Rekurse gegen BauprojekteBald fertig mit Gratiseinsprachen?
Rekurse gegen Bauprojekte sollen Geld kosten. Bürgerliche Stände- und Nationalratsmitglieder wollen damit missbräuchlichen Baurekursen einen Riegel schieben.
Die kleine Kammer hat am Mittwoch stillschweigend einen ersten Schritt beschlossen: Einsprecherinnen und Einsprecher gegen Bauprojekte sollen künftig «ein massvolles Kostenrisiko» tragen. Damit könnte in absehbarer Zeit Schluss sein mit aussichtslosen Einsprachen, mit denen Urheberinnen oder Urheber vor allem ein Ziel verfolgen, nämlich Neu- und Umbauten möglichst lange zu verzögern.
In den weitaus meisten Fällen folgt auf ein teures Baugesuch hin ein kostenfreier Rekurs. Dies hat zuletzt der «Tages-Anzeiger» am Beispiel Zürich beschrieben. Seit 2010 ist demnach die Einsprachequote auf Zürcher Boden von 55 auf zuletzt 71 Prozent gestiegen.
Eingeschränkte Aussicht vom Balkon aus, die unpassende Fassadenfarbe beim Nachbarn oder Bargeld als Gegengeschäft für den Rückzug des Rekurses: Es gibt viele Motive, Einsprachen gegen Bauvorhaben einzureichen.
Einsprachen seien zum Volkssport geworden. «Jeder Betroffene kann gegen jeden noch so kleinen Aspekt eines geplanten Neubaus klagen – und alle Rechtsmittel bis vor Bundesgericht ausschöpfen», beklagte der Berner Regierungsrat und Baudirektor Christoph Neuhaus in der «NZZ am Sonntag».
Was bisher von Bauherren bejammert, medial beschrieben und regierungsrätlich beklagt wurde, ist seit Mittwoch auch auf Bundesebene offiziell bestätigt. Die Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger argumentierte, Baubewilligungsverfahren seien mit hohen Kosten verbunden, während Einsprachen laut Bundesrecht gratis seien. Das werde von Leuten, die bauen wollten, als rechtsungleich wahrgenommen.
Im Nationalrat argumentiert Gmürs Mitte-Parteikollege Leo Müller (LU) genau gleich. Er hat den inhaltlich identischen Vorstoss in der grossen Kammer eingereicht; der Bundesrat solle in einem Bericht aufzeigen, wie das Problem missbräuchlicher Einsprachen gelöst werden könne. «Keine Gratisverzögerung von rechtskonformen Bau- und Planungsprojekten», fordert Müller, dessen Vorstoss nächste Woche behandelt wird.
Im Gespräch mit dieser Redaktion argumentiert der Innerschweizer Anwalt mit dem grossen Bedarf an neuen Wohnungen, die in der Schweiz wegen der wachsenden Bevölkerungszahl benötigt würden. Das Beratungsunternehmen Wüest und Partner beziffert das Manko an Wohnungen: Bis in drei Jahren gebe es 51'000 Wohnungen zu wenig. Missbräuchliche Einsprachen verzögerten eine Problemlösung bei der Wohnungsknappheit, findet Müller.
Verbissene Rechtskämpfe
Im Ständerat nahm Gmür am Mittwoch dieses Argument auf und regte an, Artikel 33 des Bundesgesetzes über die Raumplanung anzupassen. Dieser Artikel benennt Mindestbestimmungen, die in kantonalen Baugesetzen eingehalten werden müssen. Für die Luzernerin ist in einem ersten Schritt ein Kostenrisiko bei Einsprachen in Baubewilligungs- und Nutzungsplanverfahren zu prüfen. In einem zweiten Schritt sollen die Kantone die Möglichkeit zurückerhalten, einem unterlegenen Einsprecher Verfahrenskosten aufzuerlegen – so wie das früher der Fall war.
Nationalrat Müller schwebt vor, dass grundsätzlich «ein paar Hundert Franken» bezahlen muss, wer gegen ein Bauvorhaben rekurriert. Damit soll in absehbarer Zeit Schluss sein mit «Gratisrekursen».
Dass es Menschen gibt, die trotz geringer Aussicht auf Erfolg verbissene Rechtskämpfe führen, davon ist auch Bundesrat Albert Rösti überzeugt. Er sagt im Ständerat, es sei unbestritten, dass zum Teil «querulatorische Einsprachen» erhoben und sinnvolle Projekte dadurch verzögert würden. Es bestünden zur Problemlösung Arbeitsgruppen.
Nun steht es unter Röstis Verantwortung, diese in einem Postulatsbericht aufzuzeigen, bevor das Parlament später über eine Gesetzesänderung entscheiden kann.
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