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Ein Österreicher, der in kein Schema passt

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Wer Dominic Thiem an der Kasse eines Supermarkts oder am Tresen einer Kaffeebar begegnen würde, käme kaum auf die Idee, einen Weltklasse-Athleten vor sich zu haben, der vor Zehntausenden auftritt und Millionen verdient. Würde er mit Freunden durch den Wiener Prater spazieren, ginge er in der Masse unter – es sei denn, er begegnete Tenniskennern. Damit hätte er aber auch keine Probleme. Weil er es versteht, die Dinge einfach zu halten.

Hinter seinem freundlichen, unprätentiösen Wesen verbirgt sich eben auch ein Kämpfer mit Qualitäten, die ihn ohne sichtbare Anstrengung und trotz seiner angeborenen Bescheidenheit dann die beste Leistung bringen lassen, wenn es zählt. Seine einhändige Rückhand gehört zu den bestechendsten Schlägen des Profitennis – und lassen dabei viele übersehen, wie gut der Rest seines Spiels ist. «Viel lieber schlage ich mit der Vorhand». gibt er zu. «Mit ihr kann ich machen, was ich will.»

Nachdem er im Viertelfinal den grossen Rafael Nadal in 4:10 Stunden 7:6, 7:6, 4:6, 7:6 besiegt hatte, gewann er den ähnlich ausgeglichenen zweiten Halbfinal am Freitag gegen Wawrinka-Bezwinger Alexander Zverev 3:6, 6:4, 7:6, 7:6. Zu den fünf gewonnenen Tiebreaks in Serie sagte er im Platzinterview zu John McEnroe: «Tiebreaks sind immer eine 50/50-Sache. Ich hatte aber in allen einen sehr guten Start und ging meistens 3:0 in Führung. Das gibt dir Vertrauen.» So einfach ist das.

Thiem ist – und das ist eine seiner Qualitäten – keiner, der sich die Tenniskarriere unnötig verkompliziert. Er hat keine Allüren, nimmt sich nicht zu wichtig und bürdet sich keine grossen Erwartungen auf. Als es Anfang des 3. Satzes gegen Zverev eine längere Pause gab, weil ein Teil des Flutlichts ausgefallen war, genoss er die Stimmung in der wegen Regens geschlossenen Arena Darin sangen und tanzten die Zuschauer zu Neil Diamonds Ohrwurm «Sweet Caroline». «Ich mag den Song, ich fühlte mich, als ob ich in Ischgl in den Skiferien wäre», sagte er.

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... danach übernimmt aber Thiem das Spieldiktat.
Dominic Thiem steht erstmals in einem Grand-Slam-Final auf Hartbelag.
Der Österreicher, der den Deutschen Alexander Zverev in vier Sätzen ausschaltete, versteht sich mit seinem Gegner sehr gut.

Der Niederösterreicher aus der Wiener Neustadt bringt seine Leichtigkeit vielleicht auch deshalb mit, weil er nicht aus einer der grossen Tennisnationen stammt, wie den USA, Australien, Frankreich oder Grossbritannien. Während diese sehnsüchtig auf den nächsten Champion warten und jedes Talent sofort mikroskopisch verfolgt wird, hat er sich in der Alpenrepublik fast unbemerkt bereits die dritte Chance verschafft, einen Grand-Slam-Titel zu holen. Die ersten zwei hatte er gegen Nadal in Paris verloren. «Und jetzt treffe ich auf Djokovic, der hier ebenfalls mehr Titel als sonst einer gewann. Immer treffe ich auf die Könige dieser Turniere», kommentierte. er.

Auch diese Worte tönten eher belustigt als frustriert. Denn Thiem weiss, dass er auch auf Hartplätzen siegen kann. In Indian Wells gewann er 2019 das grösste Turnier auf diesem Belag ausserhalb der Grand-Slam-Anlässe im Final gegen Federer. Er ist von seinem früheren Lehrmeister Günter Bresnik bestmöglich auf seine Aufgaben eingestellt worden. Inzwischen hat er den Chilenen Nicolas Massu an seiner Seite, Bresnik hat ausgedient. Der Versuch, sein Team mit dem bisher einzigen österreichischen Majorchampion Thomas Muster zu ergänzen, scheiterte in Melbourne nach nur zwei Wochen kläglich. Was andere aus der Bahn geworfen hätte, war für Thiem nur ein Intermezzo: Es klappte einfach nicht, keine grosse Sache.

«Ich muss vorsichtig sein»

Dass er sich so leicht von Muster trennte, illustriert auch, dass Thiem sich seiner Lage bewusst ist. Er ist keiner der «Next Gen», er passt auf der Profitour in kein Schema und bewegt sich im Niemandsland zwischen den Big 3 und den Medwedews, Zverevs und Tsitsipas. Die Uhr ist schon fortgeschritten. «Ich bin jetzt 26 und auch nicht mehr der Jüngste», sagt er. «Ich muss vorsichtig sein mit meiner Karriere und die richtigen Entscheidungen treffen. Aber inzwischen bin ich ja auch schon etwas erfahren». Björn Borg trat mit 27 einst zurück.

Thiem ist gegen Novak Djokovic logischerweise Aussenseiter. Seine Ausgangslage ist deutlich schlechter – aber für ihn das Turnier längst ein Erfolg. «Es war nicht leicht, sich von der Partie gegen Nadal zu erholen, zumal ich erst um fünf Uhr ins Bett kam», sagte Thiem. Er steht erstmals in einem Majorfinal auf Hartplatz und hatte auf dem Weg in das Endspiel viel härteren Widerstand zu brechen als der Serbe. Dieser hatte gegen einen angeschlagenen Federer eher leichtes Spiel und war am Freitag spielfrei. Bisher ist es erst Stan Wawrinka gelungen, am gleichen Grand-Slam-Turnier Nadal und Djokovic zu schlagen – der Lausanner hatte 2014 im Final von Melbourne gegen den Spanier auch von dessen Rückenproblemen profitiert.

Doch bei aller Bescheidenheit weiss Thiem auch, dass Djokovic kein übermächtiger Gegner ist. Immerhin hat er vier der zehn bisherigen Duelle gewonnen, davon zwei am French Open. Und es ist ja nur ein Tennisspiel.

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