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Medien in Grossbritannien
Eine fatale Karikatur bringt den «Guardian» in Schwierigkeiten

Gegenstand einer antisemitischen Karikatur: Der geschasste BBC-Chefredaktor Richard Sharp. 
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Wegen einer Karikatur mit deutlich antisemitischem Einschlag ist eine der renommiertesten Zeitungen Londons, der linksliberale «Guardian», jetzt in Schwierigkeiten geraten. Während Politikerinnen und Politiker aller Parteien das progressive Blatt scharf angriffen, forderte der Deputiertenrat der britischen Juden «Guardian»-Chefredaktorin Katharine Viner zu einer «unverzüglichen» Aussprache auf. 

Bei der Karikatur handelte es sich um eine Zeichnung des Top-Cartoonisten Martin Rowson, die am Samstagmorgen im «Guardian» erschienen, später am Tag aber von der Website genommen worden war. In der Karikatur ging es um den erzwungenen Rücktritt des bisherigen BBC-Vorstandsvorsitzenden Richard Sharp, den Rowson mit einem Kistchen mit der Aufschrift Goldman Sachs in den Händen zeichnete. Sharp, jüdischer Herkunft, hatte lange als Banker für Goldman Sachs gearbeitet und die Konservative Partei mit Hunderttausenden von Pfund aus seinem enormen Privatvermögen unterstützt. 

Antisemitische Klischees zuhauf

Die Züge, mit denen Rowson Sharp in seiner Karikatur ausstattete, entstammten allerdings dem Repertoire antisemitischer Verunglimpfungen – übergrosse Nase, ausgeprägte Lippen, ein finsteres Grinsen übers ganze Gesicht. Und in der Sachs-Kiste fanden sich ausser Goldmünzen ein tückisch blickender Tintenfisch, ein schon früher von Antisemiten benutztes Symbol für ein alles umschlingendes Wesen, sowie eine Art Marionettenpuppe des Premierministers Rishi Sunak, den «der Jude» Sharp offensichtlich kontrollierte mit seinem Geld. 

Die Veröffentlichung löste empörte Reaktionen aus. Der frühere Labour-Abgeordnete Ian Austin – jetzt ein Mitglied des Oberhauses – sprach von einer «total abstossenden Karikatur voller abscheulicher antisemitischer Bilder». Das Ganze nehme sich aus «wie etwas aus einer rechtsextremen Nazi-Publikation, ist aber tatsächlich aus dem ‹Guardian›, der sich schämen sollte». Stephen Pollard, der Herausgeber des «Jewish Chronicle», fand es «echt schockierend, dass kein einziger Mensch sich das angesehen und gesagt hat: Nein, das können wir nicht bringen.» 

«Guardian» entschuldigt sich

Der «Guardian» entschuldigte sich im Nachhinein «bei Sharp, bei der jüdischen Bevölkerung und bei allen, denen das übel aufgestossen ist» für die Veröffentlichung, «die nicht unseren redaktionellen Standards entsprach». In ihrer Montagausgabe liess die Zeitung den Antisemitismus-Experten David Rich auf einer ihrer Kommentarseiten erklären, warum es «nicht der Fall sein dürfte», dass noch heute «antisemitische Ideen mit solcher Leichtigkeit, relativ unerkannt und unangefochten, zirkulieren». 

Rowson selbst, ein brillanter Karikaturist, konnte nicht erklären, warum er hier «solchen Mist» gebaut habe. Er bat um Entschuldigung und meinte, er habe offensichtlich zu schnell gearbeitet und über einiges nicht lang und sorgfältig genug nachgedacht. Dazu sagte David Rich, er halte weder Rowson noch den «Guardian» für antisemitisch. Es sei aber «unfassbar, dass jemand mit dem antijüdischen Bilderlexikon so wenig vertraut sein sollte, dass er eine solche Karikatur zeichnen und veröffentlichen würde».

Der «Guardian»: Ein Wiederholungs­täter?

Schärfer ging der Deputiertenrat der britischen Juden, eine massgebliche Stimme der jüdischen Bevölkerung auf der Insel, mit dem «Guardian» ins Gericht. Dies sei «nicht das erste Mal, dass die Zeitung die Linie überschritten hat, was fragwürdige Inhalte in Bezug auf die jüdische Bevölkerung betrifft», meinte die Organisation. 

Gemeint waren damit vereinzelte Texte und Karikaturen aus vergangenen Jahren, denen vorgeworfen worden war, eine israelkritische Haltung mit antijüdischen Ressentiments vermengt zu haben – und jüngst auch ein Leitartikel, der den früheren linkssozialistischen Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn in Schutz zu nehmen suchte, obwohl dieser wegen Antisemitismus aus seiner Partei ausgeschlossen worden war. «Der ‹Guardian›, als der Verfechter liberaler Werte, der er immer war, muss jetzt wirklich klar Stellung gegen Antisemitismus beziehen», hatte sich darüber im Februar Baronin Julia Neuberger, eine der ersten Rabbinerinnen Grossbritanniens, beklagt.