Ein umstrittenes Steuergeschenk an die Kilchberger
Selten zog eine Gemeindeversammlung in Kilchberg so viele Stimmbürger an. 239 Kilchberger debattierten hitzig über die Senkung des Steuerfusses auf rekordverdächtige 72 Prozent.
![Dass der Kilchberger Gemeinderat den Steuerfuss trotz Defizit senken möchte, sorgte bei der Gemeindeversammlung für Zündstoff.](https://cdn.unitycms.io/images/DaK8rqIkqOs9-TOSwuq-1q.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=GNdjRsJ-W6I)
Eine Gemeindeversammlung der Rekorde. «Gemeinhin heisst es ja, Finanzen seien eine trockene Angelegenheit. Diese Aussage strafen Sie Lügen mit Ihrem zahlreichen Erscheinen», begrüsste Finanzvorstand Dieter Lehner (FDP) die rekordverdächtigen 239 Kilchberger im Gemeindesaal. Was lockte sie aus der warmen Stube? Womöglich das brisante Budget mit rekordtiefem Steuerfuss bei rekordhohem Defizit.
Die Senkung spaltete die Gemeindeversammlung in zwei Lager. «Wir planen langfristig und mit Seriosität. Unser Kostenbewusstsein trägt Früchte», erklärte Finanzvorstand Dieter Lehner (FDP). Um dies zu unterstreichen, präsentierte er einen Ausblick bis 2021, der aufzeigte, dass der Steuerfuss mindestens vier Jahre lang auf dem tiefen Niveau von 72 Prozentpunkten gehalten werden kann.
Die Grafik zeigt die Entwicklung der Steuerfüsse (Gesamtsteuerfüsse ohne Kirche) seit 2010 in den Gemeinden des linken Seeufers.
«Der optimistische Finanzplan konnte der Detailprüfung standhalten. Wir können davon ausgehen, dass die Steuerkraft weiter zunimmt», sagte Walter Siegenthaler, Präsident der Rechnungsprüfungskommission (RPK). Geld für schlechte Jahre anzuhäufen, sei nicht Aufgabe der Gemeinde. So sahen dies auch diverse Votanten.
Ganz anders klang es auf der anderen Seite. «Was für eine Gemeinde möchte Kilchberg sein? Eine Gemeinde, die nur wirtschaftliche Interessen verfolgt, oder eine, die allen Bewohnern ein angenehmes Leben bietet?», lautet das Votum einer Kilchbergerin, die beantragt, den Steuerfuss bei 76 Prozent zu belassen. Eine weitere Votantin zeigte sich enttäuscht über die Steuersenkung bei anhaltendem Sparappell: «Nur wenige Bewohner profitieren von tiefen Steuern, viele leiden aber unter der Sparwut.» Andere sorgten sich um nötige Investitionen, die zugunsten eines tiefen Steuerfusses auf die lange Bank geschoben würden.
Ein knappes Ja
Der Antrag des Gemeinderates auf Steuersenkung auf 72 Prozent wurde schliesslich knapp angenommen: 85 stimmten für ein Belassen des Steuerfusses – 104 für eine Senkung. Kilchberg wird demnach 2018 den tiefsten Steuerfuss des ganzen Kantons Zürich haben. Nach diesem Beschluss verliessen Kritiker scharenweise den Saal.
Die optimistische Steuerpolitik überrascht angesichts des Voranschlags – auf den ersten Blick. Denn hier steht eine tiefrote Zahl: Das Kilchberger Budget 2018 sieht ein Minus von 26 Millionen Franken vor, bei einem Aufwand von rund 140 Millionen Franken und einem Ertrag von 114 Millionen Franken. Grund für das hohe Defizit sind freiwillige Abschreibungen von rund 29,7 Millionen Franken. Ein letztes Mal ist es möglich, solche zu tätigen. Denn 2019 tritt im Kanton Zürich das neue Rechnungsmodell HRM2 in Kraft, das diese nicht mehr vorsieht. Mit dem erklärten Ziel, ab 2019 ohne Altlasten zu starten, wurden alle Abschreibungen zusammengekratzt. Die RPK begrüsste dies.
Zweites Traktandum
Die Gemeindeversammlung nahm den Antrag des Gemeinderates an, das Verwaltungsvermögen nicht neu zu bewerten, wie das HRM2 es vorsehen würde. Eine Neubewertung des Verwaltungsvermögens würde für die Gemeinde Kilchberg eine rein buchhalterische Aufwertung von Millionen Franken bedeuten – ohne dass die Gemeinde einen Franken mehr in der Kasse hätte, hielt der Gemeinderat fest. Dies überzeugte die verbliebenen Anwesenden. (Andrea Schmider)
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