Höhere Hürden für EinsprachenBauprojekte verhindern soll schwieriger werden
Wem ein Bauvorhaben nicht passt, kann dagegen Beschwerde einlegen – auch dann, wenn es ihn nicht tangiert. Das möchte der Bundesrat nun ändern. Doch es gibt Kritik.
Es fehlt an Wohnungen. Und Baueinsprachen erschweren viele neue Appartements. Seit 2011 ermöglicht es das Bundesgericht Privatpersonen, einen Bau mit allen Rügen zu verhindern, auch wenn der Einsprecher von den gerügten Punkten gar nicht betroffen ist. «Jemand kann vorbringen, die westliche Hausfassade seines Nachbars sei zu rot, obwohl der Einsprecher selber nur die östliche Fassade sieht», sagt FDP-Ständerat Andrea Caroni. «Dieser Missstand führt zu missbräuchlichen Einsprachen und verzögerten Bauprojekten.» Der Parlamentarier hat deshalb einen Vorstoss eingereicht, um den Missstand zu beseitigen. Und der Bundesrat hat das Postulat jetzt zur Annahme empfohlen.
Damit wird der Bundesrat beauftragt, in einem Bericht darzulegen, wie die Rügemöglichkeiten in Bau- und Planungsverfahren so beschränkt werden können, dass Einsprachen nur dann möglich sind, wenn jemand direkt betroffen ist. Wer künftig gegen Bauprojekte Einsprache macht, ohne selbst tangiert zu sein oder in der Sache recht zu haben, soll zudem künftig für die Verfahrenskosten aufkommen, wie es ein weiteres ständerätliches Postulat vorsieht.
Caronis Vorstoss dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit im Plenum des Ständerats durchkommen. Darauf hat der Bundesrat zwei Jahre Zeit, den verlangten Bericht zu verfassen.
Lärmschutz, ein beliebtes Argument
Da und dort haben die Einsprachen in den letzten Jahren zugenommen. In der Stadt Zürich etwa ist die Rekursquote bei Neubauten zwischen 2010 und 2022 von 55 auf 71 Prozent gestiegen. Auch in Winterthur steigt die Quote, wenn auch nur leicht. Die Stadt Bern stellt keine Zunahme von Beschwerden fest. Die Zahl sei eher rückläufig. Dies trifft auch für Basel zu. Einen gesamtschweizerischen Überblick gibt es nicht, da die meisten Baugesuche in den Gemeinden abgewickelt werden.
Viele Begründungen der Einsprachen seien fragwürdig, heisst es in der Baubranche. «Jeder Betroffene kann gegen jeden noch so kleinen Aspekt eines geplanten Neubaus klagen – und alle Rechtsmittel bis vor Bundesgericht ausschöpfen», sagte etwa der Berner Regierungsrat und Baudirektor Christoph Neuhaus gegenüber der «NZZ am Sonntag». Besonders beliebt ist bei Baueinsprachen der Lärmschutz. Nachbarn können ein Neubauprojekt mit diesem Argument zu Fall bringen – auch wenn sie nicht direkt betroffen sind.
Viele Einsprachen erzielen Teilerfolge
Martin Killias, Präsident des Schweizer Heimatschutzes, sieht Baueinsprachen auch positiv. «Die meisten Bewohner, die Einsprachen einreichen, kämpfen auch für das Ortsbild.» Er zählt diverse Beispiele von Privatpersonen auf, die «viele grottenhässliche Neubauten» verhindert hätten, und verweist darauf, dass 40 Prozent der Einsprachen mit einem zumindest teilweisen Erfolg enden.
Auf den Einwand, wonach Gemeindebehörden Baugesuche auch im Sinne des Ortsbilds prüfen, entgegnet Killias: «In der Praxis geschieht das oft nicht, in Dägerlen bei Winterthur wurde beispielsweise kürzlich ein anerkanntes Schutzobjekt abgerissen – entgegen einem Gerichtsurteil, aber bewilligt von der Gemeinde.» Auch in der Bündner Gemeinde Vals hätten die Behörden den Abriss «eines prächtigen spätmittelalterlichen Hauses bewilligt», zugunsten eines «absolut unpassenden Neubaus».
Sorge um Engadiner Bergdörfer
Setzt sich Andrea Caroni durch, dürften Privatpersonen nur noch für enge Privatinteressen, aber nicht mehr für das Orts- und Landschaftsbild Einsprachen erheben. Dafür gebe es das Verbandsbeschwerderecht, so der Ständerat. Dieses berechtigt Organisationen und Verbände, gegen bestimmte Projekte Einsprache oder Beschwerde zu erheben. Doch Killias winkt ab, denn: «In einigen Kantonen wie Schwyz, St.Gallen, Wallis, Graubünden oder Innerrhoden gibt es das Verbandsbeschwerderecht für uns nicht. Bei den vielen wunderschönen Baudenkmäler in den Engadiner Bergdörfern hat der Heimatschutz keine Einsprachemöglichkeit», so Killias. Diese könne man nur retten, wenn sich private Nachbarn für sie einsetzten.
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