Coming-out als WhistleblowerDer aggressive Uber-Lobbyist zeigt späte Reue
Mark MacGann machte die Praktiken seines früheren Arbeitgebers öffentlich. Seine Enthüllungen lassen auch den heutigen US-Präsidenten schlecht dastehen.
Dann wurde es ihm zu viel. Denn er war schockiert über das Verhalten seines Arbeitgebers: das Fahrunternehmen Uber aus San Francisco, das auf die Idee gekommen war, Autofahrerinnen und Autofahrer als Taxifahrer einzusetzen. Zu Billiglöhnen. Obwohl das Unternehmen wegen der Corona-Pandemie, des frustrierten Abgangs vieler Angestellter und gesetzlicher Einschränkungen deutlich sinkende Einträge vermelden musste, gehört es immer noch zu den grössten Internetplattformen der Welt. Uber macht einen Umsatz von über 11 Milliarden Dollar und lässt jeden Tag 19 Millionen Fahrten durchführen.
Der Schockierte heisst Mark MacGann, ein gebürtiger Ire, der auch Französisch spricht. Der 52-Jährige ist seit Jahrzehnten als politischer Lobbyist unterwegs, war für sein aggressives Vorgehen bekannt und stellte dieses Uber als Cheflobbyist zur Verfügung. Jetzt hat er das Geschäftsgebaren seiner ehemaligen Firma öffentlich gemacht, für die er von 2014 bis 2016 gearbeitet hatte.
«We’re just fucking illegal»
Schlimm für Uber und peinlich für ihn: Mark MacGann, der dem «Guardian» zunächst anonym über 124’000 Dokumente zukommen liess, entlarvte damit jene Praxis, die er selbst für das Unternehmen betrieben hatte. Nämlich auf Politikerinnen und Politiker in über vierzig Ländern darauf einzuwirken, dass sie Uber bevorteilen würden. Mit Bewilligungen, Gesetzesänderungen, Einflussnahme der Parlamente, Treffen mit Milliardären und Medienmogulen, der Täuschung von Wählerinnen und Wählern. «We’re just fucking illegal», schrieb Nairi Hourdajian in einem Mail, er klang begeistert. Hourdajian war der oberste Kommunikator des Konzerns.
Unter einem ruchlosen Chef
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Uber suchte immer die Wichtigsten. Zum Beispiel traf der damalige, für seine Ruchlosigkeit bekannte Uber-Chef Travis Kalanick am Weltwirtschaftsforum von Davos den damaligen Vizepräsidenten Joe Biden zu einem geheimen Gespräch. Dieses verlief für das Unternehmen dermassen erfolgreich, dass Biden Kalanick Hilfe zusicherte und sogar seine anschliessende Rede in dessen Sinne abänderte. Ebenso schlecht steht auch der heutige französische Präsident Emmanuel Macron da. Als Wirtschaftsminister der damaligen sozialistischen Regierung machte er Uber weitreichende Versprechen, die er umgehend umsetzte.
MacGann sagt heute, er habe damals an einer «Überdosis Enthusiasmus» gelitten, sei dauernd in der Luft unterwegs gewesen und habe während Monaten sieben Tage die Woche zwanzig Stunden pro Tag gearbeitet. Heute bereut er sein damaliges Engagement. Er habe einfach nicht mehr mit diesem Schuldgefühl leben können, begründet er sein Coming-out als Whistleblower. «Ich sehe es als meine Pflicht an», sagt er dem «Guardian», «Regierungen und Parlamentsmitgliedern dabei zu helfen, grosses Unrecht zu korrigieren.» Moralisch habe er keine andere Wahl.
Die Firma Uber hat auf die Kritik mit dem Hinweis reagiert, diese illegalen Praktiken seien spätestens nach dem Führungswechsel von 2017 überwunden und würden vom Unternehmen auch verurteilt. Die alten Probleme mag es teilweise los sein, dafür gibt es ein neues. Die Firma sieht sich mit einer eben eingereichten Sammelklage von über 500 Frauen konfrontiert. Diese werfen Uber vor, nichts gegen den wiederholten, teilweise massiven sexuellen Missbrauch durch seine Fahrer unternommen zu haben. Die Aggression scheint ein Prinzip zu sein.
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