Lions im Playoff nicht häufiger zu Schmerzmitteln gegriffen werde als während der Qualifikation. «Wenn wir etwas geben, dann derzeit oft wegen des Schnupfens, um die Atemwege zu befreien, aber seltener aus Schmerzgründen.» Es sei auch nicht ratsam, über einen längeren Zeitraum oder gar präventiv zu Schmerzmitteln zu greifen. «Medizinisch macht das keinen Sinn. Zumal Schmerzmittel wie Ponstan oder Voltaren das Blut verdünnen und so schneller Blutungen entstehen. Man muss sich bewusst sein: Jedes Medikament ist dosisabhängig ein Gift. Wenn du es chronisch nimmst, sowieso.»

Gefährliche Schmerzmittel: Opioide für Spitzensportler

Der Arzt beobachtet jedoch auch, dass Spieler heutzutage bewusster mit diesem Thema umgehen. «Der Sport ist noch anspruchsvoller geworden, entsprechend sind die Athleten noch mehr gefordert, auf ihre Körper zu achten.»

Zudem herrsche zwischen Spielern und dem medizinischen Staff eine offene Kommunikation. Will ein ZSC-Spieler in der heissen Meisterschaftsphase trotz einer kleinen Verletzung spielen, geht das nur in Rücksprache mit den Ärzten. «Wenn das Risiko gut berechenbar ist, kann man jemanden spielen lassen, manchmal braucht es halt ein Schmerzmittel», sagt Büsser. «Aber wenn das Band nur noch an einem Faden hält, dann sieht auch der Spieler ein, dass er so nicht aufs Eis gehen sollte. Schliesslich will er seine Karriere nicht aufs Spiel setzen.»

Dass der Konsum von Schmerzmitteln keineswegs bedenkenlos ist, zeigt das Schicksal ehemaliger NHL-Spieler wie Ryan Kesler und Nick Boynton auf. Letzterer galt als «Enforcer» – als Mann fürs Grobe. Doch so, wie er austeilte, musste er auch einstecken. Jahre nach seinem Rücktritt schrieb er in der «Players’ Tribune»: «Irgendwann in meiner Laufbahn nahm ich täglich so viele Schmerzmittel und andere Drogen, dass ich nicht mehr in der Lage war, die Person zu erkennen, die ich geworden war. Die Trainer hatten immer Schmerzmittel dabei. Also habe ich sie genommen. Oft. Und von da an eskalierte es einfach.»

Boynton war gar so weit, sich die Mittel auf der Strasse zu beschaffen, weil er nicht mehr genug davon bekam. Es waren vor allem verschreibungspflichtige Opioide, die hochgradig süchtig machen – die Fentanyl-Krise in den USA lässt grüssen. Boyntons Geschichte zeigt die Abgründe des US-Sports auf. Denn: Als er sich endlich getraute, sich in seinem damaligen Team Hilfe zu suchen, wurde er wegtransferiert.

Nick Boyton von den Boston Bruins während eines NHL-Spiels gegen die Toronto Maple Leafs am 16. März 2004 im Air Canada Centre in Toronto.

Anstelle von Schmerzmitteln auf Oxycodon-Basis verschreiben viele NHL-Teams mittlerweile Toradol – ein nicht süchtig machendes, entzündungshemmendes Medikament, das die Hormone reduziert, die im Körper Entzündungen und Schmerzen verursachen. Das Problem bei diesem Medikament ist, dass es nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden sollte, weil es Magen, Leber und Nieren angreifen kann.

Doch genau das tat Ryan Kesler wegen chronischer Hüftschmerzen, wie er gegenüber dem kanadischen TV-Sender TSN erzählte. In derselben Dokumentation hielt der Ex-Spieler Kyle Quincey gar fest: «Es gab keine Möglichkeit, die Saison ohne zu überstehen. Es überdeckte alle Schmerzen, machte den Kopf nicht kaputt, und man konnte buchstäblich durch eine Wand rennen, ohne es zu spüren.»

Im Fall von Kesler führte das jedoch zu Colitis und Morbus Crohn – schwere Erkrankungen des Darmtraktes, von denen er sich nie mehr erholen wird und die seine Lebensqualität stark beeinträchtigen. Kesler sagte, kein Teamarzt habe ihn je über die Konsequenzen eines übermässigen Gebrauchs von Toradol aufmerksam gemacht.

In der Schweiz: Achtung bei Neocitran

Hierzulande sind derlei Geschichten kaum denkbar, allein deshalb, weil die Vorschriften viel restriktiver sind. Das synthetische Morphium-Derivat Oxycodon, das Boynton zum Verhängnis wurde, steht auf der Liste der verbotenen Substanzen.

Sowieso müssen die Eishockeyspieler vorsichtig sein – nicht nur im Playoff. Weshalb sie etwa bei den ZSC Lions jeweils ein Foto von der Packung an Büsser schicken, ehe sie ein Medikament zu sich nehmen. Denn die Gefahr, ungewollt als Dopingsünder dazustehen, ist grösser, als man denkt. Oder hätten Sie gewusst, dass gängige Erkältungsmittel wie «Neocitran Schnupfen/Erkältung» oder «Pretuval Grippe und Erkältung» einen Wirkstoff enthalten, der auf der Dopingliste steht?