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Wahlen in Israel
Ein Goliath unter lauter Zwergen

Er ist bereits jetzt der am längsten amtierende Premierminister der israelischen Geschichte: Premierminister Benjamin Netanyahu auf einem Wahlplakat in Tel Aviv.
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Ein grosses Finale ist es gewesen, mit Fahnen und Fanfaren: Zehntausende sind am Samstagabend vor die Residenz des Premierministers in der Jerusalemer Balfour-Strasse gezogen, ein bunter Trupp mit einer lauten Botschaft: «Bibi, geh nach Hause.» Gerichtet ist das an Benjamin «Bibi» Netanyahu. In drei Korruptionsverfahren steht der 71-jährige Regierungschef vor Gericht, und obendrein muss er sich noch in einem vierten Fall – dem Kauf von U-Booten beim deutschen ThyssenKrupp-Konzern – ernsten Vorwürfen stellen. Doch Netanyahu denkt gar nicht daran, von der Macht zu lassen – und die Demonstranten denken nicht daran, ihm das durchgehen zu lassen.

Seit 39 Wochen schon trommeln sie zum Protest. Doch nach all den Demonstrationen haben sie nun an diesem Dienstag die Chance, den Regierungschef einfach abzuwählen. Am 23. März ist Wahltag in Israel. Zum vierten Mal in knapp zwei Jahren. Und wie schon bei den letzten drei Malen ist auch diese Abstimmung jenseits aller ideologischen Fragen vor allem wieder ein Referendum über Netanyahus Verbleib im Amt. Hauptgrund für das Wahldrama in vielen Fortsetzungen ist eine tiefe Spaltung des Landes, die eine stabile Regierungsbildung verhindert. Und Hauptgrund für die Spaltung ist die Person des Premierministers. Sein Ziel ist es offenkundig, eine Regierungsmehrheit hinter sich zu bringen, die ihn vor einer Verurteilung schützt. Weil ihm das in den vergangenen beiden Jahren nicht gelungen ist, wurden entweder die Regierungsbildungen blockiert oder die Regierung war nur von kurzer Dauer – und am Ende müssen die Bürger wieder ran zum Wählen.

Beim Netanyahu-Referendum geht es auch um die Frage, wie der Regierungschef im Kampf gegen Corona bestanden hat.

Die harten Fronten und die stets hitzigen Auseinandersetzungen haben immerhin dafür gesorgt, dass die Wahlbeteiligung in Israel dennoch stets relativ hoch bleibt. Bei der letzten Wahl 2020 lag sie bei 71,5 Prozent. Doch die Hoffnung auf Veränderung schleift sich ab auf dem endlosen Weg der Wahlen. Schliesslich geht es jedes Mal wieder um dieselben Kandidaten, und auch das Wahlvolk wurde nicht ausgetauscht. Eines indes hat sich dieses Mal doch verändert gegenüber den drei vorherigen Abstimmungen: Eine Pandemie ist durch die Welt gerauscht und hat auch in Israel tiefe Spuren hinterlassen. Beim Netanyahu-Referendum geht es also diesmal auch um die Frage, wie der Regierungschef im Kampf gegen Corona bestanden hat.

Aufseiten Netanyahus ist klar, dass er dabei den Trumpf der erfolgreichen Impfkampagne ausspielt. Die Botschaft: Israel ist Impf-Weltmeister, und er ist der Retter, der dem Land den Impfstoff quasi im Alleingang besorgt hat mit seiner Beharrlichkeit gegenüber dem Pfizer-Chef Alfred Bourla. Pünktlich zur Wahl hat schon die Hälfte der Bevölkerung zwei Dosen verabreicht bekommen. Das Leben fühlt sich fast wieder normal an mit offenen Geschäften, Restaurants und Konzerthallen.

Wütend: Teilnehmer einer Protestkundgebung gegen Benjamin Netanyahu am Samstag in Jerusalem.

Netanyahus Gegner dagegen setzen darauf, dass der Impfstoff keine Amnesie als Nebenwirkung hat. Konkret: Sie erinnern die Wähler an das zurückliegende Chaos bei der Pandemie-Bekämpfung, an die verheerenden wirtschaftlichen Folgen dreier Lockdowns und an mehr als 6000 Tote, die dem Virus in Israel zum Opfer gefallen sind. Gilad Kariv, ein Kandidat der oppositionellen Arbeitspartei, verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die frühere Regierungschefin Golda Meir nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 zurückgetreten war – nach 2700 Toten.

Likud bleibt stärkste Kraft

Doch natürlich denkt Netanyahu nicht an Rücktritt, sondern schon jetzt an die nächste Regierungsbildung. Er ist bereits jetzt der am längsten amtierende Premierminister der israelischen Geschichte – mit einer ersten Amtszeit von 1996 bis 1999 und zwölf durchgängigen Regierungsjahren seit 2009. Zum zehnten Mal führt er nun seine Likud-Partei in eine Parlamentswahl. Als Ziel hat er eine «stabile Rechtsregierung» ausgegeben.

Klar ist vorab, dass sein Likud die stärkste Kraft bleiben wird im Parlament mit 120 Abgeordneten. Die letzten Umfragen weisen für ihn 30 bis 32 Sitze aus, mit einer Tendenz nach oben. Netanjahu profitiert dabei von der Zersplitterung der politischen Landschaft. Rund ein Dutzend Parteien haben realistische Chancen, in die Knesset einzuziehen. Da wirkt er im Verfolgerfeld schnell wie ein Goliath unter lauter Zwergen.