Kommentar zum UNO-MigrationspaktEin Nein kann sich die Schweiz kaum leisten
Die Migration ist ein globales Phänomen und kann nur global angegangen werden. Darum sollte die Schweiz beim UNO-Migrationspakt nicht abseitsstehen.
Der Entscheid war überfällig: Der Bundesrat wird dem Parlament den UNO-Migrationspakt vorlegen. 152 Staaten haben den «Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration» im Dezember 2018 angenommen. 152 Staaten, nicht aber die Schweiz. Die Schweiz gesellte sich zu jenen 17 Staaten, die in der UNO-Generalversammlung in New York den Pakt entweder ablehnten oder sich ihrer Stimme enthielten. Dabei hatte Jürg Lauber, der Schweizer UNO-Botschafter in New York, den Pakt mit ausgearbeitet.
Die internationale Gemeinschaft ist Jürg Lauber für seine Leistung bis heute dankbar. Das Aussenministerium in Bern hingegen muss sich den Vorwurf gefallen lassen, seinen eigenen Mann desavouiert zu haben.
Der bundesrätliche Entscheid, den Pakt dem Parlament vorzulegen, kommt zum heutigen Zeitpunkt überraschend. Hängt er allenfalls mit dem Machtwechsel in den USA zusammen? Unter Präsident Donald Trump gehörten die USA zu jenen Staaten, die von einer internationalen Übereinkunft in Migrationsfragen nichts wissen wollten und 2018 den Pakt auch nicht unterschrieben. Unter dem neuen Präsidenten Joe Biden könnte das Anliegen wieder Chancen haben, weil dieser auf eine offenere Migrationspolitik und eine konsequent multilaterale Diplomatie zu setzen scheint.
Oder geht es der Schweiz darum, im Hinblick auf die Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat ihr aussenpolitisches Profil zu bereinigen? Haben Staaten gar signalisiert, die Schweiz solle oder müsse den Pakt unterschreiben, um bei der Wahl ihre Stimme zu bekommen? Oder hat der Bundesrat plötzlich bemerkt, dass es für die Pflege und das Renommee des UNO-Standorts Genf doch besser ist, dem Pakt beizutreten, als weiter aussen vor zu stehen?
Migranten haben Rechte
Wenn Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) den Migrationspakt demnächst dem Parlament vorlegt, schafft er jene Situation, die er seit seinem Amtsantritt verspricht. «Aussenpolitik ist Innenpolitik», pflegt Cassis zu sagen. Doch das Parlament tut im Fall des Migrationspakts gut daran, nicht in engen innenpolitischen Grenzen zu denken. Mit der UNO-Menschenrechtskonvention wurde schon vor 70 Jahren das Recht auf Bewegungsfreiheit beschlossen. Sie gibt jeder Person das Recht, ihr Land zu verlassen und sicher in ihr Land zurückzukehren. Das wiederum bedeutet nicht, dass sich jeder dort niederlassen darf, wo er will. An dieser Rechtslage ändert der Migrationspakt nichts. Diesbezügliche Ängste von bürgerlicher Seite sind unbegründet.
«Wenn manche gegen die Menschenrechte kämpfen, müssen wir umso energischer für sie kämpfen und sie verteidigen.»
Vielmehr verlangt der Pakt, der unter sogenanntes Soft Law fällt und nicht zum Völkerrecht gehört, dass sich Staaten für eine geordnete, sichere Migration einsetzen. Menschen werden auch in Zukunft fliehen wollen oder müssen: wegen Kriegen, wegen der Repression autokratischer Regime, wegen Naturkatastrophen oder der Folgen der Klimaerwärmung. Oder Leute verlassen ihre Heimat, weil sie für sich oder ihre Familie andernorts ein wirtschaftlich besseres Auskommen sehen. Die Probleme, die sich dabei ergeben, kann auch die Schweiz nur lösen, wenn sie als Teil der Staatengemeinschaft mit anderen Ländern zusammenarbeitet. Michelle Bachelet, die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte in Genf, hat recht, wenn sie sagt: «Wenn manche gegen die Menschenrechte kämpfen, müssen wir umso energischer für sie kämpfen und sie verteidigen.» Die Schweiz sollte dabei nicht abseitsstehen.
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