Analyse zur Klimakonferenz in Sharm al-SheikhEine bittere Wahrheit
Die Klimakonferenz hat eines gezeigt: Die historische Schuld der reichen Staaten gegenüber den ärmsten bleibt die grösste Hypothek in der internationalen Klimapolitik. Vier Erkenntnisse.

Die Menschheit hat die Wahl: Kooperieren oder untergehen. Das sagte UNO-Generalsekretär António Guterres an der Eröffnung der 27. Klimakonferenz in Sharm al-Sheikh vor knapp zwei Wochen. Es waren dramatische Worte, wohlwissend, dass sich das Fenster allmählich schliesst, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch zu erreichen – eine Erderwärmung um 1,5 Grad zu verhindern. Die Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer bekräftigten am G20-Gipfel in Bali letzte Woche denn auch, dass es oberstes Gebot sein muss, eine Erderwärmung um 1.5 Grad zu verhindern.
Es fehlte dennoch nicht viel, und die Konferenz wäre gescheitert. Nun kann die Konferenz doch noch einen Erfolg verbuchen: Für die ärmsten Staaten soll ein weiterer Finanztopf eingerichtet werden, um Schäden und Verluste nach Klimakatastrophen abzufedern. Hingegen fehlt weiterhin ein eindeutiges Bekenntnis dafür, nicht nur schrittweise aus der Kohle, sondern aus allen fossilen Energien auszusteigen. Eigentlich der einzige Weg, um nach wissenschaftlichen Erkenntnissen das 1.5-Grad-Ziel zu erreichen. Die EU machte denn auch klar, dass das Auskommen dieser Konferenz «enttäuschend» ist.
Der Geist von Sharm al-Sheikh präsentiert uns weiterhin eine bittere Wahrheit. Vier Erkenntnisse:
Fehlende Annäherung zwischen Nord und Süd
Die Annäherung zwischen Reichen und Armen, zwischen dem Norden und dem Süden stockt nach wie vor. Die historische Schuld ist die grosse Hypothek, welche die Klimaverhandlungen belastet. Hier die reichen Industriestaaten, die trotz grossen Investitionen in erneuerbare Energien weiterhin Kohle, Erdöl und Erdgas verbrennen und letztlich Auslöser der Erderwärmung waren. Dort die Entwicklungsländer, die als Erste von den Folgen des Klimawandels betroffen sind und deren Fortschritt durch jeden Wirbelsturm, jede Dürre und jedes Hochwasser gebremst wird.
Dass die Ärmsten von den Reichen finanzielle Unterstützung und technisches Wissen für den Klimaschutz und eine saubere Energieversorgung einfordern, ist nur recht. Die Industrieländer waren verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar bereitzustellen zugunsten der Entwicklungsländer. Dieses Ziel konnten die reichen Staaten aber bis heute nicht erfüllen. In Sharm al-Sheikh ging es um weiteres Geld, das die reichen Staaten in einen speziellen Finanztopf zahlen sollten, um Schäden und Verluste nach Klimakatastrophen in den ärmsten Staaten zu begleichen. Die Entwicklungsstaaten plus China konnte sich an der Klimakonferenz durchsetzen.
Die westliche Welt wird in den nächsten Jahren nun zeigen müssen, dass sie gewillt ist, in Zukunft Billionen Dollar in den armen Süden zu investieren, und die armen Staaten müssen beweisen, dass das Geld gezielt und effektiv in den Klimaschutz eingesetzt wird. Ansonsten wird die internationale Klimapolitik weiter gebremst – und die Ziele des Pariser Klimaabkommens bleiben in weiter Ferne.
Unfaire Klimaverantwortung
Der Streit über die zusätzlichen Hilfsgelder hat aber auch gezeigt, wie schwer es ist, die Idee des Pariser Abkommens umzusetzen: Jedes Land muss einen Beitrag an den globalen Klimaschutz leisten, gemessen an den politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten. Ohne die Hilfe aller lässt sich eine Erderwärmung um mehr als 1,5 Grad nicht verhindern. Schon lange missfällt deshalb mit Recht der EU, den USA und auch der Schweiz, dass sich die Wirtschaftsmacht China oder eine Erdölnation wie Saudiarabien bisher vor finanziellen Verpflichtungen drücken können.
Der Grund liegt darin, dass diese Staaten in der Klimarahmenkonvention, der Verfassung aus dem Jahr 1992, als Entwicklungsländer eingestuft sind – also nicht die gleichen Verpflichtungen wie die Industriestaaten eingehen müssen. Inzwischen hat sich die Weltordnung allerdings geändert, und China gehört zu den grössten CO₂-Emittenten pro Kopf. Mit dem Pariser Abkommen wurde diese Zweiteilung der Welt zwar aufgeweicht, es gibt aber keine Regelung zur Klimaverantwortung, wenn sich die wirtschaftliche Macht und die Emissionen verändern. Und China hat in Sharm al-Sheikh deutlich gemacht, dass es von einer neuen Regelung nichts wissen will. Es muss in Zukunft ein Weg gefunden werden, die Last der Klimafinanzierung fair auf alle Schultern zu verteilen.
Die fossilen Geister
Zahlreiche Gas fördernde afrikanische Staaten, inklusive das Gastgeberland der Klimakonferenz Ägypten, haben sich in Sharm al-Sheikh in Stellung gebracht, um in Zukunft ein Wörtchen auf dem globalen Gasmarkt mitreden zu können. Der Ukraine-Krieg hat dazu geführt, dass der Westen, vor allem die EU, seine Gasimporte verstärkt aus dem Süden, sprich Afrika, tätigt. Auch wenn die EU im Gas nur eine Übergangsenergie sieht, so werden viele afrikanische Staaten in den nächsten Jahren an den Verhandlungen darum kämpfen, dass die Abkehr von der fossilen Energie gebremst wird. Die Meinung, vorläufig nur mit Hilfe von fossiler Energie wirtschaftliche Fortschritte machen zu können, ist in diesen Staaten weiterhin verbreitet. Ohne massive Hilfe in den Aufbau einer sauberen Energieversorgung, wird sich daran noch lange nichts ändern.
Nur das höchste Ziel anstreben
Die Herausforderung, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, ist gigantisch, dennoch muss es die Leitplanke bleiben. Wird sie aufgegeben, ist das Pariser Abkommen in Gefahr. Ab 2025 sollten die globalen Treibhausgasemissionen sinken und sich bis 2030 halbieren. Nur so lässt sich gemäss Weltklimarat IPCC die Erwärmung verhindern. Das heisst: Der globale Ausbau der Solar- und Windkraft muss sich in den nächsten sieben Jahren jährlich vervielfachen, die Abkehr von der fossilen Energie muss beschleunigt werden, und die Subventionen in die Produktion von Kohle, Erdgas und Erdöl müssen massiv sinken. Im nächsten Jahr ist der erste Transparenzbericht fällig, in dem die Staaten Bericht erstatten, wo sie in der Umsetzung ihrer eingereichten Klimapläne stehen. Dann wird sich zeigen, wo wir wirklich stehen.
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