Alina Müller in BostonLive auf Amazon Prime: Das Fraueneishockey wird gross – und diese Schweizerin ist mittendrin
Die nordamerikanische Profiliga PWHL steht vor ihrer zweiten Saison. Die 26-jährige Winterthurerin war bereits letztes Jahr eine der Besten.
- Alina Müller spielt ihre zweite Saison in der Profiliga PWHL.
- Sie ist begeistert von der Professionalität und dem hohen Niveau.
- Erstmals in ihrem Leben kann sie sich voll aufs Eishockey konzentrieren.
Alina Müller war schon immer eine überragende Stürmerin. Das letzte Mal, als ihr nicht deutlich mehr als ein Skorerpunkt pro Partie gelang? Das war bei der U-17, bei den Jungs des EHC Kloten – Mädchenteams gibt es auf dieser Stufe in der Schweiz keine. In ihren Frauenteams war sie seither immer beste Offensivspielerin, auch auf höchstem Universitätssport-Niveau nach ihrem Wechsel in die USA 2018.
Letzte Saison erlebte sie darum eine Premiere: Beim Debüt der Profiliga PWHL war sie zwar Bostons beste Skorerin, allerdings «bloss» mit 19 Punkten in 32 Spielen. Dominant spielen? Ja. Aber nicht mehr fast nach Belieben. Doch das war keine Enttäuschung, nur der Beweis, dass Müllers sportlicher Traum in Erfüllung gegangen ist: Teil einer Liga zu sein, die wirklich die weltbesten Athletinnen vereint und damit Sport auf höchstem Niveau bietet. «Und in dieser Liga», sagt Müller, «ist das Toreschiessen nicht einfach.»
In Kanada übertragen die grossen TV-Sender die Spiele
Der Versuch, eine langfristig funktionierende Profiliga bei den Frauen zu etablieren, war in Nordamerika in der Vergangenheit stets gescheitert. Jene weltbesten Spielerinnen, die nicht (mehr) Universitätseishockey spielen konnten, hielten sich vor der Gründung der PWHL zuletzt mit Showturnieren in Form.
Die Debütsaison der PWHL war vielversprechend. «Und nun wird alles noch professioneller», sagt Müller. «Fast 30 Leute arbeiten für das Team, jeder mögliche Trainer- und Betreuerposten ist besetzt.» Und in Kanada, wo mit Ottawa, Montreal und Toronto drei der sechs Teams beheimatet sind, wurden mit TSN, Amazon Prime und CBC drei grosse TV-Partner gefunden. In den USA, wo Teams in Minnesota, New York und Boston platziert wurden, sowie in Europa können die Partien live auf Youtube geschaut werden.
In besonders eishockeyverrückten Orten wie Minnesota oder Montreal spielten die Teams bereits letzte Saison vor mehr als 10’000 Zuschauern. «Es ist speziell, vor so grossem Publikum zu spielen, daran könnte ich mich gewöhnen», sagt Müller lachend. Das Interesse der nordamerikanischen Metropolen ist gross, 25 haben im Falle einer Expansion ihr Interesse angemeldet.
Die PWHL zeigt sich auch innovativ. Etwa, wenn es darum geht, die eher tiefe Anzahl Treffer zu erhöhen. Wie in der europäischen Champions League der Männer beendet ein Treffer in Unterzahl die Strafe, umgekehrt können während eines Powerplay unlimitiert Tore erzielt werden. Neu müssen zudem jene vier Spielerinnen das Penalty-Killing beginnen, die beim Foulspiel auf dem Eis standen.
Während im Fraueneishockey Europas erst Schweden teilweise Bodychecks erlaubt, tüftelt die PWHL an Verbesserungen ihrer Variante. Checks sind erlaubt, solange beide Spielerinnen in dieselbe Richtung fahren, nicht aber frontale Kollisionen. Alle Checks gegen den Kopf werden zudem mit einer Matchstrafe geahndet.
Müller selber bevorzugt das technische Spiel und sucht nicht aktiv Checks. Probleme mit der Umstellung habe sie aber kaum, auch dank der Erfahrungen vor Jahren in Kloten: «Bei der U-17 spielte ich gegen bis zu 1,90 Meter grosse Jungs, die mich checken durften.»
Die Doppelbelastung ist Vergangenheit
Das höhere Niveau, die tiefere Anzahl Tore: All dies verlangte von Müller auch die Verbesserung ihres Defensivspiels. «Du lernst automatisch, dich auf Details zu fokussieren, weil du dem Team nicht mehr nur durch Tore helfen kannst.» Und sie feilte an ihrem Zweikampfverhalten, immer mit dem Ziel, den Puck auch unter Druck und bei vermehrtem Körperkontakt besser behaupten zu können: «Du musst bereits im Training für das Bewusstsein sorgen, dass du zuerst auf den Körper statt wie früher auf den Puck gehst.»
Eine Hüftoperation im Sommer hat bei Müller zudem dafür gesorgt, dass sie sich nun erstmals seit Jahren schmerzfrei aufs Eishockey konzentrieren kann. Und auch wenn in der PWHL energiezehrende und zeitraubende Reisen mit Linienflügen dazugehören, schätzt Müller genau dies am Profileben: Es dreht sich erstmals in ihrer Karriere alles nur noch um Eishockey. Die Doppelbelastung ist seit 2023 und ihrem abgeschlossenen Master in Rehabilitationswissenschaften Vergangenheit.
«Vor allem am Anfang der letzten Saison habe ich das genossen», sagt Müller. «In den letzten 15 Jahren musste ich immer Vollgas geben in der Schule und beim Sport. Nun kann ich meine ganze Energie dem Eishockey widmen.» Und wer weiss, vielleicht kann die einzige Schweizerin der Liga Ende Saison den Pokal stemmen. Letzte Saison war Boston nahe dran, Müllers Team verlor zu Hause das alles entscheidende fünfte Finalspiel gegen Minnesota.
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