Gartenkolumne «Nachgehackt»Und plötzlich doch noch volle Erntekörbe
Spät kam der Sommer vorbei – und mit ihm die Gartenernte. Unsere Gartenkolumnistin wünscht sich, sie wäre immer im Leben mit so wenig zufrieden.
Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich gerade sehr milde gestimmt. Ich habe Zitronenmelissensirup gekocht und nasche ein paar Brombeeren. Draussen steht ein Harassli voller Gemüse. Zucchetti, Pattison, Gurken – und sogar Tomaten. Morgen kann ich wieder Buschbohnen ernten, in ein paar Tagen auch Stangenbohnen.
Noch vor zwei Wochen hätte es allerdings ganz anders geklungen. Kein eigenes Gemüse – und das in der Hochsaison. Die übrig gebliebenen Tomatenpflanzen, die der Hagelsturm Ende Juni nicht vernichtete, von Braunfäule betroffen; die Kohlköpfe von Schnecken zerlöchert; Mais und Bohnen so klein, dass ich in diesem Jahr nicht mehr viel von ihnen erwartete.
Lieber spät als gar nicht
Aber jetzt, ein Wunder. Und ich glaube, es muss an den paar schönen Sommertagen liegen, die es doch noch gab. Von einem Tag auf den anderen fing die Ernte an, zwar eineinhalb Monate später als üblich, aber genau so viel später hatte ich das Gemüse nach dem verheerenden Hagelsturm ja auch gesetzt und gesteckt.
Der Mann hatte übrigens immer daran geglaubt. Oder vielleicht auch nur so getan, weil wir nicht beide gleichzeitig den Kopf in den Sand stecken konnten. «Wir machen einfach weiter, geben uns noch mehr Mühe, stellen einen kleinen Gemüsetunnel auf. Jetzt erst recht!», sagte er. Lange schüttelte ich nur müde den Kopf und ging lieber in den Wald. Denn der Regen hatte immerhin ein Gutes: Die Pilze wuchsen wie verrückt.
Aber irgendwann hatte er mich doch überzeugt. «Jetzt erst recht!» Warum nicht? Ein Tunnel, ein Anbauplan, noch grössere Ambitionen. Aufstehen, weitermachen. Das Gute sehen. Zum Beispiel den Sommerportulak, von dem ich zwar seit Jahren weiss, dass man ihn essen kann, der aber als Unkraut in genau jener Zeit zwischen dem Gemüse wuchert, wenn auch sonst alles erntereif ist. In diesem Jahr ist es anders.
Mit dem Sommerportulak kam die Wende
Fein säuberlich sortierte die Tochter während des Jätens die fleischigen, rötlichen Stiele mit den rundlichen grünen Blättern ins Löcherbecken. Ich wusch und schnitt das Ganze, dünstete es an – und mit ein bisschen Salz, Öl und Zitrone schmeckte es besser als Spinat und Krautstiel zusammen. Das kann ich sogar beweisen, denn die Kinder schöpften beide ein zweites Mal nach.
Mit dem Sommerportulak kam die Wende. Der Glaube daran, dass es doch immer wieder aufwärtsgeht. Und dass man sich nicht unterkriegen lassen darf. Ich entfernte schweren Herzens die kranken Blätter der Tomaten. Eigentlich wollte ich die Tomaten ganz ausreissen, doch als die Pflanzen entlaubt waren, sahen die Früchte gross und ziemlich gesund aus. Also liess ich die Pflanzen kahl und kläglich stehen – und die Tomaten reifen.
Ab und zu wird eine faul, doch die meisten werden rot. Das ist mehr, als ich zu hoffen gewagt habe. Wenn man die Saison schon abgeschrieben hat, sind die Ansprüche plötzlich kleiner. Und die Freude über eine grosse, vollreife Babuschka-Tomate so gross, dass ich mir wünsche, ich wäre immer mit so wenig zufrieden.
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