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Getreidedeal mit Russland läuft aus
Ein vorerst letztes Schiff hat Odessa verlassen

Das Abkommen sichert den Export von Dünger, Mais und Getreide: Ein Schiff aus Odessa wird in Istanbul untersucht. 
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Es ist wieder so weit: Heute Montag läuft das zwischen der Ukraine und Russland unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen ausgehandelte Getreideabkommen aus – und Moskau macht die Drohung wahr, die Vereinbarung nicht weiter zu verlängern. Angesichts dessen ist auch die Bereitschaft vor allem der UNO, Putins Erpressungsversuchen doch entgegenzukommen. Am Sonntagvormittag verliess das vorerst letzte Schiff den Hafen von Odessa.

Das Ende Juli 2022 in Istanbul unterzeichnete Abkommen garantiert den sicheren Export von Dünger, Mais, Getreide und anderen Nahrungsmitteln von Häfen im Süden der Ukraine über das Schwarze Meer. Die Frachtschiffe werden dabei von ukrainischen Lotsen durch einen 310 Seemeilen (574 km) langen und drei Seemeilen (5,5 km) breiten Korridor vorbei an den verminten Gebieten geführt. In Istanbul wird vor der Fahrt ins Schwarze Meer oder aus diesem heraus von Vertretern aller Vertragspartner eine Kontrolle der Schiffe durchgeführt, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen transportieren. Warum diese langwierigen Kontrollen auch bei der Fahrt aus dem Schwarzen Meer heraus durchgeführt werden, ist bis heute nicht ganz klar.

Russische Weizen-Exporte auf Rekordhoch

Moskau hatte 2022 immer wieder mit einer Kündigung gedroht und das Abkommen dann doch in letzter Sekunde meist um vier, zuletzt nur noch um zwei Monate verlängert. Russland beharrt auf der Umsetzung eines Teils der Vereinbarung, die den möglichst freien Zugang auch von Nahrung und Dünger aus Russland zum Weltmarkt vorsieht. Dieser Zugang wird jedoch laut dem Kreml nach wie vor durch die vom Westen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine verhängten Sanktionen eingeschränkt. Tatsächlich sind die russischen Weizen-Exporte laut amerikanischen Schätzungen, die sich auch mit anderen Quellen decken, auf einem Rekordhoch von mindestens 45 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr.

Die Exporte der Ukraine sind dagegen deutlich zurückgegangen: von knapp 20 auf etwa 15 Millionen Tonnen pro Jahr. Zuletzt waren die monatlichen Exporte über das Schwarze Meer sogar noch einmal stark gesunken, von fast 4 Millionen Tonnen im März und noch immer 2 Millionen im Juni auf nur noch gut 200’000 Tonnen im Juli. Der Grund dafür ist eine Reduktion der Inspektionen in Istanbul von durchschnittlich 11 am Tag im Oktober 2022 auf nur noch 1,4 im Juli 2023. Schuld daran sollen Verzögerungen durch die russischen Inspektoren sein. Russland weist diese Vorwürfe allerdings zurück.

Der Getreidedeal soll Hungersnöte in anderen Regionen der Welt verhindern: Ernte in der ukrainischen Region Odessa diesen Sommer.

Das Ziel des Abkommens war es eigentlich auch nicht, die Exportbilanzen der beiden im Krieg befindlichen Länder zu retten, sondern vor allem, Hungersnöte in anderen Regionen der Welt abzuwenden. Russland und die Ukraine produzieren grosse Menge an Getreide und Speiseöl, das in anderen Ländern dringend gebraucht wird. Vor allem in Afrika, aber auch in einigen asiatischen und südamerikanischen Staaten waren nach Beginn des Krieges in der Ukraine die Kosten für Lebensmittel stark gestiegen. Tatsächlich konnten durch das Abkommen die Preise für Mais um 26 Prozent, die für Weizen um 17 Prozent gesenkt werden. Das hat die Hungersnot mancherorts zumindest gelindert.

Die UNO wäre bereit, einen Teil der gegen Russland verhängten Sanktionen aufzugeben.

Am Freitag verkündete nun der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, er sei sich mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin grundsätzlich einig, dass der Getreide-Deal erneut verlängert werden sollte. Ob und für welchen Zeitraum das geschehen soll, ist aber nicht klar. Auch nicht, ob es für die Bereitschaft Moskaus zur Verlängerung Zugeständnisse gegeben hat. Vergangene Woche soll Putin von UNO-Generalsekretär António Guterres angeboten worden sein, Finanztransaktionen für die Russische Landwirtschaftsbank zu vereinfachen. Konkret würde das wohl bedeuten, die Bank oder eine Unterorganisation wieder in das internationale Zahlungssystem Swift zu integrieren. Die UNO wäre damit also bereit, einen Teil der wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine gegen Russland verhängten Sanktionen aufzugeben.

Was passieren würde, wenn Moskau das Abkommen nicht verlängert, ist unklar. Genau genommen besteht die Vereinbarung aus zwei Abkommen, eines, das Russland, und ein anderes, das die Ukraine mit der Türkei und der UNO geschlossen hat. Es gibt also keinen direkten Vertrag zwischen Russland und der Ukraine. Egal, was Moskau beschliesst, das Abkommen zwischen der Ukraine, der Türkei und der UNO würde demnach bestehen bleiben.

Blockiert Moskau erneut die Häfen?

Theoretisch könnten die Exporte also einfach fortgesetzt werden, wenn sich die Frachtschiffbetreiber auch ohne russische Garantien weiter in das Kriegsgebiet wagen und die Versicherer keine extrem hohen Summen für solche Fahrten verlangen. Ein Gerücht, dass die türkische Marine die Frachtschiffe eskortieren könnte, wurde bisher nicht bestätigt. Das Szenario ist denkbar, aber wenig wahrscheinlich.

Ebenso unwahrscheinlich ist es allerdings, dass die russische Marine Angriffe auf Frachter wagen würde. Die meisten der Schiffe, die derzeit die Exporte über das Schwarze Meer durchführen, fahren nicht unter ukrainischer Flagge. Es ist deshalb kaum denkbar, dass Russland sie angreift. Auch die Gefahr durch Minen dürfte durch einen russischen Rücktritt von dem Abkommen nicht grösser werden, als sie es ohnehin schon ist. Zu Beginn des Krieges blockierten russische Kriegsschiffe die ukrainischen Häfen. Das wäre als Massnahme Moskaus erneut denkbar. Ob die angeschlagene russische Schwarzmeerflotte zu einer solchen Blockade derzeit in der Lage wäre, ist allerdings alles andere als sicher.