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Ein Mittelchen sorgt an der Tour für Aufruhr

Wout van Aert von der Sportgruppe Jumbo-Visma: Etappensieger dank Wundermittelchen?
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Die Geschichte beginnt mit einer nüchternen Antwort. «Ketone ist ein Nahrungsergänzungsmittel und nicht verboten. Auch andere Teams verwenden es», sagte Richard Plugge kürzlich gegenüber «De Telegraaf». Die Aus­sage wäre kaum um die Radwelt gegangen –liefe nicht die Tour de France. Und wäre Plugge nicht Chef von Jumbo-Visma. Die Equipe hat mit vier Etappen­siegen die erste Hälfte der Rundfahrt bestimmt. Gestern hätte ihr Sprinter Dylan Groenewegen beinahe auf fünf erhöht, nur um Zentimeter wurde er von Tour-Debütant Caleb Ewan bezwungen.

Das andere Team, bei dem der Ketone-Einsatz bestätigt ist («Es gehört bei einigen Fahrern zum Ernährungsplan», so der Teamsprecher), ist mit Deceuninck-Quickstep das zweite an dieser Tour so erfolgreiche. Das ruft natürlich die Dopingskeptiker auf den Plan.

Bereits 2012 in London?

Nur: Gibt es da etwas zu mäkeln? Ketone ist nicht neu, die Briten sollen es bereits an den Spielen 2012 in London benützt haben. Damals war die Herstellung noch sehr teuer, eine Portion kostete gegen 1000 Franken.

Warum blieb Ketone ein Thema? Weil dem Getränk Wunderdinge attestiert werden. Ketone bildet der Körper natürlich, wenn ihm über lange Zeit (sprich: Tage) keine Kohlenhydrate zugeführt werden. Diese animieren den Körper dazu, Fett effizient zu verstoffwechseln – er geht über in einen Überlebensmodus. Wird Ketone zugeführt, baut der Athlet, ohne zu hungern, körpereigenes Fett ab. Damit nicht genug: Ketone soll eine Leistungssteigerung von 15 Prozent bewirken, besagt eine Studie der Universität Leuven in Belgien.

Ineos braucht es nicht mehr

Doch deren Ergebnisse sind nicht ganz so eindeutig, wie es die Hersteller gern hätten. Darum steht Ketone auch nicht auf der Dopingliste. Interessant ist bei der momentanen Aufruhr auch die Tatsache, dass das Team Ineos, das schon mit dem Supplement experimentierte, als es für die meisten Teams noch unerschwinglich war, es nicht mehr benützt, wie Chef David Brailsford gestern bestätigte.

Swiss-Olympic-Chefarzt Patrick Noack sagt zudem, dass sich der Einsatz erst lohne, wenn ein Athlet in der Ernährung schon sehr konsequent ist: «Doch da erlebe ich viele, die dafür zu faul sind und stattdessen lieber am Material noch optimieren.»

«Es schmecke schlecht»

Das Gros der Teams ist bezüglich der grossen Versprechungen von Ketone sehr zurückhaltend. Besonders skeptisch sind die franzöischen Teams, wie «L'Equipe» berichtet. Aber nicht nur die. «Ich habe gehört, dass es den Hunger unterdrückt. Zudem schmecke es sehr schlecht. Es existiert ja schon eine Weile – und mir lief es in der Zeit trotzdem nicht schlecht», sagt Rohan Dennis (Bahrain-­Merida), der amtierende Zeitfahr-Weltmeister. EF- Teamchef Jonathan Vaughters, ein grosser Anti-Doping-Vorkämpfer, sagt: «Ich verstehe die Aufregung nicht. Da wird etwas in die Dopingecke geschoben, das nicht dorthin gehört.» Auch sein Team nützt Ketone nicht. Kritisch ist auch Stefan Küng: «Ich werde das sicher genauer anschauen. Ich stelle mir aber die Frage, wie gesund es ist, wenn man den Körper in den Überlebensmodus versetzt.»

Was künftig mit Ketone passiert, hängt primär von weiteren wissenschaftlichen Studien ab. Klar wäre der Fall, wenn sich die Studie bewahrheiten sollte, von der Noack gehört hat: Laut dieser wurde nach einer Ketone-­Infusion (was im Radsport per se verboten ist), eine um 30 Prozent erhöhte körpereigene EPO-Produktion festgestellt. Auch dieses Resultat nimmt er mit Vorsicht zur Kenntnis. Denn: «Wenn dem so wäre, stünde Ketone schon lange auf der Dopingliste.»