Hohe globale Nachfrage So steht es um die Testkapazitäten in der Schweiz
In Deutschland warnen Experten vor einem Engpass an Materialien für die Corona-Tests. Wie sieht die Lage in der Schweiz aus?
Wer aus einem Corona-Risikogebiet an einem deutschen Flughafen ankommt, muss seit dem 8. August zum Corona-Test antraben. Aber auch Reisende aus Nichtrisikoländern können sich am Flughafen testen lassen. Die Kosten – sowohl für die obligatorischen als auch für die freiwilligen Tests – übernehmen seit dem 1. August der Bund oder die Bundesländer. Denn Tests, die etwas kosteten, versuchten manche Reisende möglicherweise zu vermeiden, rechtfertigte Gesundheitsminister Jens Spahn den Entscheid.
Doch nun regt sich ausgerechnet aus Fachkreisen Widerstand gegen diese Teststrategie. In einem Brief an den Berliner Bürgermeister Michael Müller und die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci empfehlen Laborleiter, die kostenlosen Tests an den Flughäfen wieder einzustellen. Wegen der «weltweiten Kontingentierung der zwingend benötigten Reagenzien und Verbrauchsmaterialien» gingen die Kapazitäten in Berlin zur Neige, heisst es in dem internen Schreiben, von welchem der «Tagesspiegel» am Samstag berichtete. Unterschrieben wurde dieses offenbar auch vom Virologen und Leiter der renommierten Berliner Charité, Christian Drosten.
Die Autoren geben zu bedenken, dass schon jetzt «die Diagnostik im Rahmen der geplanten Testung von Pflegepersonal in Alten- und Pflegeheimen» erschwert sei. Die Testung von Reiserückkehrern «im Umfang der vergangenen Woche» sei durch die Berliner Labore daher nicht mehr möglich. Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci bestätigte am Montag den sich anbahnenden Engpass bei den Corona-Tests aufgrund der massiven Testungen bei Reiserückkehrern. «Wir sind jetzt bei 93 Prozent», sagte die SPD-Politikerin im Gesundheitsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Am Montag haben sich die Gesundheitsminister der Länder bei einer Schaltkonferenz über das weitere Vorgehen bei den Reiserückkehrern beraten.
«Müssen ‹alert› sein»
In der Schweiz wurden in den vergangenen Tagen im Schnitt rund 6000 Personen täglich auf das Coronavirus getestet. Möglich wären nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) jedoch zwischen 20’000 und 25’000 Tests pro Tag. In nächster Zeit will das BAG die Kapazitäten zusätzlich um etwa 6000 Tests erhöhen, wie Mediensprecher Yann Hulmann auf Anfrage mitteilt. Damit soll auch für die nächsten Monate ausgesorgt sein.
Auch Andreas Bucher, Informationschef beim für die Lageverfolgung der verschiedenen privaten Testlabore zuständige Labor Spiez, zeigt sich bezüglich der Versorgung mit Corona-Tests zuversichtlich – trotz schwieriger Situation am Weltmarkt. «Grundsätzlich sind die Lieferketten von Reagenzien und Verbrauchsmaterial derzeit nicht sehr robust – dies aufgrund der globalen Nachfrage, aber im Moment funktionieren sie, und der erforderliche Nachschub funktioniert», erklärt Bucher.
Dies deckt sich mit den Angaben von verschiedenen Laboren und Testzentren. Viollier etwa, eines der grössten Diagnostiklabore in der Schweiz, verfügt laut eigenen Angaben derzeit über «bedeutende» ungenutzte Testkapazitäten. Und auch für die voraussichtlich intensivste Zeit, im Winter, blieben bei gleichbleibender Teststrategie weiterhin Kapazitäten ungenutzt, wie Philipp Füglistaler, Mitglied der Geschäftsleitung, auf Anfrage sagt.
Beim Zentrum für Corona-Tests und Reisemedizin der Universität Zürich, welches ihre Tests von verschiedenen Laboren untersuchen lässt, gibt es ebenfalls noch keine Hinweise auf einen Engpass, wie Infektionsexperte Jan Fehr mitteilt. Im Hinblick auf die bevorstehenden Monate mahnt Fehr jedoch zur Vorsicht: «Wir müssen ‹alert› sein und schauen, dass genügend Material, also Abtupfer und Reagenzien, aber auch Grundsätzliches wie Schutzmasken und Schutzbrillen, auf Lager sind.»
Derzeit können sich in der Schweiz alle Personen mit Corona-Symptomen oder einer Kontaktmeldung durch die Corona-App kostenlos testen lassen. Reiserückkehrern aus Risikoländern wird grundsätzlich kein Corona-Test empfohlen. Ein negatives Testresultat würde die vorgeschriebene Quarantäne ohnehin nicht aufheben oder verkürzen, wie es auf der Website des BAG heisst. Laut Mediensprecher Yann Hulmann ist für die Herbst- und Wintermonate keine Änderung dieser Teststrategie vorgesehen.
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine aktualisierte Version des Berichts über Engpässe bei den Testkapazitäten in Deutschland vom Montagmittag. Neu beinhaltet der Text nun auch einen Bezug zur Situation in der Schweiz.
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