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Analyse zu Italiens Präsidentschaftswahlen
Eine Firewall gegen die Populisten

Im achten Wahlgang haben Italiens Parlamentarier Sergio Mattarella zum Präsidenten gewählt. Dabei wollte der 80-Jährige das Amt abgeben.
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Der Status quo ist ja selten ein wünschenswerter Zustand, er verbaut den Horizont des Neuen. In Italien aber, oben in der Regiezentrale dieser stets bewegten Republik, ist der Status quo gerade der beste aller möglichen Zustände. Die Wiederwahl von Sergio Mattarella zum Präsidenten, wider dessen Willen, bewahrt Italien vor einem Ritt ins Ungewisse. Das Opfer des «Presidente di tutti», wie «La Repubblica» den populären Sizilianer auf ihrer ersten Seite nennt, bringt nämlich mit sich, dass Mario Draghi, seit einem Jahr Premier der nationalen Einheit, die Geschäfte des Landes weiterführt.

Darum ging es bei dieser Wahl: um die Zukunft Italiens, um dessen Stabilität. Um die Umsetzung der angestossenen Reformen und die Verwaltung der Milliarden aus Brüssel für den Wiederaufbau. Und da Italien systemrelevant ist, ging es auch um die Zukunft Europas. Das Duo aus dem klamaukfreien Christdemokraten Mattarella und dem früheren Zentralbanker Draghi ist eine Firewall gegen die Frivolitäten der Populisten – eine Vollkaskoversicherung auch für Partner im Ausland. Italien hatte wahrscheinlich noch nie eine angesehenere und verlässlichere Führung als jetzt.

Eine Frau in einem politischen Topjob stünde Italien gut zu Gesicht

Aber klar: Es wäre schön gewesen, wenn Italien endlich mal eine Frau in einen Topjob gewählt hätte. Vielleicht wäre es auch gut gewesen, wenn nach Jahrzehnten sozialdemokratisch oder christdemokratisch geprägter Präsidentschaften die Rechte mal einen Staatschef gestellt hätte – als Zeichen der Alternanz, in der sich die konservative Hälfte des Volkes hätte spiegeln können.

Doch was soll man machen, wenn Italiens Rechte keine geeigneten Figuren hervorbringt, solche, denen sie selbst das höchste Amt zutrauen würde? Die Linke brauchte nur zu warten, bis die Rechte alle ihre Namen verbraucht hatte, sieben komödiantische Wahlgänge lang, und das Parlament das Spektakel satthatte.

Zu viele Dilettanten

Das Halleluja auf den Status quo fällt auch deshalb erleichtert aus, weil es die eklatante Schwäche der politischen Parteien und ihrer Leader übertönt. Vor der Präsidentenwahl hatte es geheissen, nun hole sich die Politik die Bühne zurück, die politica «mit einem grossen P», wie man sagt. Die Wahl des Staatsoberhaupts sei schliesslich der erhebendste Moment in einer parlamentarischen Demokratie wie der italienischen.

Das stimmt. Doch diesmal waren zu viele Dilettanten am Werk. Exponenten populistischer und systemkritischer Parteien, die sich aufführten wie Strippenzieher bedenklichster Tradition. Vielen Italienerinnen und Italienern musste es so vorkommen, als wohnten sie einer billigen Talentshow bei. Die Krawallanten der italienischen Politik offenbarten mal wieder, wie dürftig ihr Repertoire ist und ihr Personal. Das Bündnis der rechten Nationalisten zerfällt, die Fünf Sterne verglühen. Und in einem Jahr wählen die Italiener ein neues Parlament. Hoffentlich erinnern sie sich dann an diese Winterohnmacht der Populisten.

Ein Jahr also, mit Mario Draghi in der operativen Rolle und Sergio Mattarella als darüber schwebendem Schutzgaranten. Das ist nicht viel, aber es ist vital für die nahtlose Fortsetzung der Reformen, für die Investitionen in die Zukunft. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, wenn der Elan gebremst oder gestoppt worden wäre. Nun ist sogar möglich, dass er beschleunigt wird, sozusagen befeuert vom Status quo. So lange jedenfalls, bis die Politik mit dem nicht so grossen P die Bühne wieder für sich einfordert.