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Meinung

Leitartikel zur Juso-Initiative
Diese Initiative ist zu wenig durchdacht

SP, Gewerkschaft und Juso vereint: Mit der 99-Prozent-Initiative soll mehr Geld von Reich zu Arm umverteilt werden.
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Die Ungleichheit wird derzeit überall auf der Welt breit diskutiert, stossende Beispiele gibt es zuhauf. Auf der einen Seite stehen Milliardäre wie Jeff Bezos, die das Weltall zu ihrem neuen Spielplatz auserkoren haben. Auf der anderen Seite dessen Angestellte bei Amazon, die teilweise unter prekären Bedingungen den E-Commerce-Boom schultern.

Das ist die globale Sicht. Aber auch hierzulande gibt es Unterschiede in Einkommen und Vermögen. Und gerade die weniger gut Situierten gehören zu den Verliererinnen und Verlierern der Covid-Krise.

Von daher kommt die 99-Prozent-Initiative eigentlich zur richtigen Zeit. Die Juso bedienen perfekt die eigene Klientel: wir, die Kämpfer für Gerechtigkeit und für die kleinen Leute, gegen das Grosskapital, die Bonzen. Dass es dafür Applaus aus den eigenen Reihen gibt, ist nachvollziehbar. Nachvollziehbar ist zudem das Anliegen, die Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Schweiz kritisch zu beleuchten.

Die Juso wollen mit ihrer Initiative den Reichtum in der Schweiz stärker umverteilen. Dies soll möglich werden, indem Einkünfte aus dem Einsatz von Kapital höher besteuert werden als Einkommen aus herkömmlicher Erwerbsarbeit. Die Juso machen also eine Unterscheidung bei der Art des Einkommens. Arbeit ist gut, Einkommen auf Kapital ist böse: «Wir arbeiten, Kapital nicht», so die klassenkämpferische Ansage.

Wozu genau man nun Ja oder Nein sagt, das ist schwer zu verstehen.

Doch die Initiative hat ein gröberes Problem: Sie ist eine Wundertüte. Denn die relevanten Punkte werden nicht definiert. Es ist nicht klar, was unter dem Begriff Kapitaleinkommen alles stärker besteuert werden soll.

Es ist ebenso nicht definiert, ab welcher Höhe mehr Steuern bezahlt werden sollen. Und es ist genauso wenig definiert, was mit den versprochenen Mehreinnahmen passiert. Werden am Ende wirklich Kitas unterstützt, der ÖV ausgebaut, Prämienverbilligungen ausgeweitet, wie es den Juso vorschwebt? Das kann heute nicht vorausgesagt werden.

Eine derart schwammig formulierte Initiative bringt grossen Spielraum bei der Umsetzung. Und noch mehr Unsicherheit für das Stimmvolk. Wozu genau man nun Ja oder Nein sagt, das ist schwer zu verstehen. Es ist zudem anzunehmen, dass das bürgerlich geprägte Parlament die Initiative zurechtstutzen würde.

Werden am Ende tatsächlich nur die Reichsten der Reichen stärker besteuert? Oder halt doch ein grösserer Teil der Bevölkerung? Die Fragen danach, wer denn nun wirklich betroffen ist und wohin das Geld fliesst, lassen sich erst beantworten, wenn das Parlament im Falle einer Annahme die Umsetzung beschlossen hat. (Lesen Sie dazu: Wen die 99-Prozent-Initiative trifft – und wen nicht.)

Das ist ein schwerer Konstruktionsfehler der Initiative. Allein deshalb sollte sie nicht angenommen werden.

Die Juso verhindern eine ernsthafte Debatte über Verteilgerechtigkeit.

Und selbst wenn man diese gravierenden Mängel ausblendet, gibt es Argumente, die gegen das Vorhaben sprechen. Geschaffen würde eine neue Ungerechtigkeit. Mit der erhöhten Besteuerung wird das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Grundlage fürs Steuerzahlen geritzt.

Eines der Hauptargumente der Juso ist die wachsende Ungleichheit. Aber: Die Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen hat in den letzten Jahren zwar zugenommen, allerdings nur wenig. Was jedoch stimmt: Es gibt teils grosse Unterschiede bei Einkommen und Vermögen. Beim Einkommen liegt die Schweiz punkto Ungleichheit in Europa im Mittelfeld. Beim Vermögen sind die Unterschiede deutlich grösser.

Doch die Umverteilungsmechanismen in der Schweiz funktionieren gut. Zudem werden weniger gut Situierte unterstützt, sei es zum Beispiel durch Prämienverbilligung oder durch die Sozialhilfe.

Es ist erstaunlich, dass die Juso in einem ihrer Kernthemen eine derart vage formulierte Vorlage präsentieren. Sie verhindern somit selber eine ernsthafte Debatte über Verteilgerechtigkeit. Vielmehr wird nun über mögliches Leid der KMU oder der Start-up-Szene diskutiert. Solche Diskussionen, die eigentlich am Anliegen der Juso vorbeigehen, hätten die Juso mit einer klareren Formulierung der Initiative leicht verhindern können.