Q&A zu neuem Roche-Corona-TestEin Resultat innert 15 Minuten
Roche bringt einen neuen Corona-Schnelltest auf den Markt. Für wen er geeignet ist – und wie er ablaufen wird.
Um was geht es?
Der Schweizer Pharmakonzern Roche hat am Dienstag die Lancierung eines neuen Corona-Schnelltests angekündigt. Der Test benötigt, ungleich den gängigen PCR-Testverfahren, keine Laborinfrastruktur und soll innert 15 Minuten ein Ergebnis liefern. Er wird Ende September zunächst in Europa verkauft. Der Pharmariese strebt zudem eine Notfallzulassung in den USA an. Die Tests sollen dabei helfen, infizierte Personen schneller zu entdecken und medizinische Kapazitäten effektiver zu nutzen (Lesen Sie hier, wie solche Tests bei der Eindämmung des Virus helfen könnten). Besonders in der bevorstehenden Grippesaison sei es wichtig, zu wissen, ob eine Person am Coronavirus oder an der Grippe erkrankt sei, lässt sich Thomas Schinecker, Chef der Roche-Diagnostik-Sparte, in einem Communiqué zitieren.
Was ist das für ein Test?
Bei den Roche-Schnelltests handelt es sich um sogenannte Antigen-Tests. Diese detektieren nicht Teile des Viren-Erbguts (RNA), wie das vielerorts bislang aufwendig mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) im Labor gemacht wird, sondern lediglich Teile der Virushülle. Dies geschieht im Falle des Roche-Tests über einen Papierstreifen, welcher mit spezifischen Antikörpern beschichtet ist. Sind Corona-Antigene in ausreichender Konzentration vorhanden, binden diese an die Antikörper, was innert 15 Minuten zu einer Markierung auf dem Teststreifen führt. Mit gängigen PCR-Testverfahren dauert es meistens mehrere Stunden, bis ein Resultat vorliegt. Antigen-Tests bedürfen keiner Laboruntersuchung und könnten relativ einfach in Arztpraxen, in einer Apotheke oder sogar zu Hause durchgeführt werden.
Wer soll getestet werden?
Die Schnelltests von Roche fungieren als Unterstützung zu den bestehenden Testverfahren. Personen mit Covid-19-kompatiblen Symptomen, aber auch asymptomatische Personen, welche sich einem erhöhten Risiko aussetzen beziehungsweise bereits ausgesetzt haben, sollen mithilfe des Tests frühzeitig über ihre Infektiosität informiert werden.
Gemäss einer Anleitung des US-Gesundheitsministeriums sind die Schnelltests vor allem in den Anfängen der Infektion am effektivsten, wenn die Virusladung am höchsten ist. Im Vergleich mit PCR-Tests sind die Resultate ungenauer. Um das auszugleichen, sollten die Testresultate mit weiteren Faktoren, etwa Symptomen oder Kontakten zu Infizierten, abgeglichen und gegebenenfalls ein weiterer Test durchgeführt werden, schreibt Roche.
Eine breite Anwendung solcher Tests halten Fachleute hingegen für unsinnig. Denkbar wären sie etwa in Situationen, wo sich viele Leute für eine längere Zeit aufhielten und ein Sicherheitsabstand nicht gewährleistet werden könne, sagte ETH-Biologe und Mitglied der Expertengruppe «Diagnostics and Testing» der Covid-19-Taskforce des Bundes, Markus Stoffel, gegenüber dieser Zeitung. So könnte man etwa vor dem Einlass in einen Club oder vor dem Boarding am Flughafen auf so einen Test zurückgreifen.
Wie läuft ein solcher Test ab?
Der Test funktioniert, wie etwa auch Schwangerschaftstests, nach dem sogenannten Lateral-Flow-Prinzip. Dabei wird mit einem Wattestäbchen ein Abstrich im hinteren Nasen-Rachenraum genommen. Dieser Abstrich wird dann gemeinsam mit einer Flüssigkeit auf einen Teststreifen aufgebracht, welche den Abstrich vom Tupfer löst und dafür sorgt, dass die potenziell vorhandenen Antigene auf dem Streifen transportiert werden können. Nach rund 15 Minuten zeigt der Test an, ob Antigene tatsächlich vorhanden sind und somit eine aktive Infektion mit dem Coronavirus vorliegt.
