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Gartenkolumne «Nachgehackt»
Wo sind all die Äpfel hin?

Ein Bild aus besseren Jahren: Äpfel der Sorte Goldparmäne. Diese Saison hat unsere Gartenkolumnistin einen einzigen Apfel von ihrem alten Baum pflücken können.
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Kaum zu glauben, aber heute habe ich einen Apfel gepflückt. Es ist der einzige, der in diesem Jahr an unserem alten Baum hängt. Die Sorte heisst Goldparmäne, es gibt sie seit 800 Jahren. Fragen Sie meinen Vater, der hat sie schon als Kind immer essen müssen und mag jetzt lieber Gravensteiner. Ich aber behaupte: Kein Apfelmus ist besser als eines aus genau diesen Äpfeln. Vor einigen Wochen haben wir das letzte Einmachglas vom letzten Jahr aufgemacht. Obwohl wir doch Dutzende eingelagert hatten.

Ja, die Goldparmäne hat im vergangenen Jahr unglaublich reich getragen, genauso wie die meisten anderen Fruchtbäume auch. Erinnern Sie sich? Es gab Zwetschgen bis zum Gehtnichtmehr. Birnen, Pflaumen, Mirabellen. Und Äpfel, Äpfel, Äpfel. Die Einmachgläser waren ausverkauft und wurden fleissig gefüllt. Hätten wir sie doch nur länger gehortet.

Der Baum braucht Erholung

Schliesslich weiss jeder Bauer und jede Bäuerin: Nach einem reichen Jahr folgt ein mageres. Der Baum muss sich erst einmal erholen. Und darum war ich gar nicht erstaunt, als die Goldparmäne im Frühjahr nur sehr spärlich geblüht hat. Erstaunt war ich eher, dass auch die jungen Bäume, die wir vor sechs Jahren gepflanzt haben, nicht richtig wollten. Obwohl sie laut meinem Plan nun hätten blühen müssen. Immerhin, ein paar Fruchtansätze waren zu sehen.

Dann schlug Ende Juni der Hagel zu. Nun fielen die allermeisten Äpfel runter, nur wenige hielten sich tapfer und verwundet an ihren Zweigen. Diese gaben dann einer um den anderen auch auf. Bis dieser einzige am alten Baum blieb. Und ein weiterer der Sorte Karneval an einem der jüngeren Bäume.

Ich wiege die Goldparmäne in der Hand. Sie hat erstaunlich wenig Hagelschäden, nur zwei verschorfte Stellen, dort, wo sie damals von Hagelkörnern getroffen wurde. Ich schneide sie in zwei Hälften. Festes, fast weisses Fruchtfleisch. Ich beisse hinein. Kräftig und säuerlich, noch etwas wenig nachgereift. Die Goldparmäne ist süsser und vielfältiger im Geschmack, wenn man sie erst ein oder zwei Wochen nach dem Pflücken isst. Dafür habe ich aber keine Zeit.

Ich bin nicht wirklich ein optimistischer Mensch. Darum habe ich erwartet, dass der Apfel einen Wurm haben wird. Er hat aber keinen, bis auf die zwei kleinen Hagelschäden ist er perfekt. Wenn der Sohn wüsste, was ich gerade tue, würde er laut protestierend «Mama!» rufen. Er liebt Äpfel, er liebt Früchte allgemein, und in der Kinderlogik muss man die nicht teilen. Die gehören alle ihm.

Man muss pragmatisch sein

Aber er weiss nicht, was ich jetzt tue, er sitzt brav in der Schule. Und ich pflücke auch den Karneval. Zwei verkrüppelte Äpfel sind schliesslich zu wenig für eine ganze Familie. Es ist das erste Mal, dass dieser Baum Äpfel respektive einen Apfel trägt. Die Schäden an jenem Exemplar sind immens, über die Hälfte muss ich wegschneiden. Doch der Geschmack ist grossartig. Ich schneide den Apfel in winzig kleine Stücke, die ich schnell hintereinander alle in den Mund schiebe. Heimlichtuereien an einem gewöhnlichen Nachmittag. Zwischendurch texte ich dem Mann, er solle noch Äpfel holen im Laden. Man muss pragmatisch sein