Juristische Niederlage für RepublikanerEin konservativer Richter gibt den Demokraten Hoffnung
Mit vier zu vier Stimmen hat der Oberste Gerichtshof eine Klage gegen die Briefwahl abgewiesen. Die Konstellation unterstreicht, warum die Wahl der neuen Richterin Amy Coney Barrett so brisant ist.

Bei einer Wahl, bei der jede Stimme zählt, wird zuweilen mit allen Tricks gekämpft. Aber was die Republikaner in Pennsylvania vorhatten, ging dann doch zu weit. Sie wollten den Wahlbehörden in dem Bundesstaat gerichtlich verbieten lassen, per Brief zugesandte Wahlzettel zu zählen, die nach dem Wahltag am 3. November bei ihnen eintreffen. Konkret hätte das bedeuten können: Ein Wähler, der seine Briefwahlunterlagen regulär beantragt, ausgefüllt und dann kurz vor dem Wahltag abgeschickt hat, hätte seiner Stimme beraubt werden können, weil die Post gebummelt hat.
Das US-Verfassungsgericht hat nun geurteilt, dass eine so starre Stichtagsregelung nicht zulässig ist. Die Richter lehnten es am Montag ab, ein gleich lautendes Urteil des Obersten Gerichtshofs von Pennsylvania zu kippen. Demnach müssen alle Briefwahlstimmen gezählt werden, die vor dem oder am 3. November von der Post abgestempelt wurden und spätestens drei Tage nach dem Wahltag bei den Behörden eingetroffen sind. Auch das garantiert zwar nicht, dass wirklich jede einzelne per Post abgegebene Stimme gezählt wird – der US Postal Service ist nicht für seine Schnelligkeit berühmt. Aber drei Tage sollten reichen, um die allermeisten Wahlzettel zu befördern.
Mehr Demokraten stimmen per Brief
In politischer Hinsicht ist das Urteil ein klarer Sieg für die Demokraten und ihren Kandidaten Joe Biden. Vor vier Jahren hatte der Republikaner Donald Trump in Pennsylvania gewonnen, im Moment aber liegt Biden dort in den Umfragen vorne. Sollte Biden in Pennsylvania siegen, wäre er seinem Ziel, Trump die Präsidentschaft abzujagen, einen grossen Schritt weiter. Der Staat hat 20 Stimmen im Electoral College, jenem Gremium, das den US-Präsidenten formell wählt. Da aber dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie deutlich mehr Demokraten per Brief abstimmen als Republikaner, ist es für Biden äusserst wichtig, dass möglichst alle Briefwahlzettel gezählt werden.
Für die Republikaner geht die Rechnung genau andersherum. Sie gehen davon aus, dass die meisten ihrer Wähler ihre Stimme persönlich am Wahltag abgeben werden. Von den Briefwahlunterlagen, die später eintreffen, erwarten sie sich keinen entscheidenden Stimmenzuwachs. Sie hatten daher vor Gericht argumentiert, dass es zu Unregelmässigkeiten kommen könnte, wenn nach dem 3. November noch Wahlzettel angenommen würden. Betrüger könnten dann ihre Unterlagen erst am 4. oder 5. November ausfüllen. Die Richter hielten dieses Risiko aber offensichtlich für gering.
Seit dem Tod der Richterin Ruth Bader Ginsburg hat das US-Verfassungsgericht statt neun nur acht Mitglieder.
Allerdings nicht alle Richter. Seit dem Tod der Richterin Ruth Bader Ginsburg hat das US-Verfassungsgericht statt neun nur acht Mitglieder. Und vier dieser Richter, die allesamt dem konservativen Flügel des Gerichts angehören, stimmten am Montag für die von den Republikanern geforderte Stichtagsregelung. Dass diese keine Mehrheit fand, lag nur daran, dass der Vorsitzende Richter John Roberts mit den drei liberalen Richtern dagegen votierte. Bei einem Stimmenpatt im Supreme Court behält die Entscheidung der vorausgegangenen Instanz ihre Gültigkeit – in diesem Fall das Urteil des Obersten Gerichtshofs von Pennsylvania, der die Forderung der Republikaner abgewiesen hatte.

Diese ungewöhnliche 4-zu-4-Konstellation im Supreme Court illustriert sehr deutlich, warum die Republikaner unbedingt noch vor der Wahl die Nachfolgekandidatin für Ginsburg, die konservative Richterin Amy Coney Barrett, vom Senat bestätigen lassen wollen. Es ist vermutlich keine allzu unrealistische Spekulation, dass Barrett im vorliegenden Fall mit den vier anderen konservativen Richtern gestimmt hätte. Die Stichtagsregelung hätte damit eine Mehrheit von fünf zu vier Stimmen bekommen, die Wahlämter hätten Briefwahlunterlagen, die nach dem 3. November bei ihnen eintreffen, nicht berücksichtigen dürfen.
Das hätte für das Wahlergebnis in Pennsylvania entscheidende Folgen haben können. 2016 erhielt Trump in dem Bundesstaat 48,18 Prozent der Stimmen, die Demokratin Hillary Clinton bekam 47,46 Prozent – eine Differenz von 0,72 Punkten. Am Ende trennten nur 44’000 Stimmen die beiden Kandidaten.
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