Ein Diagnosegerät ist nicht erforderlich, der Test kann theoretisch überall durchgeführt werden. Trotz dessen Einfachheit ist ein Heimgebrauch, wie ihn gewisse Experten für Schnelltests fordern, nicht vorgesehen. «Der Abstrich muss von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden», erklärt Roche-Mediensprecher Patrick Barth auf Anfrage.
Wie viel wird der Test kosten?
Hauptargument für die Tests sind, neben der Schnelligkeit und der einfachen Handhabung, die günstigen Herstellungskosten. Wie der Harvard-Epidemiologe Michael Mina in einem Beitrag für die Universitätszeitschrift «The Harvard Gazette» meinte, könnten solche Schnelltests für unter einen US-Dollar pro Einheit hergestellt werden. Roche äussert sich auf Anfrage nicht zur Höhe der Preise. Mediensprecher Barth versichert jedoch, dass das Unternehmen diese so gestalte, dass sie keine Barriere für den Zugang darstellten.
Wann kann ich mich testen lassen?
Roche kündigte an, die Tests per Ende September auf den Markt zu bringen. Ab dann will der Pharmariese rund 40 Millionen Einheiten pro Monat herstellen. Bis Ende Jahr soll diese Zahl mehr als verdoppelt werden, heisst es im Communiqué. Doch bis wann sie auch breitflächig in der Schweiz zur Anwendung kommen werden, ist noch offen.
Die Roche-Schnelltests wurden in Indien und Brasilien auf ihre Genauigkeit hin überprüft, worauf sich auch das Pharmaunternehmen bei den Angaben stützt. In der Schweiz steht eine umfassende Validierung jedoch noch aus, wie Daniel Dauwalder, Mediensprecher beim Bundesamt für Gesundheit, erklärt. Die Konsequenz: «Schnelltests zum Nachweis von Covid-19 sind ausserhalb bewilligter Labors nicht zulässig.»
Eines dieser bewilligten Labors befindet sich beim Institut für Medizinische Virologie der Universität Zürich. Das Universitätsspital Zürich (USZ) lässt seine Proben unter anderem dort untersuchen. Hier dürften die Tests durchaus gekauft und angewendet werden, meint Dauwalder. Auf Anfrage äussert sich das USZ noch etwas vorsichtig über eine baldige Anwendung der Tests. «Das USZ hat sehr hohe Ansprüche an Covid-19-Tests. Ob die Schnelltests diese erfüllen, muss sich zuerst zeigen», sagt die USZ-Kommunikationsbeauftragte Katrin Hürlimann. Man beobachte die Lage hinsichtlich aller Neuerungen jedoch genau.
Was meinen Experten?
Hauptkritikpunkt solcher Schnelltests ist deren Ungenauigkeit, insbesondere hinsichtlich ihrer Sensitivität. Diese gibt an, bei welchem Prozentsatz aller Infizierten der Test tatsächlich auch ein positives Resultat liefert. «Viele Fachleute stehen diesen Tests kritisch gegenüber», erklärte ETH-Biologe Markus Stoffel. Er warnt vor falscher Sicherheit, sollten die Tests zu ungenau sein – meint jedoch auch, dass sie, sollten sie die Qualitätsanforderungen erreichen, auch Vorteile mit sich brächten. So würden etwa Laborkapazitäten eingespart und durch das schnellere Testresultat das Contact-Tracing vereinfacht (Lesen Sie hier, wie es um die Testkapazitäten in der Schweiz bestellt ist).
Roche beziffert die Sensitivität ihres Tests auf 96,52 Prozent – ein für Antigen-Schnelltests relativ hoher Wert. Gängige PCR-Tests erreichen hier jedoch 98 bis weit über 99 Prozent. Die Spezifität, also der Anteil der Nichtinfizierten, die ein negatives Testergebnis erhalten, ist mit 99,68 Prozent wiederum auf hohem Niveau.
Die vergleichsweise tiefere Sensitivität sei kein Grund, die Tests nicht trotzdem durchzuführen, meint Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Dass Infektionen übersehen würden, sei meist darauf zurückzuführen, dass nur wenig Viren im Körper seien. Dies wiederum bedeute nach jüngsten Erkenntnissen, dass die Betreffenden niemanden mehr anstecken könnten. «Und das ist etwas ganz Entscheidendes», sagt der Virologe. «Wir brauchen Tests, die Infektiosität nachweisen.»
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