Gartenkolumne «Nachgehackt»Einfach stehen lassen
Der Winter naht, der Garten wird geräumt. Halt! Wirklich? Unsere Gartenkolumnistin plädiert für das Chaos.
Selbst wenn ich gewollt hätte, ich hätte nie zur Hausfrau getaugt. Aus einem einfachen Grund: Ich bin viel zu wenig strukturiert, ich bin viel zu chaotisch. Vor dem Backen ein mise en place machen, wie ich es in der Kochschule gelernt habe? Das nehme ich mir immer erst im Nachhinein vor, weil plötzlich doch kein Vanillezucker mehr da war.
Auch im Garten bin ich chaotisch. Damit bin ich hier auf dem Land nicht ganz allein, aber doch in einer Minderheit. Halten Herbst und erste Frostnächte Einzug, wird in den Gärten traditionellerweise aufgeräumt. Das hat schon die Grossmutter so gemacht. Maisstauden, erfrorene Bohnen, braun gewordene Sonnenblumen – alles muss weg. Die Beete sollen leer sein, nackte Erde, vielleicht noch mit Mist bedeckt. Aufräumen. Und dann kehrt Winterruhe ein.
Ganz anders in unserem Garten: Der Mais steht momentan noch – ich hatte ihn nach dem Juni-Hagel erst Anfang Juli nachgesät, und die meisten Kolben sind nicht ganz reif geworden. Die Felder sind bepflanzt mit Wintergemüse wie Palm- und Federkohl, Nüsslisalat, Lauch, Spinat und Zuckerhut. Auch Randen, Rüebli, Sellerie und Haferwurzel haben wir bisher stehen lassen, sie ertragen die jetzigen Temperaturen problemlos.
Bald werden wir die Wurzelgemüse im Keller einwintern, der Rest jedoch bleibt. Die verdorrten Pflanzen mögen für das zivilisierte Auge tot sein. Aber für Vögel und anderes kleines Getier können sie ein Leckerbissen sein. Und ausserdem brauchen viele Insekten geschützte Plätze, um zu überwintern. So verpuppt sich zum Beispiel die Rüebliraupe im Spätherbst gerne an Pflanzenstängeln von Kohlrabi oder anderem Kohl. Im Frühling, wenn es wieder wärmer wird, schlüpft daraus der Schwalbenschwanz, ein wunderschöner gelbschwarzer Schmetterling. Wie schade, wenn die sehr gut getarnte Puppe im Kompost oder in der Grüntonne gelandet wäre.
Der Nebeneffekt: Die Beete bleiben bedeckt und sind nicht kahl. Unter dem Winterblumenkohl, der im Mai erntereif sein wird, habe ich zum Beispiel vor ein paar Tagen eine dicke Schicht Rasenmulch gestreut. Ich bin überzeugt, dass auf diese Weise auch weniger Nährstoffe aus dem Boden geschwemmt werden und die Erde lockerer bleibt.
Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Ich habe eine gute Entschuldigung, wenn ich es im Herbst schlichtweg nicht schaffe, alles reinzuräumen, sauber zu machen, einzuwintern. So wie es die Grossmutter schon immer gemacht hat, werde ich es sicher nicht machen. Das ist so gewollt, kann ich dann sagen. Ich bin eben eine geborene Chaotin. Und Backen geht auch ohne Vanillezucker.
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